USA / Zitterpartie bei US-Wahlen: Demokraten sind stärker als erwartet
Viele Umfragen haben für die Demokraten bei den „Midterms“ schwere Verluste vorausgesagt. Erwartet wurde eine sogenannte rote Welle für die Republikaner. Doch die dürften sich zu früh gefreut haben – denn es läuft nicht so gut wie gedacht.
Bei den wichtigen Zwischenwahlen haben sich die Demokraten von US-Präsident Joe Biden deutlich besser geschlagen als erwartet. Ein vorhergesagter überwältigender Sieg der Republikaner zeichnete sich bei der Auszählung der Stimmen in der Nacht zu Mittwoch (Ortszeit) zunächst nicht ab. Die Demokraten konnten wichtige Erfolge erzielen – und etwa im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania den Republikanern einen Senatssitz abnehmen. Welche Partei die Mehrheit in den beiden Kammern des US-Kongresses übernimmt, war aber noch offen. Allerdings deutete sich im Repräsentantenhaus ein knapper Vorsprung für die Republikaner an.
Bei den „Midterms“ in der Mitte der vierjährigen Amtszeit von Präsident Joe Biden standen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus zur Wahl und 35 der 100 Sitze im Senat, der zweiten Kammer des US-Parlaments. Die Republikaner müssten netto einen Sitz im Senat und fünf Sitze im Abgeordnetenhaus hinzugewinnen, um in beiden Kammern eine Mehrheit zu erlangen. Auch über zahlreiche Gouverneursposten und andere wichtige Ämter in den Bundesstaaten wurde bei den Wahlen abgestimmt.
Im Repräsentantenhaus rechnen die Republikaner weiter damit, genügend Sitze für eine Mehrheit zu gewinnen. Allerdings könnte das Ergebnis deutlich knapper ausfallen als erwartet. „Es ist klar, dass wir das Haus zurückerobern werden“, sagte der Fraktionsführer der Republikaner, Kevin McCarthy, in der Wahlnacht. Er will die Demokratin Nancy Pelosi von ihrem wichtigen Posten als Vorsitzende des Repräsentantenhauses ablösen. Wer den Vorsitz innehat, ist Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize. Für McCarthy bedeutet ein knappes Ergebnis, dass es besonders schwer für ihn sein wird, die zersplitterte Partei hinter sich zu vereinen.
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— NBC News (@NBCNews) November 9, 2022
Ein Denkzettel für Joe Biden?
Im Senat hingegen standen in der Nacht noch die Ergebnisse wichtiger Rennen aus – darunter in Nevada oder Georgia. Die Demokraten feierten daher den Sieg ihres Kandidaten John Fetterman in Pennsylvania umso mehr. Der progressive Fetterman setzte sich dort gegen den TV-Arzt Mehmet Oz durch, der von Ex-Präsident Donald Trump unterstützt wurde. Die Demokraten müssen im Senat die zur Wahl stehenden Sitze verteidigen oder den Republikanern Mandate abknöpfen, um ihre hauchdünne Mehrheit nicht zu verlieren. Dass sie den Republikanern einen der 100 Sitze abgenommen haben, ist ein großer Erfolg für die Partei.
Trumps Einfluss auf die Republikaner ist ungebrochen groß. In etlichen US-Bundesstaaten gewannen von Trump unterstützte Kandidaten. So wurde der republikanische Bestseller-Autor J.D. Vance für den US-Bundesstaat Ohio in den US-Senat gewählt. Vance hatte sich vor einigen Jahren noch kritisch über Ex-Präsident Donald Trump geäußert – dann vollzog er jedoch eine Kehrtwende.
Im US-Bundesstaat Arkansas wird eine frühere Sprecherin des Weißen Hauses unter Trump, Sarah Huckabee Sanders, neue Gouverneurin. Die Republikanerin ist treue Anhängerin des Ex-Präsidenten. In Texas gewann die Gouverneurswahl wie erwartet erneut der Republikaner Greg Abbott. Aber auch die Demokraten konnten Gewinne verbuchen. In Massachusetts und Maryland haben sie Gouverneursämter von den Republikanern zurückerobert. Die Position des Gouverneurs eines Bundesstaats ist in etwa vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten in Deutschland. In Pennsylvania setzte sich der Demokrat Josh Shapiro gegen den glühenden Trump-Anhänger Doug Mastriano durch.
Bei den Zwischenwahlen bekommt die Partei des Präsidenten üblicherweise einen Denkzettel verpasst. Sollte Bidens Partei nun wirklich viel besser abschneiden als zuvor erwartet, würde das dem 79 Jahre alten Präsidenten, der mit schlechten Beliebtheitswerten kämpft, Rückenwind geben. Ein Erfolg für die Partei war auch der Sieg der Demokratin Gretchen Whitmer im Bundesstaat Michigan. Sie setzte sich gegen eine Trump-Anhängerin durch und wurde erneut zur Gouverneurin gewählt. Whitmer war vor der Wahl 2020 in der engeren Auswahl Joe Bidens als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft. Für viele Republikanerinnen und Republikaner ist sie ein Feindbild.
Swing State Florida
Doch auch die Republikaner haben Erfolge zu vermelden. Für die Partei ist der bisherige Sieger der Wahlnacht Ron DeSantis. Er wurde als Gouverneur von Florida klar wiedergewählt. Der 44-Jährige gilt innerparteilich als größter Rivale von Trump. Der Ex-Präsident hatte DeSantis am Dienstag noch gedroht, falls dieser 2024 ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen sollte. Er könne über DeSantis „Dinge erzählen, die nicht besonders schmeichelhaft sind“, sagte er.
Trump will vermutlich am 15. November seine schon seit langem angedeutete Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 ankündigen. DeSantis wird nachgesagt, ebenfalls für die Republikaner als Kandidat antreten zu wollen. Der klare Sieg in Florida dürfte seine Position innerhalb der Partei deutlich stärken. Florida gilt als ein sogenannter Swing State, in dem die Wählerinnen und Wähler mal die Republikaner und mal die Demokraten bevorzugen.
Viele wichtige Abstimmungen waren am Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit noch offen. Dass sich die Auszählung länger hinziehen dürfte, war erwartet worden. So war bei der spannenden Gouverneurswahl in Arizona noch nicht klar, welche Kandidatin gewinnen wird. Die von Trump unterstützte Wahlleugnerin Kari Lake tritt dort gegen die Demokratin Katie Hobbs an. Lake gilt als Shootingstar der Republikaner und weigerte sich vor der Wahl zu sagen, dass sie eine Niederlage anerkennen würde.
Sollten die Republikaner die Kontrolle im Kongress übernehmen, dürfte die zweite Hälfte von Bidens Amtszeit von Blockaden und parteipolitischen Kämpfen geprägt sein. Sollten die Republikaner eine oder beide Kongresskammern erobern, könnte Biden ab Januar wohl keine größeren Gesetzesinitiativen mehr durchsetzen. Außerdem könnten ihm und seiner Regierung in dem Fall parlamentarische Untersuchungen bis hin zu Amtsenthebungsverfahren drohen.
Ein weiterer großer Erfolg: Nach mehr als 230 Jahren schickt nun auch der letzte US-Bundesstaat eine Frau in den US-Kongress. Die Wählerinnen und Wähler in Vermont entschieden sich, die Demokratin Becca Balint ins Abgeordnetenhaus zu schicken. Vermont im Nordosten der USA mit seinen nur rund 650.000 Einwohnern ist eigentlich als liberal bekannt, war aber demnach der letzte Bundesstaat ohne eine Frau im Repräsentantenhaus oder im Senat in Washington. Zudem ist die 54-jährige Balint die erste offen homosexuelle Abgeordnete aus ihrem Staat.
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