Mehr als 50 Länder analysiert / ASTI-Studie: Luxemburg hat in Sachen Integrationspolitik den größten Fortschritt gemacht
Die „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ hat für eine Studie die Integrationspolitik von mehr als 50 Ländern analysiert. Luxemburg hat dabei in der Gesamtwertung von allen zwar den größten Sprung nach oben gemacht – doch laut der Organisation ist da immer noch viel Luft.
Wie fühlen sich Menschen, die nicht in dem Land aufgewachsen sind, in dem sie gerade leben? Für viele ist es schwer, sich beruflich und gesellschaftlich an einem Ort einzufinden, wenn sie noch nicht sehr lange dort sind – oder wenn es die Bedingungen in diesem Land es ihnen sogar erschweren. Mit diesem Thema beschäftigt sich die nicht staatliche Organisation „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI) in ihrer Studie „Migrant integration policy index 2020“ (Mipex). Luxemburg hat dabei laut der Analyse den größten Fortschritt gemacht – gegenüber dem bisher jüngsten Bericht aus dem Jahr 2015.
Beim Mipex handelt es sich um eine vergleichende Studie über die rechtlichen Bestimmungen zur Integration in den jeweiligen Ländern. „Es geht nicht um die Bewertung der konkreten Anwendung der Gesetze“, schreibt die ASTI. Das sei Gegenstand anderer Studien, wie sie zum Beispiel die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Auftrag der luxemburgischen Regierung durchführt. Deren Ergebnisse sollen Anfang 2021 vorgestellt werden.
Verbesserungen beim lokalen Wahlrecht für Migranten
„Im Mipex 2020 ist Luxemburg das Land, das in der Indexskala am stärksten gestiegen ist“, schreibt die ASTI in einer Pressemitteilung. Generell ist das durchschnittliche Mipex-Land laut der Analyse in den vergangenen fünf Jahren um zwei Punkte gestiegen. Im Gegensatz dazu führe Luxemburg mit einem Plus von zehn Punkten die Europäische Union mit den größten Verbesserungen seiner Integrationspolitik an und kommt damit auf 64 von 100 Punkten. Dennoch sei die demografische Situation Luxemburgs im Vergleich zum Rest der Welt so speziell, dass die Ergebnisse weiter analysiert werden müssten.
Ein Beispiel für eine positive Veränderung Luxemburgs in der Integration ist laut ASTI-Sprecher Sérgio Ferreira der Fortschritt bei den lokalen Wahlrechten für Migranten. Beim Punkt „politische Partizipation“ liegt Luxemburg in der MIPEX-Bewertung bei 85 von 100 Punkten. Damit liegt das Großherzogtum laut ASTI-Mitteilung „neben Irland und Neuseeland sogar auf Platz zwei der Rangliste“. Bürgern mit Wohnsitz in einem Drittland sei in Luxemburg die Teilnahme an Kommunalwahlen und sogar die Wahl zum Bürgermeister oder Stadtrat erlaubt – „eine Öffnung, die in der Europäischen Union bei weitem nicht die Regel ist“, heißt es in dem ASTI-Schreiben.
Auf der anderen Seite sei Luxemburg nach wie vor das einzige Land der Europäischen Union, das eine Aufenthaltsklausel von fünf Jahren für die Registrierung und Wahl von EU-Bürgern vorschreibt, schreibt ASTI. „Diese Klausel ist umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass für die Eintragung in das Wählerverzeichnis oder für die Beantragung der luxemburgischen Staatsbürgerschaft dieselbe Aufenthaltsdauer von fünf Jahren erforderlich ist“, erklärt die Organisation weiter. Dass es das Wahlrecht auf lokaler Ebene jetzt gebe, sei ein guter Schritt in die richtige Richtung, sagt ASTI-Sprecher Ferreira. „Aber Luxemburg kann noch besser werden.“
Recht auf Schutz vor Diskriminierung
Die ASTI-Analyse hat jedoch noch ein paar weitere Fortschritte in Luxemburgs Integrationspolitik entdeckt. „Alle rechtmäßig in Luxemburg ansässigen Personen genießen nun das Recht auf Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und das Recht auf eine geburtsrechtliche Staatsbürgerschaft für die zweite Generation.“ Darüber hinaus sollen sich erwachsene Zuwanderer in ihrem Recht auf Familienleben und auf ihrem Weg zur Einbürgerung etwas sicherer fühlen, während ihre Kinder beim Zugang zu Hochschulbildungsmöglichkeiten stärker unterstützt werden sollen.
Bezüglich Nicht-EU-Familien ist Luxemburg laut ASTI familienfreundlicher geworden – indem es die einjährige Wartezeit für Familienzusammenführungen abgeschafft habe. Das „für Westeuropa leicht überdurchschnittliche luxemburgische Angebot“ beim Thema Bildung ziele zudem auf die spezifischen Bedürfnisse von Schülern mit Migrationshintergrund ab und befürworte einen interkulturellen Ansatz für alle Lernenden.
Integrationspolitik wegweisend für das Zusammenleben
„Diese Reformen dürften langfristig positive Auswirkungen auf die Einstellung und das Bewusstsein der Öffentlichkeit in Bezug auf Einwanderung und Diskriminierung haben“, heißt es in der Mipex-Studie. Dennoch gibt es nach wie vor einige Ungleichheiten. Die größten Lücken zeigen sich in den folgenden vier Bereichen:
- „Beschäftigung: Unterrepräsentierung im öffentlichen Sektor und Lücken in Bezug auf Einkommen, Armut und Qualifikationen in Luxemburgisch im Vergleich zu Französisch und Deutsch;
- Bildung: Schulkonzentration von Schülern mit Migrationshintergrund, Sprachen und Bildungswege;
- langfristige Sicherheit: ständiger Wohnsitz oder Einbürgerung;
- Bewusstsein und Berichterstattung über Diskriminierung.“
„Diese Ungleichheiten lassen sich zum Teil durch Lücken und Hindernisse in der Integrationspolitik Luxemburgs in Bereichen wie Arbeitsmarktmobilität, Bildung, Familienzusammenführung und Daueraufenthalt erklären“, schreibt die ASTI im Mipex. Positiv sei allerdings, dass alle Einwohner Luxemburgs, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, nun weitgehend die gleichen Grundrechte genießen. Die Integrationspolitik eines Landes sei wichtig, weil die Art und Weise, wie die Regierungen mit Einwanderern umgehen, stark beeinflusse, wie gut Einwanderer und Öffentlichkeit miteinander umgehen.
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