Regierungsbericht / Asselborn zur Migrationsbilanz: „Fremdenhass passt nicht zu Luxemburg“
Tausende menschliche Schicksale zusammengefasst in einem knapp 40-seitigen Bericht. Integrationsminister Jean Asselborn (LSAP) hat die Zahlen zur Migration in Luxemburg am Montag im Außenministerium vorgestellt. Massive Veränderungen zu den Vorjahren gibt es nicht. Erneut wurden innerhalb eines Jahres mehr als 2.000 Anfragen auf internationalen Schutz gestellt.
Insgesamt zählt das Ministerium für das vergangene Jahr 2.047 Anfragen auf internationalen Schutz. 2018 waren es noch 2.206, ein Jahr davor 2.318 Anfragen. Ein leichter Rückgang demnach, aber immer noch weit über dem Niveau der Jahre vor 2016, also bevor die Flüchtlingsbewegungen vor allem aus Richtung Syrien und Irak aufgrund der Kriege in der Region anfingen, Europa in Atem zu halten.
Wird ein Antrag gestellt, gibt es verschiedene mögliche Entscheidungen, die gefällt werden können. Luxemburgs Asylrecht kennt hier zwei Rechtsstellungen für internationalen Schutz: die des Flüchtlings und die des subsidiär Schutzberechtigten. Hinzu kommen die möglichen Ablehnungen, die selbst wiederum in einer normalen oder in einer beschleunigten Prozedur erfolgen können.
Im vergangenen Jahr traf das Ministerium insgesamt 2.154 solcher Entscheidungen (die auch Anträge vergangener Jahre betreffen, genauso wie nicht jeder Antrag, der vergangenes Jahr eingereicht wurde, bereits abgearbeitet werden konnte). 653 Menschen wurde Asyl zugesprochen (2018 waren es 994, ein Jahr zuvor 1.167).
Erstmals viele Venezolaner
Unter den Menschen, denen Asyl zugestanden wurde, liegen die Syrer mit 268 positiven Bescheiden an erster Stelle, gefolgt von 182 Eritreern, 56 Irakern und 52 Afghanen. Unter den insgesamt 40 Menschen, denen subsidiärer Schutz zugestanden wurde (das sogenannte „kleine Asyl“), sind 17 Venezolaner; was in den Jahren zuvor nicht der Fall war und auf den wirtschaftlichen Kollaps und die politische Krise in dem südamerikanischen Land zurückzuführen ist. Insgesamt 397 Anträge wurden im vergangenen Jahr abgelehnt.
Integrationsminister Jean Asselborn erinnerte eingangs der Vorstellung des Migrationsberichtes, dass Luxemburg durch Migration „in dieser Topliga spielt, in der wir heute sind“, sowohl was den Sozialstaat als auch was die wirtschaftliche Entwicklung angeht. „Wenn wir keine 47 Prozent Ausländer hätten, die uns helfen, wären wir nicht da, wo wir sind“, so der LSAP-Politiker. Luxemburg sei eines „der wenigen Länder, die noch Solidarität und Verantwortung gegenüber Menschen zeigen, die alles verloren haben“.
Asselborn zeigte sich in der Hinsicht auch in seiner Politik bestätigt, dass er im Parlament eine breite Unterstützung für seine Herangehensweise bekomme. Doch auch hier gebe es Tendenzen, mit Mitteln auf Stimmenfang zu gehen, wie es radikale rechte Parteien und Politiker in anderen europäischen Ländern täten. „Auch in Luxemburg gibt es Lautsprecher, die an den Mann bringen wollen, was AfD, Salvini oder Orban sagen“, sagte Asselborn, der dabei die ADR im Visier hatte, „doch das passt nicht zu Luxemburg, nicht zu unserer Einstellung“.
Das Dublin-System macht weiter Probleme
In insgesamt 625 Fällen zeigte sich Luxemburg nicht zuständig, da die Asyl-Prozedur in einem anderen Staat der Europäischen Union begonnen worden war (gegenüber 797 Fällen im Vorjahr). Diese sogenannten Dublin-Fälle wurden größtenteils nach Deutschland, Frankreich und Italien zurückgeschickt. Luxemburg musste umgekehrt 90 Personen wieder aufnehmen, für die es zuständig ist. Doch auch hier bleibt dem Ministerium ein gewisser Ermessensspielraum – was im vergangenen Jahr auch zu öffentlicher Kritik durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtes am Außenminister geführt hatte. Diese sogenannte Souveränitätsklausel, mit der sich ein Staat über die Dublin-Verordnungen hinwegsetzen kann, wurde im vergangenen Jahr knapp 100-mal gezogen.
Eines besonderen Schutzes bedürfen weiterhin unbegleitete Jugendliche. Insgesamt waren es im vergangenen Jahr 47, die sich in Luxemburg registrierten. Auch in diesem Bereich war in der Vergangenheit Kritik am Vorgehen des Ministeriums laut geworden. Zur richtigen Feststellung des Alters (und damit, ob den Menschen damit der besondere Schutz zusteht) überprüften Ärzte teilweise die Genitalien der Antragsteller. Das sei mittlerweile nicht mehr der Fall, so Jean Asselborn, der aber betonte, wie wichtig es sei, das korrekte Alter festzustellen. „Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, vor allem gegenüber anderen Antragstellern“, sagte der Minister.
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 330 Personen in ihr Herkunftsland oder in einen anderen europäischen Staat zurückgeschickt. 199 taten dies freiwillig, 131 mussten mit Polizeibegleitung abgeschoben werden (29 hiervon in Länder des Westbalkans). Die allermeisten dieser Menschen hatten erfolglos in Luxemburg einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Portugiesen weiter auf Rang eins
Der allergrößte Teil der Zuwanderung nach Luxemburg erfolgt nach wie vor aus anderen EU-Staaten. In diesem Bereich haben sich die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich verändert, sie sind nur leicht gestiegen. Das Immigrationsbüro verzeichnet hier für das Jahr 2019 insgesamt 17.543 Registrierungen. Portugiesen liegen an erster Stelle (4.165), gefolgt von Franzosen (4.099), Italienern (2.053) und Belgiern (1.213). Während desselben Zeitraumes wurden 1.839 erste Aufenthaltsgenehmigungen an Menschen aus Drittländern ausgestellt. Hier liegt Brasilien mit 218 Personen vor den Kapverden (163) und Marokko (97).
Das „Office national de l’accueil“ (ONA), das die Unterkünfte in ganzen Land verwaltet, hat im vergangenen Jahr 3.351 Menschen untergebracht. In rund einem Drittel der Gemeinden in Luxemburg gibt es mittlerweile Strukturen, die dies ermöglichen. 134 Agenten arbeiten für das ONA, das über ein jährliches Budget von 77 Millionen Euro verfügt. Problematisch bleibt hier, dass 40 Prozent der Bewohner von ONA-Strukturen bereits Asyl zugestanden wurde, sie aber keine Wohnung außerhalb finden.
Weitere Pfeiler der Migrationspolitik in Luxemburg sind die Erstaufnahmestelle SHUK auf Kirchberg („Structure d’hébergement d’urgence Kirchberg“), die im vergangenen Jahr 546 Menschen passierten. 323 von ihnen haben das SHUK freiwillig verlassen. Damit haben sie die Asylprozedur aufgegeben und befinden sich illegal in Luxemburg (wenn sie denn noch hier sind). Hinzu kommt dann noch das Abschiebezentrum „Centre de rétention“, in dem im vergangenen Jahr zeitweilig 423 Menschen waren (mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 47 Tagen).
Keine „Nullachtfünfzehn-Arbeit“
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Bearbeitungsdauer einer Prozedur in Luxemburg im vergangenen Jahr im Schnitt 4,8 Monate dauerte. Insgesamt befanden sich in diesem Zeitraum 1.470 Menschen in einer solchen Prozedur. Die Höchstdauer, die ein solches Verfahren nicht überschreiten sollte, liegt in Luxemburg bei sechs Monaten. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass sich Verfahren beispielsweise wegen fehlender Papiere länger hinziehen.
Minister Jean Asselborn nutzte die Vorstellung des Migrationsberichtes auch, um jenen Akteuren zu danken, die sich hier engagieren – wie das Rote Kreuz, die Caritas, die zahlreichen NGOs sowie die Beamten, die jeden Tag in diesem Bereich arbeiten, das sei alles andere als eine „Nullachtfünfzehn-Arbeit“, sagte Asselborn.
Und dann wagte Asselborn noch einen Ausblick. In Luxemburg gebe es bereits jetzt Gewählte, deren Herkunft auf dem Balkan oder den Kapverden liege. Bald, so Asselborn, kämen Abgeordnete, Bürgermeister, Minister hinzu, die syrische, eritreische oder irakische Wurzeln haben. „Das ist eine Perspektive“, sagte Asselborn. „Das ist in unserem Land möglich.“
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Esou lang wei dei vill Friem eis akzeptieren ass alles OK😄
Herrn Asselborn kann ich nur zustimmen und es ist erfreulich , dass verschiedene kulturelle Aspekte anderer Völker hier heimisch werden , Einzug in unseren Gefilden nehmen . Allerdings muss ich auch den Fingerzeig heben und auf Missstände hinweisen , die bisher in Luxemburg nicht ins Gewicht schlugen, scheint es mir doch an erster Stelle enorm wichtig , den Einwanderern während zwei Jahren an Kursen teilnehmen zulassen die Sprache , Kultur, religiöse Freiheiten, die Rolle der Frau, des Mannes, gleichgeschlechtlicher Beziehungen , Politik beleuchten. Diese Kurse , nennen wir es Bürgerkunde, mit abschließenden Test , Beurteilung sollte man als Ausgleichsforderung stellen für geleistete Sozialdienstleistungen des Staates, der Gemeinden, umso eine bessere Integration zu ermöglichen , extrem fundamentalistische Ideen egal welcher Religionen ihre Grenzen aufzuzeigen und ein friedliches Miteinander zu gewährleisten. Wir dürfen die Fehler der Einwanderungspolitik der anderen europäischen Länder nicht wiederholen, Schaffung von Ghettos, Grauzonen wo andere Gesetze gelten,…..Ausgrenzung in Bildung, Beruf, Gesellschaft.
@genau: fënns du daat witzech ? Hues du mol eng kéier mat engem Flüchtling geschwat ? Wars de mol bei eng Famill an esou een Home ? Dene Leit hir Liewenssituation ass alles wéi net „witzesch“
@genaunet, Firwaten soll ech dann ausgerechent mat engem Flüchtling schwetzen, ech schwetzen mat jidderengem an Dutzen ken den mer den Du net ugebueden huet, geldiert Madame
@Genau,
Ech bedaueren Iech zu deifst, dir sidd een trauregen an aarmen Mensch. Ech wenschen Iech vill Courage! Et muss Iech vill beises am Liewen getraff hun, mein Mattgefill.