Naturschutz / Aus einem toten Wald wird eine natürliche Oase
„Offenlandschaft“ ist ein sperriger Begriff. Gemeint sind naturbelassene oder renaturierte Wiesen, wie im Fall der Wiese in der Loorbach bei Mamer. Nicht gemäht und voller Insekten und Pflanzen, treiben sie den Fans von Grün im Golfplatzstandard wahrscheinlich Falten auf die Stirn. Sie sind jedoch wichtig – nicht nur für die Natur, sondern auch für den Menschen.
Wiesen wie diese werden immer weniger. Nur noch 10 Hektar Pfeifengraswiesen gibt es im gesamten Land, obwohl sie wichtige Funktionen haben. Das „Observatoire de l’environnement naturel“ hat das Thema aufgegriffen und eine Broschüre dazu herausgegeben. Noch druckfrisch soll sie am kommenden Wochenende auf der „Foire agricole“ verteilt werden.
Würde es an diesem Tag nicht in Strömen regnen, wäre das Brummen und Summen nicht zu überhören – von der natürlichen Schönheit des knapp einen halben Hektar großen Stück Landes ganz abgesehen. Das Geräusch verursachen normalerweise Insekten, die als Bestäuber von Obstbäumen und -sträuchern wichtig für die Lebensmittelproduktion sind. Ohne sie kein Obst.
Das ist aber nur ein Beitrag, den solche Wiesen liefern. Unbehandelte Böden sind die Voraussetzung dafür, dass Pflanzen und Tiere einen Lebensraum haben. Vögel wie Grauammer, Steinkauz, Wiesenpieper oder Braunkehlchen lieben Offenlandschaften und wären fast ausgestorben, wenn es sie nicht gäbe. Das geht aus dem Aktivitätsbericht 2017-2021 des „Observatoire“ hervor.
CO2-Speicher und „Kläranlage“
75 Prozent der Lebensräume und Arten befinden sich in Luxemburg in einem ungünstigen Erhaltungszustand, das heißt, sie sind bedroht, sagt der Bericht. Vögel halten in Studien gerne als Beleg für die biologische Vielfalt her. Sie sind einfach zu beobachten. Hinzu kommt die Bedeutung der Wiesen als CO2-Speicher und ihre Funktion als „Kläranlage“. Grünland filtert Regenwasser, bevor es versickert, und verringert so die Belastung von Grundwasser.
Viele Jahre fanden sich Warner vor dem Klimawandel und dem Verlust des Artenreichtums in einer „Nörgel-Nische“ wieder. Und standen in der Schusslinie der Bedenkenträger. So viel Geld für den Naturschutz, das könnte man doch auch woanders … So oder so ähnlich lautete nicht nur die Kritik von Einzelnen. „Das was sicher in der Vergangenheit so“, bestätigt Jessie Thill (28), seit Anfang 2024 Präsidentin des „Observatoire“ und Mitglied von „déi gréng“. „In letzter Zeit haben wir aber immer mehr Studien, die das monetär beziffern und gleichzeitig die Leistungen der Natur für uns Menschen aufzeigen.“
Mittlerweile existiert sogar ein Gesetz, dass mit den Kosten argumentiert. In der Kurzzusammenfassung zur EU-weiten Nature Restoration Law, die am 27. Februar 2024 verabschiedet wurde, heißt es: „Jeder Euro, der in die Wiederherstellung der Natur investiert wird, bringt vier bis 38 Euro an Nutzen.“ Das ehrgeizige Ziel des Gesetzes ist, bis 2050 mit den vereinbarten Maßnahmen alle bedrohten Ökosysteme in der EU zu renaturieren.
Aus Wald wird Biotop
Wie das geht, zeigt sich in Mamer. Bis 2018, einem der heißen Sommer in den letzten Jahren, war die Wiese ein Wald. Die Fichten mussten gerodet werden, der Borkenkäfer hatte zugeschlagen. Eine Renaturierung mithilfe des Naturschutzsyndikats Sicona begann. Es war aufwendig. Das Wurzelwerk der toten Bäume wurde beseitigt, Samen gesät und ein Weiher angelegt. „Es ist eine Pfeifengraswiese, eine Feuchtwiese, nicht gedüngt, und sie wird erst im Juli vom Landwirt gemäht“, sagt Simone Schneider, die wissenschaftliche Leiterin bei Sicona.
Es sind Halme, Gräser, blühende regionale Pflanzen, die dort ein neues Zuhause gefunden haben. Das Gelände gehört der Gemeinde und ist an einen Bauer verpachtet. „Es ist wichtig, noch mehr solcher Gebiete zu schaffen“, sagt Pfeifer und spricht von einem „Biotopenverbund“. Bei Mamer gibt es nun also ein Beispiel für die Umsetzung der Nature Restoration Law – wobei man nicht bis Februar 2024 gewartet hat, um damit anzufangen. Der ideelle Wert der Wiesen als Erholungsort und Sehenswürdigkeit für Touristen ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.
„Observatoire de l’environnement naturel“: Mitglieder und Aufgaben
Mitglieder des „Observatoire“ sind das Umweltministerium, die „Administration de la nature et des forêts“, das „Musée national d’histoire naturelle“, Vertreter der uni.lu, NGOs und Syndikate. Zu seinen Aufgaben gehören Zustandsberichte zur Biodiversität, Programme, Forschung und Studien zum Erhalt der Umwelt, alle zwei Jahre ein ausführlicher Bericht über die Politik im Umweltbereich und die Umsetzung dieser Politik auf staatlicher und kommunaler Ebene, Überwachung zur Umsetzung des nationalen Naturschutzplans – und im Umweltministerium Projekte, Aktionen oder Maßnahmen zu initiieren, die den Schutz der Umwelt fördern.
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