Vianden / Auftakt zum größten Mittelalter-Spektakel im Großherzogtum und in der Großregion
Wer seinerzeit im Geschichtsunterricht aufmerksam zugehört hat, bekommt bei der Epoche „Mittelalter“ sicherlich heute noch Gänsehaut. Assoziiert man diese finstere Zeit doch mit Begriffen wie Hexenverfolgung, Raubrittertum, Wegelagerei, nicht zu vergessen die Pest und nicht zuletzt Gaukler, Hofnarren und Spielleute bei ausgedehnten Gelagen bei Hofe. Dennoch strahlt diese Epoche bis heute eine Faszination aus und in Form von spektakulären Festivals wird diese Zeit ausgelebt und nachgestellt.
Zur 22. Auflage des größten Festes dieser Art in Luxemburg und der Großregion haben seit vergangenen Samstag die „Amis du Château de Vianden“ eingeladen und die Pforten der Schlossanlage geöffnet. Tausende Anhänger des „Moyen Âge“ werden bis zum 4. August wieder den Schlosshof, die Terrasse und die Galerie der wehrhaften Burg Vianden mit Leben erfüllen.
Den Eröffnungstag hatten sich sowohl die Veranstalter als auch die Besucher und die mehr als 100 Mitwirkenden allerdings anders vorgestellt. Der Dauerregen an der Seine von der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris hatte sich offensichtlich an die Our verlagert und es goss zeitweise in Strömen. Bevorzugte Accessoires bei den Besuchern waren daher Anorak, Regencape und Schirm, wollte man den Aufstieg zur Burg halbwegs trocken überwinden.
Nicht wenige aber waren sogar in zeitgemäße Kleider gewandet und wenn man die zahlreichen Stände mit traditioneller Handwerkskunst erblickte, wähnte man sich auf einem Markt in einem monumentalen Historienfilm. Die Besucher kommen in den kommenden Tagen wieder aus aller Herren Länder: aus den Nachbarstaaten ebenso wie aus Italien, Spanien und sogar aus den USA. Auch der Nachwuchs kommt hier auf seine Kosten und wird an allen Ecken bespaßt, davon zeugt auch der Besuch vieler Familien.
Die kampfeslustigen kleinen Recken stehen quengelnd an den Verkaufsständen und geben nicht eher Ruhe, bis Papa nachgibt und ihnen ein Holzschwert und ein Schild kauft. Und die Mädels zupfen am Rockzipfel von Mama, um ein Prinzessinnen-Outfit mit Krönchen oder Diadem zu bekommen.
Hexenblut und Elfentau
Aus allen Richtungen ertönt Musik von Dudelsäcken, Schalmeien und Fiedeln, Gaukler und Stelzenjongleure sind unterwegs und die Händler preisen lautstark ihre Ware an. Was hat man dann so getrunken im Mittelalter? Aufklärung erfahren wir an einem Stand: Hier wird u.a. Met feilgeboten, so richtig nach Wikinger-Art, aus Wasser und Honig gebraut, jedoch aufgepimpt mit allerlei Gewürzen und Fruchtextrakten, also etwas mehr den heutigen Gaumenfreuden angepasst. Im Repertoire hat er aber auch „Rittertrank“, „Elfentau“ oder gar „Hexenblut“, Obstweine aus eigener Produktion mit den unterschiedlichsten Waldbeeren verfeinert.
Der Fokus des Treibens im Schlosshof liegt derweil auf der Demonstration alter, zum Teil schon ausgestorbener Handwerkskünste. Hier wird der Besucher Zeuge der Kunst des Waffenschmiedens, ebenso wie der Korbmacherei oder des Töpferns, man sieht wie Wolle gesponnen wird und mittendrin erklingen die Stimmen der Musikgruppe „Die Leisetöner“, die den alten, damals bei Hofe beliebten Minnesang pflegen.
Wer sich schon immer einmal als „Rächer der Enterbten“ oder als Protagonist der „Tell-Sage“ fühlen möchte, kommt hier auch auf seine Kosten. An der Burgmauer kann man sich in der Kunst des Bogen- oder Armbrustschießens versuchen und für die Kleinen steht ein großes Katapult bereit.
Akrobatische Kampf-Choreografien
Vollbesetzt am noch frühen Nachmittag treffen wir auf der großen überdachten Terrasse ein. Mit Trommelwirbel kündigt sich ein Schwertkampfspektakel an, dargeboten von der Gruppe „Balestra“ aus der Tschechischen Republik. Das vielköpfige Ensemble ist seit Jahren in Vianden und in ganz Europa bei solchen Festivals zu Gast und begeistert das staunende Publikum mit ausgeklügelten Schwertkampf-Choreografien. Die Truppe ist derart erfolgreich unterwegs, dass sie nicht selten für Stuntszenen in Filmen engagiert wird.
Ebenfalls aus Tschechien zu Gast ist die Gruppe „Berit“, bewehrt und ausgestattet wie Musketiere. Sie demonstrieren das aufwändige Laden und das dann nur einmalige Abfeuern einer Muskete, einem langen Vorderlader-Gewehr, wie es zu Beginn des 17. Jahrhunderts bei kriegerischen Auseinandersetzungen zum Einsatz kam.
Noch ein paar Taler oder Kreuzer im Lederbeutel? Im weitläufigen Rittersaal der Burg herrscht reges Treiben. Gefeilscht wird hier allerdings nicht mehr wie Anno Dazumal. Nützliches und Dekoratives kann man hier erstehen: Zahlreiche Manufakturen aus Deutschland, Frankreich und aus Luxemburg offerieren Dinge, um sein Heim zu verschönern, wie Duftkerzen, handgefertigte Kalebassen und Modeschmuck.
Für die kommenden Tage ist erhebliche Wetterbesserung angekündigt und die Veranstalter und Künstler vor Ort können wohl mit vielen Tausend Besuchern rechnen, denn das Festival dauert noch bis zum 4. August an.
Besucherinfos
Die Schlossanlage ist während des Festivals täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt für Erwachsene kostet 11 Euro, für Kinder von 6 bis 12 Jahren 3 Euro und für Schüler und Studenten 7 Euro. Zwischen 12.00 und 19.00 Uhr bietet der Veranstalter einen kostenlosen Shuttle-Service von den Parkplätzen in der Stadt bis zum Schloss.
Die Burg Vianden
Die Burg Vianden wurde vom 11. bis 14. Jahrhundert auf den Fundamenten eines römischen Kastells errichtet. Von den Hohenstaufen geprägt, zählte der Schlosspalast zu den größten und schönsten feudalen Residenzen der romanischen und gotischen Zeit. Unter der Herrschaft der Oranier im 19. Jahrhundert führte der Verkauf und die Zerlegung zum Ruinenzustand. Ab 1977 im Staatsbesitz, wurde die Anlage aufwändig restauriert und erstrahlt heute in ihrer ehemaligen Pracht.
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