Wasserbillig / Ausbildung zum Fährmann: Eine Frau verstärkt das Personal der Sankta Maria II auf der Mosel
Gendern ist für Andrea Greif (55) kein Thema. Sie wird gerade zum „Fährmann“ ausgebildet. Punkt. Angesichts der Frau im Kapitänshaus der Sankta Maria II gehen Sprache und Anblick zwar nicht zusammen, aber sie gleicht diesen Widerspruch – auch ohne Backenbart und Tattoo – wie sie scherzhaft sagt, aus. Ihr Abschluss im Frühjahr 2025 wird sehnlichst erwartet. Mangels Personal fährt die Autofähre auf Sparflamme.
Konzentriert manövriert Andrea Greif an diesem Tag die Fähre zwischen dem deutschen Oberbillig und Wasserbillig über die Mosel. Auf den sieben Kameras vor ihr hat sie das Geschehen auf dem Fluss im Blick. Viel Zeit zu sprechen hat sie in diesem Moment nicht, das Anlegemanöver am Ufer von Oberbillig steht unmittelbar bevor.
Zwei Stahlpfosten müssen exakt in die dafür vorgesehenen Löcher am Boden eingehakt werden. Das „Einhaken“, damit die Autofahrer zwischen Mole und Schiff einen glatten Übergang haben, sei das Schwierigste, erzählt sie. „Aber ich habe noch nichts kaputt gemacht“, sagt sie und die Zufriedenheit darüber spricht aus ihren Gesten.
In jeder Hand ein Ruder bugsiert sie jetzt die Fähre in die richtige Stellung. Ein kleiner „Rumms“, die Pfosten sitzen und rasten ein. Die Barriere auf der Fähre öffnet sich. Sie wird erwartet, ein Auto und mehrere Fußgänger wollen über den Fluss. Sechs PKWs passen pro Fahrt auf die Fähre. An diesem Vormittag ist vergleichsweise wenig los.
Fähre ist eine willkommene Abkürzung
Das war am Morgen noch anders. Wenn sie an ihren Ausbildungstagen um 6.30 Uhr anfängt, warten schon PKWs. Es sind vor allem Pendler auf der deutschen Seite. Die Fähre ist eine willkommene Abkürzung zwischen den beiden nächstgelegenen Brücken in Grevenmacher und Trier. Sechs PKWs und maximal 45 Fahrgäste für die weniger als fünf Minuten dauernde Überfahrt hört sich nach wenig an. Dennoch kam in den Jahren, in denen der Fährbetrieb normal lief, einiges zusammen.
Nach Angaben der Gemeinde Mertert-Wasserbillig waren es 2021 86.000 PKWs und 162.000 Passagiere zu Fuß, per Fahrrad oder Motorrad. An diese Zahlen kommt die Fähre heutzutage wegen der eingeschränkten Betriebszeiten nicht mehr heran. Für Greif kommt das gerade recht. Noch hat sie die Prüfung nicht abgelegt, weswegen sie immer unter Anleitung eines erfahrenen Fährmanns fährt.
„Dabei lerne ich ganz viel“, sagt sie zur Praxis. Die Theorie liegt in einem dicken Ordner zu Hause. Bis zur Prüfung muss sie den Stoff bewältigt haben. Mit Schiffen und Schifffahrt hatte Andrea Greif vorher noch nie etwas zu tun. Die neue Ausbildung ist aber nicht der erste Neustart in ihrem Leben. Ihre erste Ausbildung zur Bauzeichnerin im Garten- und Landschaftsbau ist schon so lange her, dass sie danach gefragt als erstes „Oh Gott“ sagt und lacht.
Mehrere Berufswechsel: Aktuell arbeitet sie (noch) in einer Gemeinde
Drei Kinder kommen danach, ihr damaliger Mann betreibt eine Sand- und Kiesgrube. Sie sattelt das erste Mal um und macht den LKW-Führerschein. Jahrelang transportiert sie mit einem Drei-Achs-Hängerzug Material für Baustellen hin und her. „Das hat Superspaß gemacht“, sagt sie. Wenn sie genauer nachdenkt, hat alles, was danach kam, bis jetzt großen Spaß gemacht. Greif ist ein Optimist.
Nach der LKW-Zeit kehrt sie wieder zum Landschafts- und Gartenbau zurück. Dieses Mal nicht planend, sondern praktisch. Sie absolviert auch diese Ausbildung und arbeitet elf Jahre als Landschaftsgärtner. „Dann waren die Knochen kaputt“, sagt sie und hat Glück. Ihre Geburtsgemeinde Wiltingen (D) sucht nach einem Gemeindemitarbeiter – auch wenn sie das Wort so gar nicht mag.
„Ich bin Gemeindediener“, sagt sie. „Ich diene der Gemeinde von Herzen.“ Ein starkes Statement, das auch anderswo auf fruchtbaren Boden fallen könnte. Der 1.400 Einwohner zählende Weinort in Rheinland-Pfalz braucht jemanden, der Ahnung von Gärten und Pflanzen hat. Greif nimmt die Aufgabe an.
Bienenvölker und ein Baritonhorn
Gräber, Grünanlagen, Hecken freischneiden, Beschilderung aufstellen oder Müllentsorgung: Seit neun Jahren ist sie die „0,75 Prozent“ der insgesamt 1,75 Stellen für Gemeindearbeiter, Pardon, Gemeindediener, in dem kleinen Ort. Ein zweites Mal kommt „Knochen kaputt“ aus ihrem Mund. Da kam das Angebot für die Ausbildung in Oberbillig wie gerufen, obwohl sie die Ausbildung berufsbegleitend macht.
Sie pendelt nicht nur auf der Mosel hin und her, sondern auch zwischen ihrem Gemeindejob in Wiltingen und Oberbillig. „Ich bin eigentlich nie zu Hause“, sagt sie. Glaubt man ihr sofort, wenn sie dann noch von ihren Hobbys erzählt. 15 Bienenvölker betreut sie bei sich zu Hause in der Eifel und ein Baritonhorn wartet auf Einsatz. Damit kommt sie ganz schön herum.
Mit dem rund 60 Musiker zählenden „German Winds“-Orchester war sie schon in Rom bei Papst Franziskus und der nächste Auftritt ist in ein paar Tagen in London. In der britischen Hauptstadt spielt das Orchester zusammen mit der Leibgarde von König Charles. Dazwischen muss sie proben. Ob die Musiker dort mit einem roten Teppich empfangen werden, ist nicht überliefert.
An der Mosel war er jedenfalls imaginär für sie ausgerollt, so wie sie in ihrem neuen Job empfangen wurde. Sie hat sich getraut, ihn zu betreten, und wird eine wichtige Rolle spielen, wenn sie die Ausbildung beendet hat. Sowohl der Oberbilliger Bürgermeister als auch sein luxemburgisches Pendant in Mertert-Wasserbillig betonen die Bedeutung der Fährverbindung zwischen beiden Ländern.
Die Sankta Maria II
Die Autofähre „Sankta Maria II“ ist elektrisch betrieben. Bei ihrer Inbetriebnahme 2017 war es die erste Fähre dieser Art weltweit. Sie hat rund 1,6 Millionen Euro gekostet und wurde in Stralsund (D) gebaut. Mit 660.000 Euro hat der „Europäische Fonds für regionale Entwicklung“ die Anschaffung unterstützt. Den Rest der Kosten haben sich die Gemeinden Mertert-Wasserbillig (L) und Oberbillig (D) geteilt. In diesem Jahr ist die Entscheidung gefallen, die Fähre in einem ersten Schritt zwischen März 2025 und März 2028 teilweise zu automatisieren. Jérôme Laurent, LSAP-Bürgermeister von Mertert-Wasserbillig, spricht auf Anfrage des Tageblatt von „digitalen Assistenzsystemen, Laserscannern oder intelligenter Propellersteuerung“, um die Navigation zu optimieren und die Sicherheit des Fährbetriebs zu erhöhen. Fernziel sei es, dass die Fähre autonom manövrieren und andocken kann. Dafür werden europäische Interreg-Gelder beantragt, wobei die Gemeinde Wasserbillig federführend ist.
Fährbetrieb
Normalerweise fährt die „Sankta Maria II“ zwischen Montag und Freitag ab 6.30 Uhr bis 20.00 Uhr. Samstags, sonntags und an Feiertagen fährt das Boot erst ab 9.00 Uhr morgens und ebenfalls bis 20.00 Uhr. Derzeit ist der Fährbetrieb zwischen Montag und Freitag auf Fahrten zwischen 6.30 Uhr und 13.30 Uhr sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr begrenzt.
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