Neujahrsempfang der Arbeitnehmerkammer / Armutsrisiko: Luxemburg steht unter EU-Beobachtung
Einer der wichtigsten politischen Termine zu Jahresbeginn ist traditionell der Neujahrsempfang der Arbeitnehmerkammer CSL. Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause lud Präsidentin Nora Back am Montag wieder ins hauptstädtische Cercle-Gebäude – und viele kamen.
Empfänge wie jener der CSL seien zurzeit in vielen Teilen Europas undenkbar, so CSL-Präsidentin Nora Back, die auf den Krieg in der Ukraine verwies und darauf, dass dessen Auswirkungen überall in Europa zu spüren seien. Zwar habe die jüngste Dreierrunde von Regierung, Gewerkschaften und Patronat die Konsequenzen in Luxemburg für Menschen und Betriebe abfedern können, die Maßnahmen reichten allerdings nicht aus. Weitere Risiken wie eine Eskalation des Krieges, Energie- und Gasknappheit, unterbrochene Lieferketten, die neue Covid-Welle in China oder ein möglicher Einbruch des globalen Handels würden bestehen. Die Inflation senke die Kaufkraft der Menschen.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen sei dabei hierzulande – wie Statec-Zahlen zeigen – zwischen 2019 und Mitte 2022 äußerst günstig gewesen. Die Gewinne der Betriebe seien in dem Zeitraum um 37 Prozent gestiegen, die Löhne lediglich um 25 Prozent. Diese Entwicklung habe sich während der letzten Monate fortgesetzt; jetzt sei es an der Zeit, zu handeln.
Und hiermit meint die CSL in erster Linie steuerliche Eingriffe und eine angepasste Steuertabelle, etwa eine solche, wie die CSL sie in ihrem Gutachten zum Staatshaushalt vorgelegt hat.
Sozialer Ausschluss der Kinder
Im Rahmen des Europäischen Semesters werde neuerdings auch die soziale Entwicklung beobachtet. Und hier stehe das Großherzogtum „unter Beobachtung“, was das Armutsrisiko betrifft. Kritisch wird die Lage in Luxemburg sogar beim Armutsrisiko und einem möglichen sozialen Ausschluss von Kindern von der Union betrachtet. Die neu beschlossenen Leistungen, wie etwa der kostenlose Besuch der Kantinen, sei positiv zu bewerten, reichten aber nicht aus, so die Präsidentin, die auf einen Rückstand von etwa zehn Prozent beim Kindergeld verwies, dies, weil diese Leistung lange nicht an die Inflation angepasst wurde.
Das Gleiche sei bei den Steuern der Fall. Die Anpassung der Steuertabelle an die Index-Lage sei nun fünfmal nicht geschehen und sei bei den anstehenden drei Tranchen zurzeit nicht vorgesehen, was zu einem starken Kaufkraftverlust bei den Arbeitnehmern führe. Dabei könnte eine gezielte Reform in diesem Bereich die Ungleichheiten eindämmen.
Neue Dienstleitung Improof.lu
Nora Back nutzte die Gelegenheit, um auf eine neue Dienstleitung der Arbeitnehmerkammer hinzuweisen. Unter der Plattform Improof.lu sind nun u.a. Analysen, Artikel und Überlegungen einzusehen, deren Ziel eine gerechtere und nachhaltige Wirtschaft sei.
Back verteidigte weiter ein gestärktes und ausgebautes Gesundheitssystem und einen starken Sozialstaat. Sie forderte zudem mehr Transparenz im Staatshaushalt, was die sogenannten grünen Investitionen betrifft; eine Aufschlüsselung unter Berücksichtigung dieser Ausgaben im Budget sei kaum möglich.
Was das Dauerthema Wohnen angeht, sieht die CSL-Präsidentin das neue Mietgesetz als kontraproduktiv bis bestenfalls unwirksam an. Die Arbeitszeiten, ein weiteres Thema der Rede, seien nicht mehr zeitgemäß, eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeiten sei überfällig. Eine ganze Reihe von arbeitsrechtlichen Ankündigungen im Koalitionsprogramm sei zudem nicht umgesetzt worden.
Nora Back verwies unter anderem auf die sogenannten Plattform-Arbeiter, die oft scheinselbstständig seien. Arbeitsminister Georges Engel (LSAP) erklärte später in dem Kontext, er werde ein entsprechendes Gesetz zum Schutz dieser Beschäftigten einbringen, Luxemburg werde nicht länger auf EU-Direktiven in diesem Bereich warten.
Ehe der Arbeitsminister Stellung nahm, betonte Parlamentspräsident Fernand Etgen die Bedeutung der Berufskammern, nachdem er die Tripartite-Verhandlungen mit klassischen Musikstücken verglichen hatte, bei denen es gelte, die nötige Harmonie zu finden. Er sprach sich für einen Erhalt der Kaufkraft und den Schutz der Betriebe aus. Zurzeit würden Überlegungen vom Parlament angestellt, wie die Rolle der Berufskammern weiter gestärkt werden könne.
Dass Politik die Kunst der Kompromisse sei, stellte anschließend Engel fest und erinnerte an die aktuellen Zahlen auf dem nationalen Arbeitsmarkt, die durchaus günstig seien. 12.000 freien Arbeitsplätzen stünden 14.500 Arbeitssuchende gegenüber; dies verdeutliche die Notwendigkeit der Weiterbildung, da die vorhandenen Jobs und die Arbeitssuchenden nicht übereinstimmten.
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