Arbeitsbesuch / Auf dem Sprung ins Amt der EU-Außenbeauftragten: Estnische Regierungschefin Kaja Kallas in Luxemburg
Kurz vor ihrer Nominierung zur EU-Außenbeauftragten war die estnische Regierungschefin Kaja Kallas am Mittwoch zu einem Arbeitsbesuch bei ihrem Amtskollegen Luc Frieden in Luxemburg.
Der erste Arbeitsbesuch von Kaja Kallas als estnische Premierministerin in Luxemburg dürfte auch der letzte gewesen sein. Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel dürfte die Estin zur neuen Hohen Beauftragten für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU bestimmt werden. Nachdem am Dienstag bekannt wurde, dass sich die Verhandler der europäischen Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen auf das Personaltableau von drei EU-Spitzenämtern geeinigt hätten, dürfte dem wenig im Wege stehen. Der luxemburgische Premierminister Luc Frieden erklärte, dass er dem Vorschlag seine „volle Unterstützung“ geben werde, der neben der „extrem qualifizierten“ Kaja Kallas die bisherige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre eigene Nachfolge, sowie den ehemaligen portugiesischen Regierungschef António Costa als künftigen EU-Ratspräsidenten vorsieht.
In den gegenwärtig von Krisen und Kriegen gezeichneten Zeiten ist das Amt der EU-Außenbeauftragten kein leichtes, zumal in dem künftig von Kallas geleiteten EU-Außenministerrat jede Entscheidung per Einstimmigkeitsbeschluss getroffen wird. Ob sie daran etwas ändern werde und, wie es die EU-Verträge erlauben, vorschlagen werde, zum Mehrheitsprinzip überzugehen, wollte die Estin gestern nicht sagen. Es werde eine Diskussion dazu geben, versicherte sie, schränkte aber ein, dass zuerst darüber gesprochen werden müsse, was auf welche Weise gemeinsam getan werde. Und sie verwies darauf, dass sie aus einem Land komme, das rund 50 Jahre lang keine Stimme hatte und sie die Stimme ihres Landes in der EU wertschätze. Zudem würden kleine EU-Staaten, wie Luxemburg und Estland, sehr konstruktiv mit ihrer Stimme umgehen, andere Staaten weniger.
Vor allem die EU-Hilfe für die Ukraine kommt immer wieder ins Stocken, da insbesondere Ungarn Entscheidungen im Außenministerrat mit seinem Veto blockiert. Kaja Kallas ist allerdings eine große Unterstützerin der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Invasionstruppen, da es für ihr Land quasi von existentieller Bedeutung ist, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt. Die Unterstützung der Regierung in Kiew war denn auch ein Thema der Gespräche mit Luc Frieden. Die Europäer sollten nicht davor zurückschrecken, einen „Sieg der Ukraine als Ziel zu benennen“, sagte die estnische Regierungschefin. „Wir müssen die russische Kriegsmaschine weiter schwächen und die Sanktionen weiter verstärken.“ Doch dabei dürfe es nicht bleiben. Der Wiederaufbau des Landes könnte den Menschen in der Ukraine wieder Hoffnung geben, meinte sie und sprach sich dafür aus, dass Russland für den Wiederaufbau zahlen müsse, „nicht unsere Steuerzahler“. Deshalb habe Estland jüngst ein Gesetz erlassen, damit eingefrorene russische Guthaben im Land zugunsten der Ukraine verwendet werden können. In der EU haben sich die 27 bislang nur dazu durchringen können, die Erträge der in den EU-Staaten eingefrorenen russischen Guthaben der Ukraine zur Verfügung zu stellen. So soll bereits kommende Woche eine erste Tranche der rund 2,5 Milliarden Euro zu erwartenden Gewinne an Kiew ausgezahlt werden, erklärte der derzeitige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Luxemburg. Diese könnten dann für militärische Zwecke verwendet werden.
Zusammenarbeit im Digitalen
Im Rahmen der internationalen Unterstützung für die Ukraine führen Luxemburg und Estland die sogenannte „IT-Koalition“ an. Diese von weiteren Ländern getragene Koalition hilft der Ukraine dabei, ihre Informations- und Telekommunikationsinfrastruktur abzusichern und widerstandsfähiger gegen russische Angriffe zu machen. Diese Zusammenarbeit kommt nicht von ungefähr, denn Estland und Luxemburg arbeiten bereits seit einigen Jahren im Bereich der Digitalisierung und Dateninfrastruktur zusammen. Estland ist eines der weltweit führenden Länder in der Digitalisierung und hat seit 2018 eine sogenannte „Daten-Botschaft“ in Luxemburg. Was bedeutet, dass in luxemburgischen Datenzentren Sicherungskopien estnischer Regierungsdaten gespeichert sind. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern im digitalen Bereich soll weiter ausgebaut werden, wobei Luc Frieden vor allem an den Erfahrungen Estlands der digitalen Stimmabgabe bei Wahlen interessiert ist.
Luxemburgs EU-Kommissar: Frieden entscheidet
Nach Angaben des Luxemburger Wort würde sich der deutsche Kanzler Olaf Scholz dafür einsetzen, dass der luxemburgische EU-Kommissar und Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten Nicolas Schmit mit einem „wichtigen Posten“ weiterhin in der EU-Kommission bleibt. Darauf angesprochen meinte der luxemburgische Premierminister Luc Frieden, dass er die Entscheidung über den künftigen luxemburgischen EU-Kommissar „gemäß dem Wahlresultat und gemäß des Koalitionsabkommens“, das im November vorigen Jahres unterzeichnet wurde, treffen würde. Demnach würde der wieder ins Europäische Parlament gewählte derzeitige Chamber-Abgeordnete Christophe Hansen von der CSV EU-Kommissar werden. Der Vorschlag für den luxemburgischen EU-Kommissar sei „eine Kompetenz der luxemburgischen Regierung und von sonst niemandem“, sagte Luc Frieden.
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