Luxemburg / Back to the future: Regierung lockert zu Frühlingsbeginn Corona-Maßnahmen
3G und Maskenpflicht entfallen: Luxemburgs Regierung hat am Freitagnachmittag angekündigt, die Corona-Maßnahmen lockern zu wollen. Auch zum Krieg in der Ukraine äußerte sich Luxemburger Premierminister Xavier Bettel. „Habt keine Angst, Luxemburg ist sicher“, versuchte Bettel zu beruhigen.
Erinnerungen an vergangenen Frühling wurden wach, als Premierminister Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) am Freitagnachmittag vor die Presse treten und Lockerungen der Corona-Maßnahmen ankündigten. Größte Neuerung: Das 3G-System soll am Arbeitsplatz, in der Freizeit und im Horeca-Sektor entfallen. „Wir müssen weiterhin aufpassen, deswegen halten wir die Maßnahmen bei den besonders gefährdeten Personen aufrecht“, sagte Bettel am Freitag auf der Pressekonferenz. Deswegen werde das 3G und die Maskenpflicht in den Krankenhäusern und in den Alten- und Pflegeeinrichtungen vorerst beibehalten. Auch im öffentlichen Transport soll der obligatorische Mund-Nasen-Schutz weiterhin Bestand haben. Für künftige Events entfallen jegliche Einschränkungen, eine Obergrenze an Teilnehmern oder ein sanitäres Konzept sind passé, sobald das neue Covid-Gesetz in der Chamber gestimmt wird. Tageblatt-Informationen zufolge könnte es schon Ende nächster Woche so weit sein.
„Luxemburg hat die Omikron-Welle gut überstanden“, schlussfolgerte der Premierminister mit Verweis auf die derzeitigen Krankenhausaufenthalte. 25 Patienten liegen den Aussagen des Premierministers zufolge auf der Normalstation, fünf Patienten müssen derzeit auf der Intensivstation versorgt werden. Die hohe Infektionsrate würde sich nicht auf die Krankenhausbelegung durchschlagen. Eine Infektionsrate, die laut Prognosen der Covid-Taskforce in den kommenden Wochen und Monaten sinken soll. „Aufgrund dieser Prognosen hat sich die Regierung für eine Lockerung der Maßnahmen entschieden“, sagte Bettel.
Die sich bessernde Covid-Lage hat auch Auswirkungen auf das Homeoffice. „Wir werden heute noch intern kommunizieren, dass die Maßnahme des Télétravail wieder zurückgefahren werden soll“, so Premierminister Bettel auf Tageblatt-Nachfrage. Derzeit würden die Vereinbarungen mit den Nachbarländern hinsichtlich des Homeoffice noch gelten – wenn diese auslaufen, würde es aber zu Gesprächen kommen, meinte Bettel. „Es ist möglich, dass es auf bilateraler Ebene wieder zu Kürzungen kommt.“
„Wie mit einer Grippe leben“
„Die derzeitigen Isolierungsmaßnahmen sollen weiterhin bestehen bleiben, bis die Infektionszahlen gesunken sind“, sagte Bettel. Derzeit gilt, dass man sich nach einem positiven Corona-Befund mit zwei Selbsttests an zwei aufeinanderfolgenden Tagen aus der Isolierung „freitesten“ kann. Somit kann die Isolierung nach einer Corona-Infektion bereits am dritten Tag aufgehoben werden. Gesundheitsministerin Paulette Lenert deutete hingegen an, dass die Isolierungsmaßnahmen wohl auch nicht ewig Bestand haben werden. „Wir müssen lernen, mit Corona wie mit einer Grippe oder anderen Infektionskrankheiten umzugehen“, sagte Lenert auf der Pressekonferenz.
Die Corona-Lockerungen werden auch das Bildungswesen betreffen. Die Anfang Januar von Bildungsminister Claude Meisch (DP) in den Schulen verhangene Maskenpflicht soll aufgehoben werden. Nach Inkrafttreten des Gesetzes werden auch die Testanstrengungen in den Schulen zurückgefahren. Künftig soll dann nur noch ein Schnelltest pro Woche in den Schulen gemacht werden – bisher waren es deren drei. „Die Einschränkung von Freiheiten dürfe nicht zur Normalität werden“, so Bettel. Luxemburg habe die Corona-Krise trotz gesellschaftlicher Spannungen solidarisch überstanden. „Wir befinden uns auf dem Weg Richtung Normalität“, sagte auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert. „Wir können diesen Schritt heute nur gehen, weil sich viele Menschen impfen lassen haben.“
Die Debatte um eine Impfpflicht sei laut Bettel und Lenert aber trotz Lockerungen nicht vom Tisch. Gemeinsam mit der Universität Luxemburg und der Inspektion für soziale Sicherheit (IGSS) arbeite man an Modellierungen, die dem Expertengremium vorgelegt werden sollen. „Diese entscheiden anhand dieser statistischen Modelle, ob eine Impfpflicht Sinn ergibt oder nicht“, sagte Bettel. Die Regierung schließe sich dem Gutachten der Experten an und werde den entsprechenden Gesetzestext wenn nötig im Parlament vorlegen.
„L’affaire est close“
Neben den verkündeten Corona-Lockerungen wurde auch die Ukraine-Krise von Premierminister Xavier Bettel thematisiert. Für Aufregung sorgte während der Woche Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, der von einer „physischen Eliminierung“ Putins gesprochen hatte. Eine Aussage, mit der sich der Luxemburger Außenminister in unrühmlicher Gesellschaft befindet: Der erzkonservative US-Senator und bekennende Trump-Anhänger Lindsey Graham fragte auf Twitter: „Gibt es einen Brutus in Russland? Den Typen auszuschalten ist der einzige Weg, das zu beenden“, schreibt der republikanische Politiker. „Sie würden Russland und der Welt einen großen Dienst erweisen.“
Is there a Brutus in Russia? Is there a more successful Colonel Stauffenberg in the Russian military?
The only way this ends is for somebody in Russia to take this guy out.
You would be doing your country – and the world – a great service.
— Lindsey Graham (@LindseyGrahamSC) March 4, 2022
In einem Presseschreiben zog der LSAP-Diplomat seine beim Radiosender 100,7 getätigten Aussagen wieder zurück – ohne weitere Konsequenzen auf dem diplomatischen Parkett zu befürchten, wie Regierungschef Bettel versicherte. „Mir ist nicht bekannt, dass das zu einem diplomatischen Vorfall geführt haben soll.“ Es sei als Politiker nicht immer einfach, einen Fehler zuzugeben, das habe Außenminister Asselborn aber getan. „Pour moi, l’affaire est close“, so Bettel.
Luxemburg und seine Einwohner brauchen sich Aussagen des Premierministers zufolge keine Sorgen zu machen. „Luxemburg ist sicher“, sagte Bettel am Freitag. Es gebe keinen Beleg dafür, dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der NATO kommen könnte. „Wir wollen keinen Krieg – nicht hier und nicht in der Ukraine.“ Bettel stehe im ständigen Austausch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, um ihm Luxemburgs vollste Unterstützung und Solidarität zu versichern.
Premierminister Bettel unterstütze weiterhin die diplomatischen Bemühungen, die vor allem vonseiten des französischen Präsidenten Emmanuel Macron unternommen werden – „auch wenn die Resultate nicht unseren Wünschen entsprechen“. Erste Priorität sei weiterhin, eine Waffenruhe in der Ukraine herzustellen. „Eine Million Ukrainer sind auf der Flucht“, sagte Bettel. Davon seien mittlerweile 200 in Luxemburg angekommen. „Sie sollen sich in Luxemburg nun sicher fühlen und auf unsere Hilfe zählen können.“ Luxemburgs Waffenlieferungen in die Ukraine bezeichnete der Luxemburger Premier als Paradigmenwechsel.
Hotline
Die Caritas und das Rote Kreuz haben eine Hotline eingerichtet, die per Telefon unter der Nummer 621 796 780 oder per Mailadresse (ukraine@zesummeliewen.lu) kontaktiert werden kann. „Wir Luxemburger wissen, was es heißt, von einem großen Nachbarn überfallen zu werden“, sagte Bettel. Jeder, der helfen wolle und bereit sei, ukrainische Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, könne sich bei der Hotline melden.
Den Russen, die in Luxemburg leben und nicht mit dem Krieg in der Ukraine einverstanden sind, sprach der Premierminister seine vollste Solidarität aus. „Wir dürfen nicht in eine allgemeine Russenphobie verfallen“, warnte der DP-Politiker. In den vorherigen Tagen hatten sich Berichte gehäuft, laut denen russischstämmige Bürger in Luxemburg zum Ziel von Anfeindungen wurden. Zwei russische Expats hatten gegenüber dem Tageblatt von den Drohungen berichtet.
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos