Luxemburg / Arbeitnehmerkammer stellt neue Studie zum Mindestlohn vor
Der Mindestlohn in Luxemburg ist, in Euro ausgedrückt, der höchste in Europa. Vergleicht man ihn jedoch mit den Lebenshaltungskosten und der Höhe der Produktivität hierzulande, dann ist dies nicht mehr der Fall. Das geht aus einer neuen Studie der Arbeitnehmerkammer (CSL) hervor, die untersucht, wer hierzulande Mindestlohnempfänger ist. Gefordert wird eine deutliche Erhöhung.
„Die Frage der Kaufkraft liegt uns immer am Herzen“, so CSL-Präsidentin Nora Back am Freitagmorgen im Rahmen der Vorstellung der neuen Studie. Zu Zeiten steigender Zinsen und angesichts einer Wohnungskrise müsse man über die Löhne reden, „vor allem über die der Schwächsten“. Immerhin sei Luxemburg europaweiter Spitzenreiter bei den „Working Poor“.
Betroffen seien derweil nicht nur Berufsanfänger, unterstreicht sie in Bezug auf die Studie „Portrait de la population au salaire minimum“. „Viele hängen ihr ganzes Berufsleben daran.“ Auch seien nicht nur Grenzgänger Mindestlohnempfänger, wie oft angenommen würde, so Back. Mehr als die Hälfte der Betroffenen leben in Luxemburg. Doch der Mindestlohn reiche nicht aus, um hierzulande korrekt zu leben.
„Der Mindestlohn ist die einzige Garantie, die Menschen haben, die in Unternehmen ohne Kollektivertrag arbeiten“, fügt Patrick Dury, Vize-Präsident der Arbeitnehmerkammer, hinzu. Doch auch mit Index und Steuerkrediten „hält das alles mit den steigenden Kosten in Luxemburg nicht Schritt“.
15 Prozent der Angestellten betroffen
Rund 15 Prozent der Angestellten des Landes (65.000 Personen; Staatsbeamte nicht mitgerechnet) erhalten Monat für Monat in etwa diese gesetzlich festgelegte Mindestentlohnung für ihre Arbeit. In den letzten zehn Jahren (2012-2022) ist dieser Prozentsatz dabei stabil geblieben.
Verglichen mit ihrem Anteil an der Beschäftigung insgesamt sind Frauen, junge Menschen, Alleinstehende, Menschen mit einem zeitlich befristeten Arbeitsvertrag und Menschen portugiesischer Nationalität bei den Mindestlohnempfängern überrepräsentiert, hebt Dylan Theis von der CSL hervor.
Insgesamt sind derweil mehr als die Hälfte der Mindestlohnempfänger Männer, älter als 30 Jahre, Einwohner Luxemburgs und haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Luxemburger und Franzosen sind die beiden am stärksten vertretenen Nationalitäten. Fast ein Drittel arbeitet bereits seit mehr als zwei Jahren für seinen aktuellen Arbeitgeber.
Große Unterschiede je nach Sektor
Was nun einzelne Wirtschaftsbereiche angeht, so ist der Anteil der Angestellten, die für den Mindestlohn arbeiten, im Horeca-Sektor (Gaststättengewerbe) besonders hoch. Hier sind es fast die Hälfte der Beschäftigten (48,7 Prozent). Auch für die Angestellten im Handel ist der Mindestlohn ein wichtiges Instrument: Rund ein Drittel der Beschäftigten (30,6 Prozent) verdienen das gesetzliche Minimum.
Deutlich besser sehen die Gehaltszahlen derweil im Finanzwesen aus: Hier verdienen nur lediglich 1,1 Prozent der Angestellten den Mindestlohn. Auch der ICT-Sektor verbucht mit einem Anteil von 5 Prozent ein eher gutes Ergebnis.
Leicht besser als die Zahlen im Landesdurchschnitt schneiden derweil auch das Bauwesen und die Industrie ab: Rund 12 Prozent der Angestellten erhalten hier den Mindestlohn als Gehalt. Für die Autoren der Studie ist dies von Bedeutung, da es zeigt, dass der Großteil der Mindestlohnempfänger hierzulande in Sektoren arbeitet, die nicht im internationalen Wettbewerb bestehen müssen.
Weiter hebt die Studie hervor, dass der Mindestlohn (als Summe) im europäischen Vergleich „sehr hoch“, verglichen mit den hiesigen Lebenshaltungskosten und der Höhe der Produktivität jedoch „extrem niedrig“ ist. In diesem Kontext gesehen falle der Spitzenreiter bis ins unterste Drittel des Rankings, so Dylan Theis. Es zeige sich, dass der aktuelle Mindestlohn nicht ausreicht, um die vorgeschlagenen europäischen Schwellenwerte zu erreichen. Allein um dem Armutsrisiko zu entkommen, wäre eine Erhöhung des Mindestlohns um 10,6 Prozent erforderlich.
Kein Risiko für Wettbewerbsfähigkeit
Als besonders negativ hebt er die Tatsache hervor, dass 67 Prozent der Menschen, die heute den gesetzlichen unqualifizierten Mindestlohn verdienen, diesen auch noch ein Jahr später erhalten. Und ein Viertel der Betroffenen (25,8 Prozent) verdient auch zehn Jahre später immer noch das strikte Minimum.
Dabei dürfe man nicht vergessen, dass viele Betroffene nach dem Berufsleben mit Mindestlohn unter die Mindestrente fallen. Des Weiteren seien auch die Sozialtransfers unzureichend, um die zu niedrige Höhe des Mindestlohns auszugleichen.
Die Ergebnisse der Studie seien eine Botschaft an die Regierung, schlussfolgert Nora Back. „Sie steht unter Zugzwang. Es muss etwas passieren. Es gibt keine Alternative zu einer strukturellen Erhöhung.“ Ein Plus von wenigstens zehn Prozent sei erforderlich. Im Sinne der Bekämpfung des Armutsrisikos. Ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sei das nicht.
In Luxemburg wurde der Mindestlohn im Jahr 1944 eingeführt. Erklärtes Ziel war es, den sozialen Frieden zu wahren und den Arbeitnehmern die Aufrechterhaltung eines angemessenen Lebensstandards zu garantieren. Doch „kann der Mindestlohn wirklich als sozial angesehen werden, wenn seine Höhe es einer Person nicht ermöglicht, ein menschenwürdiges Leben zu führen, während sie 40 Stunden pro Woche arbeitet?“, so die Schlussfolgerung der Studie.
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