Abhörskandal / Asselborn: NSO hat Spionagesoftware nicht von Luxemburg aus exportiert – Opposition reagiert
Journalisten, Oppositionelle und Aktivisten in aller Welt werden laut Medienberichten mithilfe einer israelischen Software ausgespäht. Die Firma, die hinter dem Programm steht, hat laut Außenminister Jean Asselborn zwei Filialen in Luxemburg. Dabei handele es sich allerdings nur um ein „Backoffice“ – eine Lizenz zum Export der Spionagesoftware habe das Unternehmen nicht. Für „déi Lénk“ und die Piraten reicht diese Erklärung nicht aus.
Mit der Überwachungssoftware Pegasus der israelischen Firma NSO sind laut Medienberichten noch stärker als gedacht Oppositionelle und Reporter ausgespäht worden. So seien auf 37 Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern, deren Familienangehörigen sowie Geschäftsleuten Spuren erfolgreicher oder versuchter Angriffe entdeckt worden, berichtete ein internationales Journalistenkonsortium von 17 Medienbetrieben – darunter Washington Post und Le Monde – in einer Serie von Artikeln.
OSY, die Muttergesellschaft von NSO, hat laut Washington Post ihren Hauptsitz in Luxemburg. Außenminister Jean Asselborn (LSAP) sagte am Dienstag im Gespräch mit dem Tageblatt, dass sich tatsächlich zwei Filialen der Firma in Luxemburg befinden – allerdings würden sie im Großherzogtum nur eine Art „Backoffice“ betreiben. NSO habe nämlich keine Lizenz für den Export von Software bei der Luxemburger Regierung angefragt. „Das haben wir sofort, nachdem das bekannt wurde, überprüft“, sagt Asselborn.
Auch die Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ habe laut Asselborn bestätigt, dass die Spionagesoftware nicht aus Luxemburg komme. „Und Luxemburg hat diese Software selbstverständlich nie verwendet“, fügt Asselborn hinzu. Der LSAP-Politiker habe auch schon mit dem israelischen Botschafter geredet: Israel werde die Vorwürfe überprüfen und dementsprechend reagieren. Die Europäische Union führt laut Asselborn am 9. September ein Reglement ein, das es der EU ermöglichen wird, Cyberspionageprogramme besser zu kontrollieren.
NSO weist die Vorwürfe ab
Pegasus ist in der Lage, Mobiltelefone in Echtzeit auszuspähen und komplett zu überwachen, die Verschlüsselung von Messenger-Diensten wie WhatsApp oder Signal können problemlos umgangen werden. Das Programm nutzt Sicherheitslücken in Smartphone-Software, um weitreichenden Zugriff auf Daten zu erlangen. Das Unternehmen NSO wies die Vorwürfe der aktuellen Medienberichte zurück und bestritt einzelne Details aus den Berichten. Pegasus werde „ausschließlich an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste von geprüften Regierungen verkauft, mit dem alleinigen Ziel, durch Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten Menschenleben zu retten“, betonte die Firma. Ähnlich äußerte sich das Unternehmen bereits früher nach ähnlichen Vorwürfen.
NSO wurde bereits 2019 vorgeworfen, mit Pegasus autoritären Regierungen die Ausspähung von Journalisten und Dissidenten ermöglicht zu haben. Facebook hatte NSO 2019 in den USA verklagt. Der Vorwurf in der Klage lautet, NSO habe versucht, sich über eine später geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtler, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen. Die israelische Firma betont, dass Verträge mit Kunden wegen des Verdachts von Menschenrechtsverletzungen gekündigt worden seien.
NSO war auch vorgeworfen worden, dass seine Überwachungssoftware bei der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi eine Rolle gespielt habe. Laut der Washington Post gehörten zwei der Smartphones, auf denen IT-Experten von Amnesty International Spuren von Pegasus-Angriffen gefunden hätten, Frauen, die Khashoggi nahestanden. NSO wies zurück, dass seine Software nichts mit der Ermordung Khashoggis zu tun gehabt habe.
„déi Lénk“ kritisiert Untätigkeit der Regierung
Die mögliche Verbindung zwischen dem Mord an Khashoggi und der NSO-Gruppe hat den „déi Lénk“-Abgeordneten David Wagner im Januar 2019 dazu gebracht, die Regierung zu fragen, was sie wegen der Verbindung zwischen Luxemburg und dem Unternehmen zu tun gedenke. Jean Asselborn und der damalige Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) antworteten am 19. Februar, dass „die luxemburgische Regierung Anstrengungen unternimmt, um die Unternehmen zu sensibilisieren, und von ihnen erwartet, dass sie die Menschenrechte in vollem Umfang respektieren“.
„Heute sollte selbst dem Widerspenstigsten klar sein, dass bloße ‚Anstrengungen‘, ‚Bewusstsein‘ und ‚Erwartungen‘ nicht ausreichen, um die Demokratie zu schützen“, schreibt „déi Lénk“ am Dienstagnachmittag in einer Pressemitteilung. Pegasus sei kein Kavaliersdelikt und „freiwillige“ Halbmaßnahmen wie der am Dienstag vorgestellte „Nationale Pakt für Wirtschaft und Menschenrechte“ werden laut „déi Lénk“ nichts ändern. Die sozialistische Partei fordere eine Sorgfaltspflicht, die über gute Absichten hinausgehe. Eine einklagbare Gesetzgebung sei nötig. „Die NSO-Gruppe sollte von den luxemburgischen Behörden untersucht werden und die Konsequenzen dieser Missachtung tragen“, fordert „déi Lénk“.
Pegasus zeige, dass es immer dringlicher werde, der luxemburgischen Untätigkeit in Sachen Menschenrechte ein Ende zu setzen. „Es kann nicht sein, dass diese Regierung, die bereits so viel in die Militarisierung Luxemburgs investiert hat, auch noch Handlanger der antidemokratischen und kriegerischen Regime der Welt wird“, steht in der Pressemitteilung.
Wie eine „digitale Massenvernichtungswaffe“
Sven Clement und Marc Goergen von den Piraten haben am Dienstag sofort zwei parlamentarische Fragen zum Thema NSO eingereicht – in einer Frage wird auch die Sorgfaltspflicht angesprochen. „In schönen Sonntagsreden wird über die Sorgfaltspflicht geredet, aber die Frage bleibt: Wie weit sind wir damit?“, sagt der Abgeordnete Sven Clement dem Tageblatt gegenüber.
Etienne Schneider und Jean Asselborn schrieben in der parlamentarischen Antwort vom 19. Februar, dass sich die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag für die Jahre 2018 bis 2023 verpflichtet habe, „die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung der Sorgfaltspflicht für Unternehmen mit Sitz in Luxemburg zu prüfen“. Das reicht laut Clement nicht aus. Der Koalitionsvertrag der Regierung beinhalte sehr viel „planen, bewerten, schauen“ – allerdings sei bis jetzt nicht viel davon umsetzt worden.
Das Argument, dass es sich bei den Filialen nur um das „Backoffice“ handele, will Clement auch nicht gelten lassen. Dem Piraten-Abgeordneten zufolge sei Pegasus nämlich eine Art digitale Massenvernichtungswaffe. „Wenn jemand eine Atombombe abfeuert, die von einem luxemburgischen Satelliten gesteuert wird, würden wir dann sagen: Die Waffe wurde nicht in Luxemburg gebaut?“, sagt Clement dem Tageblatt gegenüber. „Wir müssen uns in Luxemburg die Frage stellen, ob wir solche Betriebe haben wollen.“
Mit Material von dpa und AFP
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Diese Eintagsfliege des täglichen Spionagegeschäftes wird von der Politik hochstilisiert bis zum Absurdum als wäre es etwas Außergewöhnliches.