Editorial / Aus den Augen, aus dem Sinn: Bettelverbot ist Startschuss für Recht-und-Ordnung-Politik
Lichterketten, Glühwein und fröhliche Musik: Luxemburg-Stadt hat sich für Weihnachten in ein winterliches Wunderland verwandelt, um den Bürgern eine Freude zu bereiten. Denn der „Chrëschtdag“ ist das Fest der Nächstenliebe – solange die Nächsten nicht mit einem Pappbecher auf der Straße sitzen. Pünktlich zur Weihnachtszeit hat der neue Innenminister Léon Gloden das Urteil seiner Vorgängerin gekippt: Die Polizei kann nun also doch Menschen, die „eine aggressive Bettelei machen“, von ihrem Platz verweisen. Das hat der christlich-soziale Politiker gegenüber RTL gesagt. Christlich ist das nicht – und sozial ebenfalls nicht.
Im Gemeindereglement steht allerdings wortwörtlich, dass – neben dem organisierten Betteln – „jede andere Art“ während bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten verboten ist. Und die Liste ist nicht kurz. Die viel besuchten Straßen und Plätze sind während der Hauptgeschäftszeiten nicht erlaubt. Die Devise: Aus den Augen, aus dem Sinn. Denn da liegt das wirkliche Problem. Die Fassade der schönen Weihnachtsmärkte und edlen Markengeschäfte muss um jeden Preis aufrechterhalten werden. Armut, soziale Ungleichheiten und Elend gibt es in Luxemburg-Stadt nicht. Der DP-CSV-Schöffenrat verbannt diese Aspekte in den Hintergrund – in die Straßen, in denen niemand sie sieht. Und das unter dem Vorwand, das organisierte Betteln zu bekämpfen.
Wie das Verbot in der Praxis umgesetzt wird, ist nicht klar. Wie oft kontrollieren die Beamten beispielsweise die „Problemzonen“? Laut Pressestelle der Polizei rücken sie – neben den alltäglichen Patrouillen und gezielteren Kontrollen – auch auf Anruf der Bürger aus. Hat die Polizei überhaupt die nötigen Ressourcen dafür, wenn die Polizeipräsenz schon beim Hauptbahnhof bemängelt wird? Und wie werden die Bettler sich verhalten? Wenn sie während der Öffnungszeiten nicht in den Einkaufsstraßen sitzen dürfen, müssen sie proaktiver handeln. Eine Möglichkeit: Passanten unauffällig nach Geld fragen – was für jeden der Beteiligten unangenehmer ist. Immerhin trifft sich Gloden am Mittwoch mit der Polizei. Vielleicht lassen sich dann, obwohl die Entscheidung ohnehin schon feststeht, Antworten finden.
An dem zugrundeliegenden Problem wird sich allerdings auch mit dem neuen Gemeindereglement nichts ändern. Denn die betroffenen Menschen benötigen weiterhin Geld, um zu überleben. Die Auffangeinrichtungen werden nicht besser, die psychologische Betreuung auch nicht und das Armutsrisiko ohnehin nicht. Aber das interessiert nicht.
Auf nationalpolitischer Ebene geht es nicht nur darum, ein Problem zu lösen. Gloden will ein politisches Zeichen setzen. Das Bettelverbot ist ein erster Schritt, es werden weitere folgen. Im Januar soll der Platzverweis verschärft werden und laut Koalitionsvertrag will die Regierung überprüfen, ob das Einführen von „Tasern“ für Polizisten Sinn ergibt. Das Bettelverbot ist der Startschuss der angekündigten Recht-und-Ordnung-Politik.
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Aus den Augen, aus dem Sinn, schéi propper. Letzebuerg at its best!
Die Erklärungen von Innenminister Leon Gloden waren sehr klar. Ich kann nur den Innenminister und Lydie Polfer unsere Bürgermeisterin für dieses Unternehmen beglückwünschen. Gegen eine Recht- und Ordnungpolitik habe ich nichts. Auch viele Wähler waren bei den letzten Wahlen für Recht und Ordnung und das nicht nur in der Stadt Luxemburg.