Frau aus Luxemburg erzählt / Aufgeben oder hoffen? So gehen die Menschen in Beirut mit den Folgen der Explosion um
171 Menschen sterben, mehr als 6.000 werden verletzt. Mandy Esta, die sowohl in Luxemburg als auch in Beirut lebt, war zu Hause, als die Druckwelle Autos, Häuser und ganze Leben zerstörte. Sie berichtet, wie die Libanesen neun Tage nach der Katastrophe mit der Situation umgehen.
Müde, ängstlich, besorgt, wütend. Das sind die Begriffe, die Mandy Esta einfallen, wenn man sie fragt, wie es den Menschen in Beirut gerade geht. „Wir haben aufgehört, die Toten und Verletzten zu zählen“, sagt sie. Am 4. August hat eine Explosion im Hafen große Teile der libanesischen Hauptstadt zerstört. Esta wohnt mit ihrer Familie im Beiruter Stadtbezirk Achrafieh, rund anderthalb Kilometer vom Hafen entfernt. Vor der Corona-Krise lebte sie jobbedingt teils in Beirut und teils in Luxemburg. „Ich bin immer noch überwältigt von dem, was hier passiert ist“, sagt die 50-Jährige am Donnerstag gegenüber dem Tageblatt. Dann muss sie sich erst einmal einen kurzen Moment sammeln und schluckt. „Wir sind durch die Hölle gegangen.“
Mandy Esta, ihre siebenjährigen Zwillinge, ihr Mann und ihre Mutter werden bei der Explosion vor gut einer Woche zwar nicht verletzt, doch ihr Leben steht seitdem kopf. Freunde sind gestorben oder haben Verletzungen davongetragen. Die Druckwelle hat die Fenster in ihrem Haus zerstört. Und die Stadt um sie herum ist kaum wiederzuerkennen. Esta sagt: „Wir haben mittlerweile endlich unsere Fenster provisorisch reparieren können.“ Neue Fensterscheiben habe es allerdings nicht gegeben. Zu groß sei momentan der Bedarf an Glas – und an den Handwerkern, die sie einsetzen können. „Eine Freundin hat gestern erst eine neue Haustür auftreiben können – bis dahin hatte sie einfach keine.“ Estas Kinder gehen derzeit nicht in die Schule, allerdings gab es auch schon vor der Explosion nur Unterricht über das Internet. Wenige Tage nach der Explosion konnte die Zwillingsmutter wieder arbeiten, aber: „Es war mir kaum möglich, mich zu konzentrieren.“ Sie mache sich zu viele Sorgen.
Libanesen brauchen Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Stadt
Die Europäische Union hat mehr als 17 Tonnen Hilfsgüter in die libanesische Hauptstadt geflogen. Auch Esta habe das bemerkt. Was laut ihr fehlt, ist Hilfe beim Wiederaufbau der Stadt: „Ich weiß nicht, was sich die Verantwortlichen denken, wie lange die Familien hier damit warten können, ihr Zuhause wieder aufzubauen. Eine Woche, einen Monat, ein Jahr?“ Ihre Einstellung dazu formuliert sie entschlossen: „Wir würden am liebsten nicht mal bis morgen warten.“
Wir sind durch die Hölle gegangenBeirut
Das Problem seien die korrupten Politiker, die schon seit Jahren dafür sorgen würden, dass es dem Land wirtschaftlich sehr schlecht gehe. Esta hat Bedenken, dass die Politiker die finanziellen Hilfen anderer Länder stehlen könnten. Es stimmt sie wenig optimistisch, dass die Regierung vor ein paar Tagen ihren Rücktritt angekündigt hat: „Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung zurücktritt.“ Das Land sei schon einmal monatelang ohne Regierung gewesen. „Aber es wurde dadurch nicht besser“, sagt Esta. Es brauche eine riesige und tief greifende Veränderung in der Politik, wenn die Menschen wieder lernen sollen, der Regierung zu vertrauen, sagt sie.
Zwischen Hoffnung und Resignation
Doch die Beiruterin will nicht aufgeben. Sie engagiert sich weiterhin mit anderen Libanesen zum Beispiel dafür, dass Schulen mehr finanzielle Unterstützung bekommen. Das tat sie zwar vor der Explosion auch schon, allerdings wird diese Hilfe laut Esta nun mehr gebraucht denn je. Viele Familien seien schon davor nicht in der Lage gewesen, ihren Kindern die Schulbildung zu bezahlen – jetzt komme für viele der finanzielle Schaden durch die Zerstörung hinzu.
Erwägt sie, aus Beirut wegzuziehen, wenn die Situation weiterhin so schlimm bleibt? Esta schweigt – und antwortet dann: „Um ehrlich zu sein, mittlerweile weiß ich es wirklich nicht mehr so genau.“ Das Vertrauen in die Regierung und damit in die Hoffnung auf eine Besserung der Situation im Land sei zerstört. „Natürlich hoffen die Menschen immer noch ein klein wenig, dass sich etwas ändert. Wir sind nur über so viele Jahre schon so oft enttäuscht worden.“
Aber es sei tröstend, zu sehen, dass die Menschen in Beirut in der schweren Zeit zusammenhalten. „Die Menschen hier helfen sich gegenseitig so sehr“, sagt Esta. Es seien viele junge Menschen in die Stadt gekommen, die nur mit einem Besen ausgestattet von Haus zu Haus gingen und die Beiruter fragten, ob sie Hilfe brauchen. „Wir werden das wie immer schon irgendwie schaffen“, sagt Esta. „Aber es wird sehr schwer werden.“
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