/ Auf die Zwischentöne kommt es an: Gelungene 8. Ausgabe des „Like A Jazz Machine“-Festivals in Düdelingen
Die 8. Ausgabe des Düdelinger „Like A Jazz Machine“ Festivals ging am Sonntagabend im Kulturzentrum „opderschmelz“ zu Ende. Nach dem gefühls- und arbeitsintensiven Wochenende blicken die Organisatoren sowie die Musiker etwas erschöpft, aber durchaus glücklich zurück.
„Die im Titel des Festivals enthaltene Maschine kommt nicht von ungefähr“, erläutert Patricia Jochheim, die Hauptbookerin der Veranstaltung, etwas müde schmunzelnd. Wie ihre Kollegen hat auch sie etliche Kilometer zu Fuß während der vier Festivaltage zurückgelegt, sich um Gäste und Bands gekümmert und sich selbst wenig Pausen gegönnt. „Das alles hier wäre nicht möglich, wenn nicht jeder aus dem Team seinen Teil dazu beitragen würde“, fügt sie hinzu. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass das weit über die Grenzen hinaus bekannte, alljährliche Jazz-Ereignis nicht die einzige Tätigkeit der „opderschmelz“-Truppe darstellt. Die groß angelegte „Fête de la musique“ steht vor der Tür. Durchgeatmet werden kann also nur kurz.
Auch die Gäste, die am Wochenende überaus zahlreich erschienen waren, hatten ab und an Verschnaufpausen nötig. Mehr als einmal spielten sich nämlich auf der Bühne Dinge ab, die einem entweder den Atem stocken ließen oder so mitrissen, dass eine gewisse Fitness erforderlich war. Oder man musste einfach kurz wieder zu sich kommen, nachdem man aus vollem Herzen gelacht hatte.
So zum Beispiel bei der Begrüßung des französischen Drummers Manu Katché am Sonntagabend. Selbst etwas aus der Puste geraten, bedankte er sich herzlich, in dem kleinen, aber sehr feinen Saal, der ein perfektes Klangbild und ein tolles Publikum biete, zurückkehren zu dürfen, bevor man am Folgetag die Tour fortsetze. „Car demain on va attaquer l’Allemagne“, hängte Katché unschuldig an, bevor er gemeinsam mit dem Publikum, nach einigen Sekunden der Stille, in schallendes Gelächter ausbrach.
Wie man merkt, spielten in Düdelingen auch die Zwischentöne eine Rolle und diese waren keineswegs nur bierernster Natur. Ähnlich hatte es sich bereits am Freitag verhalten, als bei den Herren des britischen Vierergespanns von „Get the Blessing“ auf einmal die Rede davon war, was man tun solle, wenn man mit einem Elefanten in einem Raum eingesperrt sei. Auf der Bühne hieß es dann, man habe als Band herausgefunden, dass die beste Lösung wohl darin bestehe, den Dickhäuter in Frischhaltefolie einzupacken.
Anti-Komfortzone
„Es kann definitiv nicht schaden, wenn nicht nur Jazzer, sondern Menschen im Allgemeinen sich nicht immer so ernst nehmen“, findet der recht eigenwillige russische Ausnahme-Saxofonist Zhenya Strigalev, der überwiegend in London arbeitet, im Rahmen einer Residenz aber mit den luxemburgischen Musikern Jeff Herr (Drums), Jérôme Klein (Keys) und Pol Belardi (Bass) zusammenkam.
Das gemeinsame Projekt trägt den Namen Teleport und hat es definitiv in sich. Und zwar nicht nur für die Zuhörer, sondern auch für die Musiker selbst. Da die drei Luxemburger bereits in unterschiedlichen Konstellationen miteinander gespielt haben, gibt es gewissermaßen eine Art gemeinsame Komfortzone, die mit sich bringt, dass sie aufeinander eingehen können und sich vertrauen. „Eine gewisse Sicherheit ist definitiv wichtig, damit es auf der Bühne zusammen funktioniert“, merkt Jeff Herr an.
Jérôme Klein gibt zu, dass er wie auch seine Kollegen die eben genannte Zone dennoch im Rahmen des Projekts mehrfach verlassen mussten, „und genau das hat sehr gut getan“. Dem schließen sich Herr und Belardi an: „Manchmal braucht es diesen Impuls von außen, damit man den inneren Schweinehund überwinden kann.“
Polarisierung erwünscht
Es scheint sich gelohnt zu haben. Denn Bassist Pol Belardi erzählt, dass nach dem Konzert am Sonntag die Meinungen sehr weit auseinander gelegen hätten. Eine Polarisierung also, die als Musiker durchaus wünschenswert sei. „Es gibt eigentlich nix Schlimmeres, als wenn dir jemand nach einem Konzert einfach nur sagt, es sei ‚ganz ok‘ gewesen“, so Belardi.
Eben hier schafft der heimelige und doch nicht beengende Raum in Düdelingen eine perfekte Plattform, da das menschliche Getümmel sich nicht zerlaufen kann. Sowohl die sinnvoll getimten Pausen zwischen den Acts als auch die Räumlichkeiten geben die Möglichkeit, kurz Ruhe einkehren zu lassen, sich zu erholen und über das gerade Erlebte zu diskutieren. Mehr als ein Künstler wagte denn auch den Schritt nach außen, statt sich im Backstage zu verschanzen, was den Austausch und die Feedback-Kultur weiter förderte.
Wer sich ein klein wenig Zeit nahm und die bunte Mischung aus Menschen beobachtete, merkte, dass die Zeiten des zugeknöpften, pseudo-elitären und über-intellektualisierten Jazz – zumindest hier im Süden – vorbei sind. Das Publikum war beeindruckend heterogen und ließ sich – ebenso wenig wie die dargebotene Musik – in eine Schublade zwängen. Vor allem waren jede Menge junge Zuhörer zu vernehmen, was sicherlich auch mit den jungen Künstlern auf der Bühne zusammenhing, darunter die ebenso quirlige wie talentierte Sängerin und Musikerin Claire Parsons, die das Festival am Donnerstag eröffnete. Der erfahrene luxemburgische Gitarrist David Laborier, der am Samstagabend mit seinem Projekt NE:X:T auf der Bühne stand, hält die Zugänglichkeit der Musik für wichtig und tendiert dementsprechend nicht in die Richtung, eine Geheimsprache zu entwickeln, die nur ausgewiesene Experten verstehen.
Kopfkino
Aktuell ist er mit seinem Song „Step Right Up“ für den New Yorker Independent Music Award nominiert, der am 22. Juni verliehen wird. „Ich habe bei dieser Platte sowie dem nominierten Song versucht, nicht ausschließlich in einer Art ‚Jazzmodus‘ zu denken. Manchmal hat man den Eindruck, dass Musiker exklusiv Musik für Musiker machen. Das hat mich in der Vergangenheit gestört. Hier war es mir wichtig, etwas zu schaffen, das zugänglich ist – auch wenn die Komposition komplexe Züge hat“, erklärt Laborier. Er stoße derzeit auf sehr unterschiedliche Rückmeldungen, jedoch bewege der Song nun viele Hörer, unabhängig davon, ob sie Laien oder Kenner sind, und das sei ein wundervolles Kompliment.
Wie dem gesamten Programm zu entnehmen war, waren auch die Booker – also neben Patricia Jochheim auch John Rech – nicht ausschließlich nach dem eben genannten ‚Jazzmodus‘ verfahren. So enthielt Soweto Kinchs Sound beispielsweise Spuren von Hip Hop, das Marly Marques Quintet hielt eine bunte Palette aus klassischen, traditionellen wie modernen Klängen bereit und auch die Vorgehensweise des jungen luxemburgischen Komponisten Arthur Possing ist alles andere als konservativ.
Am meisten erstaunte wohl die Präsenz und Darbietung des Vibrafonisten Pascal Schumacher, der noch im Januar in einem Tageblatt-Interview angab, vorerst mit dem Jazz abgeschlossen zu haben und sich nun anderen Musikrichtungen zu widmen. Trotzdem war der Musiker kurz danach bei einer Residenz „opderschmelz“ tätig geworden und präsentierte am Sonntagabend ein extremes Kontrastprogramm zum rotzfrechen Sound von Teleport, die davor auftraten.
Glücksgriff
Sein sehr behutsames, majestätisch ungehetztes Spiel kam zeitweilig einer Art Spieluhr gleich. Etwas unverhofft fühlte man sich in die „zauberhafte Welt des Pascal Schumacher“ versetzt, in der eigentlich nur noch Gartenzwerge auf Polaroidfotos fehlten. Bereits Schumachers letztes Projekt (Rosace 8.0), das er im Januar in der Philharmonie präsentierte, hatte etwas von einem durchdachten Soundtrack. Dem blieb er nun treu und bescherte wohl einigen der vielen Gäste, die die Augen während des Konzerts geschlossen hielten, schönes Kopfkino.
Zum Abschluss des Festivals fand denn auch seine Schöpferin, Danielle Igniti, sanfte Worte. Es tut ihr nicht leid, dass sie das Like-A-Jazz-Machine-Zepter beim Antritt ihrer Rente weitergereicht hat. Sie vertraue ihren Nachfolgern, betont Igniti. „Ich bin sehr glücklich, dass es weitergeht, und freue mich, dass nach wie vor Abzweigungen vom Mainstream genommen werden, um Menschen neue Eindrücke zu vermitteln.“ Sogar die Szenekennerin kann nun eine Neuentdeckung verzeichnen. Dass ihre ehemalige Kollegin Jochheim „No Tongues“ mit ihrem Programm „Les voies du monde“ gebucht habe, sei ein wahrlicher Glücksgriff.
Mit diesem und vielen weiteren wohlverdienten Komplimenten von Gästen wie Musikern wird nun wohl für Jochheim und ihr Team ein Grundstock an Mut geschaffen sein, um gemeinsam in die Vorbereitungen für die kommende Ausgabe zu starten. Denn nach dem Festival ist bekanntlich immer vor dem Festival.
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