„Do gouf e rise Bock geschoss“ / Armeegewerkschaft kritisiert Sozialdialog innerhalb der Armee
Fehlende Rechtssicherheit, kaum zu erreichende Rekrutierungsquoten und Missbilligung des Bewertungssystems: Die Armeegewerkschaft SPAL hat klare Forderungen für den kommenden Verteidigungsminister – und bedauert den Zustand des Sozialdialogs innerhalb des Militärs.
Die Luxemburger Armee sollte mit dem neuen Armeegesetz, das kurz vor der Sommerpause gestimmt wurde, auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden. Die Armeegewerkschaft „Syndicat professionnel de l’Armée luxembourgeoise“ (SPAL) meint jedoch, dass mit dem neuen Gesetz neue rechtliche Unklarheiten erst geschaffen wurden. Konkret bemängeln Christian Schleck und Tom Braquet von der SPAL, dass mit dem neuen Gesetz die Begrifflichkeit der „Force publique“ aus dem Luxemburger Rechtskanon gestrichen wurde – was wiederum Auswirkungen auf weitere Gesetzestexte hat. „Es wurde ein juristisches Vakuum geschaffen“, sagen die beiden Gewerkschafter. „Do gouf e rise Bock geschoss.“
So etwa beim Streikrecht, denn: Mitglieder der „Force publique“ ist es nicht gestattet, zu streiken. Da aber die Armee laut Gesetzestext nicht mehr als Teil der „Force publique“ gilt, ist unklar, wie diese Klausel nun ausgelegt werden wird. Juristisch gesehen sei das Streikverbot durch das ersatzlose Streichen des entsprechenden Begriffes aus dem Armeegesetz aufgehoben. „Wir sind nicht dafür, dass Armeemitglieder streiken dürfen“, sagen die SPAL-Gewerkschafter. Da weder das Verteidigungsministerium noch der Staatsrat auf entsprechende Anmerkungen im Gutachten der Gewerkschaften reagiert hätten, sei man in einer kuriosen Situation. Ähnlich sehe es beim Requisitionsrecht der Bürgermeister und Justizbehörden aus.
Verfassungsänderung in Sicht
Ein Kuriosum, das von der Politik dann doch noch als Problem erkannt wurde. Wie Laurent Mosar (CSV) gegenüber dem Tageblatt bestätigt, habe sich die Regierung in einer von der CSV beantragten Dringlichkeitssitzung des parlamentarischen Verteidigungsausschusses einsichtig gezeigt. „Die Präferenz ist, dass der Begriff der ,Force publique‘ in der Verfassung festgeschrieben werden soll“, berichtet Mosar über den schnell gefundenen Konsens. Das könne aber immerhin noch bis nächsten Sommer oder sogar nächsten Herbst dauern, weil die Chamber ihre Arbeit erst wieder nach den Wahlen und der Regierungsbildung aufnehmen könne. Dass es dann jedoch schnell gehen werde, bezweifelt der CSV-Politiker nicht im Geringsten. „Das ist keine politische Frage, da sind sich alle einig.“
Doch neben dem Begriff der „Force publique“ gibt es laut den Gewerkschaftern noch weitere Unklarheiten, denn: „Das Gesetz wurde im Hauruckverfahren gestimmt“, sagt Schleck. „Es fehlen noch sämtliche großherzoglichen Reglemente, die die genaue Ausführung des Gesetzes regeln sollen.“
Schlichtungsverfahren
Außerdem kritisieren die Gewerkschafter das im letzten Moment eingeführte Bewertungssystem. „Dass das System keine finanziellen Auswirkungen hat, ist falsch“, sagt Schleck. Zwar könne den Soldaten das Gehalt nicht gekürzt, ein Karrieresprung jedoch verwehrt werden. Der Soldat sei der Willkür seines Vorgesetzten ausgeliefert, weil auch hier wieder die Definitionsschärfe fehle, so das Fazit der beiden Gewerkschafter. „Zukünftig sollen die ethischen Vorstellungen des Soldaten bewertet werden“, sagt Tom Braquet. Was damit gemeint ist, sei jedoch unklar. „Wir wollen, dass das Bewertungssystem wieder abgeschafft wird, so wie es im ,Accord salarial‘ des öffentlichen Dienstes geschrieben steht.“ Die CGFP hat in dem Punkt am 15. September ein Schlichtungsverfahren gegen die Regierung eingelegt. „Wir sind uns noch unsicher, ob wir ebenfalls ein Schlichtungsverfahren einleiten sollen oder erst einmal den Ausgang abwarten sollen“, sagt Christian Schleck.
Für die kommende Regierung äußern die beiden Gewerkschafter auch einen Wunsch. „Wir wünschen uns die Einführung eines Wehrbeauftragten“, sagt Schleck. Dieser soll als Kontrollorgan der Armee funktionieren. „Da die Armee nicht so groß ist wie die Polizei, muss es keine ganze Verwaltung sein“, sagt Schleck. Der Wehrbeauftragte solle unabhängig von Armee, Chamber und Regierung funktionieren. An ihn sollen sich auch die Soldaten bei Problemen wie etwa Mobbing wenden können. „Wenn es eine Anlaufstelle geben würde, wäre das auch für die Hierarchie einfacher zu handhaben.“
Forderung nach Reformen
Eine weitere Forderung der SPAL ist die Reform des Soldaten-Statutes. Das müsse im Hinblick auf die Luxemburger Mission kohärenter gestaltet werden. Demnach solle ein Soldat für zehn Jahre rekrutiert werden, ehe ihm der Weg in die öffentlichen Verwaltungen geöffnet werden soll. „Etwa als Gefängniswärter, Gemeindeagent oder im Gefangenentransport“, schlägt die SPAL vor. Derzeit werden Soldaten für vier Jahre rekrutiert, von denen jedoch zwei für die Ausbildung veranschlagt werden; ein Weitergeben des technischen Know-hows sei unter diesen Bedingungen schwierig.
Eine große Baustelle ist zudem das luxemburgisch-belgische Bataillon, das bis 2030 aus dem Boden gestampft werden soll. Man stelle sich nicht gegen die Idee eines gemeinsamen Bataillons, versichern Schleck und Braquet im Gespräch mit dem Tageblatt. Das Vorhaben sei gut, jedoch könne die vorhergesehene Zeitschiene keinesfalls eingehalten werden. „Die Soldaten, die 2030 in dieses Bataillon integriert werden müssen, müssten jetzt bereits rekrutiert worden sein“, sagt Schleck und spricht von ungefähr 175 weiteren Rekruten, die benötigt werden würden. Die Ausbildung der Offiziere dauere sechs bis sieben Jahre, die der Unteroffiziere immerhin noch drei. „Zudem müssen die Soldaten an einem neuen Gefährt ausgebildet werden“, erklärt Braquet.
Laut Gewerkschaftern werde bereits versucht, eventuelle Löcher in der Personaldecke zu stopfen, indem Soldaten eine doppelte Funktion einnehmen sollen. Das sei ein No-Go. Die Soldaten dürften nicht „wie eine Zitrone ausgepresst werden“. Neben der dünnen Personaldecke sei aber auch die Timeline in puncto Infrastruktur kaum noch einzuhalten.
Trotz der hervorgebrachten Kritik meinen die Gewerkschafter, dass in der vergangenen Legislaturperiode nicht wenig passiert sei. „Dass nicht immer all unsere Vorschläge übernommen werden, ist ja ,de bonne guerre‘“, meint Braquet. Dennoch sei eine drastische Verschlechterung des Sozialdialogs festzustellen. Nicht etwa mit Verteidigungsminister François Bausch, sondern mit der Armeeführung. „Wenn sie uns nicht auf Augenhöhe begegnen will, macht das einfach keinen Sinn.“ Mit Bausch habe man immer einen konstruktiven Dialog führen können. Seitens der Armeeführung, der die Gewerkschafter einen „diktatorisch anmutenden Führungsstil“ vorwerfen, hieße es jedoch immer, dass die Gewerkschaft alles schlechtrede. Und um ein Zitat von General Steve Thull zu bemühen: „Wir sind verdammt, miteinander klarzukommen“, sagen die Gewerkschafter.
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