Tokyo 2020 / Auf die Einheit kommt es an: Dressurreiter Nicolas Wagner vor seiner olympischen Premiere
Nicolas Wagner wird voraussichtlich am Sonntag ab 12.45 Uhr MESZ für eine olympische Premiere sorgen. Noch nie zuvor hat es ein luxemburgischer Reiter zu den Spielen geschafft. Dabei ist der 29-Jährige noch relativ jung für das Dressurreiten. Einfach nur Erfahrung sammeln reicht ihm und seinem Wallach Quater Back Junior allerdings nicht.
Für Dressurreiter Nicolas Wagner und sein Pferd Quater Back Junior begann die Reise zu Olympia in Aachen. Auf dem riesigen Gelände des CHIO („Concours hippique international officiel“) waren sämtliche Olympia-Pferde aus Europa untergebracht, bevor sie von Lüttich aus nach Japan geflogen wurden. Wegen Seuchen-rechtlicher Bestimmungen müssen die Tiere vor der Reise nach Tokio in eine einwöchige Quarantäne. Für den Dressurreiter und sein Pferd gehört das schon fast zum Alltag. „Die Reisevorbereitungen mit dem ganzen organisatorischen Aufwand gehören zum Reitsport dazu“, sagt der 29-Jährige, der sich als erster luxemburgischer Reiter überhaupt für Olympia qualifiziert hat. Den Transport des Pferdes übernimmt ein spezialisiertes Unternehmen. Ein Mitarbeiter von Wagner ist allerdings ständig dabei, um nach dem Wohl des Pferdes zu sehen.
Wagner ist seit klein auf mit dem Reitsport in Kontakt. Seine Eltern haben einen Pferdestall und sich auf Dressurpferde spezialisiert. „Es lag auf der Hand, dass ich diesen Sport ausüben würde.“ Er ist aber der Erste in der Familie, der den Sport auf einem so hohen Niveau betreibt. Drei Jahre verbrachte Wagner bei Klaus Balkenhol, dem renommierten deutschen Dressurtrainer und doppelten Olympiasieger von Barcelona (1992) und Atlanta (1996)
Locker und temperamentvoll
Während seine Qualifikation für viele Außenstehende überraschend kam, war sich Wagner bereits recht früh sicher, dass es klappen würde. Dabei ist die Qualifikation im Dressurreiten für Laien nicht ganz so einfach. Mit Südafrika und Brasilien hatten sich zwei Nationen für den Teamwettbewerb qualifiziert, die allerdings keine ganze Mannschaft zusammenbekommen. Frankreich und Österreich sprangen ein, Luxemburg und die Schweiz erhielten dadurch die Individualstartplätze. Das war im Dezember 2019.
Ob die Verlegung der Spiele um ein Jahr ihm entgegenkam oder eher eine zusätzliche Belastung war, kann Wagner nicht eindeutig sagen. „In dem Jahr haben wir natürlich viel trainieren können. Auf der anderen Seite muss das Pferd auch gesund bleiben und darf sich nicht verletzen.“ Quater Back Junior ist gesund geblieben und gut auf die Spiele vorbereitet. Der Wallach ist jetzt zwölf Jahre alt, das optimale Alter für ein Dressurpferd.
Was aber macht ein gutes Dressurpferd überhaupt aus? „Das ist schwer zu sagen und hängt immer vom jeweiligen Reiter ab“, erklärt Wagner. Ein guter Reiter kann mit einem schwächeren beziehungsweise komplizierteren Pferd bessere Resultate einfahren als ein schwächerer Reiter mit einem sehr starken Pferd. Wagner achtet bei der Auswahl des Pferds nicht nur darauf, ob es sich gut bewegt. Eine „lockere“ Muskulatur, damit die Bewegungen geschmeidig aussehen, ist für den Luxemburger ein wichtigerer Faktor. Stretching ist ein wichtiger Bestandteil des Trainings, sowohl für das Pferd wie für den Reiter. „Außerdem muss das Pferd Temperament haben und zugleich sensibel sein“, sagt Wagner.
Einheit aus Pferd und Reiter
So unterschiedlich die Pferde sein können, so weit liegen die Preise auseinander. „Man kann bei einem Züchter für 30.000 Euro ein Pferd bekommen, das sich super entwickelt, doch genauso kann man auch über eine Million auf den Tisch legen für ein Pferd, das die Erwartungen nicht erfüllt.“ Das teuerste Dressurpferd soll übrigens der als Wunderpferd bezeichnete Hengst Totilas gewesen sein. Laut Medienberichten lag der Verkaufspreis 2010 bei 10 bis 15 Millionen Euro. Bis dahin lag die Rekordsumme bei 2,5 Millionen Euro.
Aber ganz gleich, wie hoch der Preis ist, am Ende kommt es darauf an, dass Pferd und Reiter zu einer Einheit zusammenwachsen. Dafür braucht es Zeit und es ist mit harter Arbeit verbunden. Wagner hat zum Beispiel noch ein paar fünfjährige Pferde im Stall stehen, die er regelmäßig reitet. In der Hoffnung, dass sich eines für Wettbewerbe eignet. „Das zeigt sich erst mit der Zeit.“ Mit Quater Back Junior hat Wagner ja auch noch ein Pferd im besten Dressur-Alter, während er selbst mit 29 recht jung für den Sport ist. Die deutsche Medaillen-Hoffnung Isabell Werth zum Beispiel ist 51, wenngleich die Britin Charlotte Dujardin 2012, im Alter von 27, Gold in London gewann und ihren Titel 2016 in Rio verteidigte.
Einfach nur Erfahrungen sammeln reicht Wagner nicht aus. Einen Platz um die Top 30 unter 60 Reiterinnen und Reitern visiert er schon an. „Das wäre ein absolut tolles Ergebnis“.
Darauf kommt es beim Dressurreiten an
Der Dressursport ist für Laien nicht immer leicht zu verstehen. Vereinfacht kommt es darauf an, dass das Pferd Aufgaben (Lektionen) exakt ausführt und das, indem der Reiter nur minimale Signale gibt. Die Dressurprüfungen werden in einem Viereck von 20 Mal 60 Meter geritten. Die Lektionen werden von Punktrichtern, die um das Viereck verteilt sind, bewertet. Am Ende werden die Punkte zu einem Prozentsatz zusammengerechnet. Der Weltrekord liegt bei 94,300 Prozent, aufgestellt von der aktuellen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin aus Großbritannien mit ihrem Wallach Valegro.
Zu Beginn jeder Prüfung reitet der Reiter auf der Mittellinie ein, hält an einem der Mittelpunkte und grüßt die Punktrichter mit einem kurzen Kopfnicken und dem Ausstrecken des rechten Arms. Abgeschlossen wird die Prüfung erneut mit einem Gruß. Die verschiedenen Lektionen absolviert das Pferd in den Gangarten Schritt, Trab und Galopp, wobei die Gangarten auch noch in einer verstärkten Ausführung durchgeführt werden können, dann also raumgreifender sind. Der Reiter muss sich sowohl vorwärts wie seitwärts und rückwärts bewegen.
Hinzu kommen noch kompliziertere Bewegungsabläufe wie Traversale (Vorwärts-seitwärts-Bewegung, bei der das Pferd die Beine überkreuzt), Galopp-Pirouette, Piaffe (trabähnliche Bewegung auf der Stelle) oder Passage. Diese gehört zu den anspruchsvollsten Lektionen. Sie wird aus dem Trab heraus geritten, allerdings mit verzögerten Schritten, sodass die Hangbeinphase, also die Zeit, in der das Pferd zwei Hufe in der Luft hat, verlängert wird.
Bewertet werden sowohl die korrekte und saubere Ausführung der Lektionen und Übergänge wie der Sitz und die Hilfegebung des Reiters. Die „Bewegungen von Reiter und Pferd müssen zusammenpassen und geschmeidig wirken“, beschreibt es Nicolas Wagner.
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