Brüssel / Asselborns Abschied von der EU: „Das steckt man nicht so einfach weg“
Für Jean Asselborn war der Montag ein spezieller Tag. Luxemburgs 74-jähriger Außenminister nahm in Brüssel an seinem letzten EU-Ministertreffen teil. „Das steckt man nicht so einfach weg“, sagt der Mann, der fast 20 Jahre Luxemburgs Außenpolitik prägte und einiges zum Bild des Großherzogtums in der Welt beitrug.
Weit mehr als 200 EU-Ministerräte der Außenminister waren es. In seiner Zeit sah er rund 240 andere Außenministerinnen und Außenminister kommen und gehen. Nach 19 Jahren war es gestern die letzte Sitzung für Jean Asselborn in Brüssel. Luxemburgs Chefdiplomat, der von sich sagt, kein Diplomat zu sein, wird Ende der Woche sein Amt ablegen. Dann, wenn die neue Regierung vereidigt wird. Am Montagmorgen stellte er sich in Brüssel noch einmal vor die Mikrofone der internationalen und der nationalen Presse.
„19 Jahre steckt man nicht einfach so weg, aber ich hatte Zeit, mich darauf vorzubereiten“, sagt Asselborn. Was seine persönliche Zukunft angeht, hält sich Asselborn am Montag noch bedeckt. Am Dienstag werde er mit den „Kollegen aus der Fraktion“ reden. „Den Rest schauen wir dann.“ Die Frage, um die es geht, ist, ob Asselborn sein Abgeordnetenmandat annimmt oder nicht.
Genscher 2022 überholt
19 Jahre sind eine lange Zeit. Asselborn ist der bei weitem dienstälteste Außenminister innerhalb der EU. Im Juli 2022 witzelte er in einem Interview mit dem Spiegel über diese erstaunliche Ära. Da stand er kurz davor, den legendären deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu überholen. Die 40 Jahre Außenminister von Prinz Saud Bin Faisal aus Saudi-Arabien werde er nicht mehr schaffen, sagte Asselborn damals. Die knapp 30 Jahre des sowjetischen Außenministers Andrej Gromyko erreiche er auch nicht mehr. „Aber Genscher, das war machbar“, sagte Asselborn, „das war für mich ein Spiel“.
2004, als Asselborn ins Amt kam, war die Welt noch eine andere. Der Irak-Krieg war erst kurz beendet. „Überall herrschte große Hoffnung“, sagt Asselborn jetzt. Diese habe sich nicht überall erfüllt. Nach 2005 lag die Zwei-Staaten-Lösung auf dem Tisch. Sie war zum Greifen nahe. „Diese Möglichkeit nicht wahrgenommen zu haben, dass wir nicht mehr an diese Idee geglaubt und nicht mehr daran gearbeitet haben, ist einer der größten Fehler der internationalen Gemeinschaft und damit auch der Europäer“, sagt Asselborn am Montag in Brüssel, womit Luxemburgs Außenminister die Journalisten-Fragen direkt wieder ins Hier und Jetzt lenkt – und dieses Hier und Jetzt kennt zurzeit vor allem eine Dringlichkeit: die Krise in Nahost, den Krieg zwischen Israel und der Hamas.
Das steckt man nicht so einfach weg
Die Hamas nennt Asselborn „eine pure Terrororganisation“. Diese habe auch „genau gewusst, was die Reaktion auf ihre Taten vom 7. Oktober sein würde“. Und trotzdem: „Krankenhäuser dürfen kein Schlachtfeld sein“, mahnt Asselborn, „die Geschichte wird uns das nicht verzeihen“. Wir alle müssten auch auf Ärzte ohne Grenzen hören und auf die Weltgesundheitsorganisation. „Säuglinge und Menschen auf der Intensivstation werden das nicht überleben, sie werden sterben“, warnt Asselborn vor der Situation im Gazastreifen. „Auch wenn wir wissen, dass die Hamas diese Menschen und das Krankenhaus als Schutzschilde benutzt, kann es nicht sein, dass das zum Schlachtfeld wird.“
Die palästinensische Frage lag Asselborn schon immer am Herzen. Als einer von wenigen hat sich Luxemburgs Außenminister stets für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen. Da schwingt auch Enttäuschung mit, wenn der Steinforter jetzt sagt: „Zehn Jahre haben wir Europäer auf die Zwei-Staaten-Lösung gepfiffen und jetzt wird sie plötzlich als einzige Lösung propagiert.“ Nur Luxemburg und Irland hätten während all dieser Jahre „ab und zu versucht, das Thema auf die Tagesordnung eines EU-Außenministerrats zu setzen – aber keine Chance“. Es seien, so Asselborn, „kapitale Fehler gemacht worden“.
Asselborn schafft es in Brüssel aber auch, sich auf Nachfrage vom Radio 100,7 an positive Abschnitte seiner Außenminister-Laufbahn zu erinnern. „Der schönste Moment war der, als die Kinder aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria in Luxemburg ankamen.“ Das war Ende September 2020 und Asselborn empfing die erste Familie mit kleinen Kindern persönlich am Flughafen. Jedoch sei das nicht nur aus luxemburgischer Sicht sehr positiv gewesen. „Dadurch begann Deutschland zu handeln und nahm am Ende Tausende dieser Kinder bei sich auf“, erinnert Asselborn an jene Zeiten, als dieses Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos mitten in der Pandemie teilweise in Flammen stand und die Menschen auf dringende Hilfe und Unterstützung aus Europa angewiesen waren.
Angesprochen auf seinen berühmt gewordenen „Merde alors“-Spruch, versichert Asselborn, dass ihm der „nicht leidtut“. Er sei nun einmal Politiker und kein Diplomat. Selbstverständlich könne er die Diplomaten verstehen. Diese müssten „immer das ganze Bild im Kopf haben“ und seien deswegen „zurückhaltender in ihren Äußerungen“.
„Merde alors“, na und?
Das „Merde alors“ galt im Jahr 2018 dem rechten italienischen Innenminister Matteo Salvini. Salvini hatte damals bei einer Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Wien Afrikaner mit Sklaven verglichen und gesagt, dass Italien die nicht wolle, Luxemburg sie aber gerne aufnehmen könne. Zudem hatte der Italiener der Genfer Flüchtlingskonvention die Berechtigung abgesprochen. Das „Merde alors“ sei ihm dann „spontan über die Lippen gekommen“, sagt Asselborn. Ein Mitarbeiter Salvinis hatte das heimlich gefilmt, Salvini selbst wollte damit auf Facebook punkten – am Ende wurden es Punkte für Asselborn, dessen Spruch in Luxemburg einen gewissen Kultstatus erreichte und Asselborn wenig später zu einem formidablen Wahlergebnis verhalf.
Aus der Vergangenheit wird Asselborn von den Fragestellern in Brüssel dann schnell wieder in die Aktualität zurückgeholt. Ob er Tipps für seinen Nachfolger habe, wird er gefragt. Asselborn verneint und sagt, er habe auch keine Tipps bekommen, als er selbst 2004 Außenminister wurde. Und wenn es jener würde, der immer genannt wird – vieles deutet darauf hin, dass Xavier Bettel dieses Amt übernimmt –, habe der ja schon ausreichend Erfahrungen gesammelt. Asselborn sagt: „Das wird schon klappen.“ Ein bisschen Diplomat ist der LSAP-Politiker nach 19 Jahren wohl doch geworden.
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Danke Herr Asselborn, Sie haben dem kleinen Luxemburg ein sehr positives außenpolitisches Gesicht gegeben.
Werde Ihre kompetente Meinung und grosse Wissen vermissen.
Für Ihr weiteres Leben nur das Beste und möge Ihr Velo Sie noch weit tragen.
Ech sinn zuversichtlech dass sein Nofolger eist Ländchen, vill manner blammeirt wei den Clown do.
Bravo Jang a Merci. A vill Spaß um Ventoux.Villäicht begéint een sech eng Kéier…an enger Kéier. Da lache mir iwwer däi „Merde alors“ wats du dem „Duce“ an de Kapp gehäit hues. Mir wärten nach lang Politiker sichen matt souvill „Chuzpe“.
Wir werden in Zukunft wohl keine Aufsaetze von ihm in Foreign Affairs lesen , aber als der Paul Philipp der Aussenpolitik wird er uns wohl erhalten leiben .
Als Ausseminister gouf hie regelméisseg wéint sengem aussepoliteschen Hannergrondwëssen a groussen internationale Medie em seng Meenung gefrot, Deutschlandfunk, France Inter, ZDF, ARD etc. Natierlech dierfte Leit déi sech just an de soziale Medien reëmklappen dat kaum matkritt hun (vergl gewësse Kommentaren)
Mee esou ee klengen intelletuelle Footprint dierft jo kaum eng Roll spillen.
Et muss en ower wëssen dass et elo eriwer ass mee et därf een ower och net vergiessen dass dee Mann schon ze lâng op deem Poste war. An dofir géif ech méngen merde alors.
….Här Asselborn Jo vill Spaß mat Ären weißen Auto wenschen, awer et as Jo en Elektrischen. ☹️Oder as et en fir iwert de Golf ze fueren.😂