Landwirtschaft / Bauernzentrale fordert eine Erhöhung der Mindestrente um 20 Prozent
Ein traditionsreicher Sektor und einer der ältesten Berufe in idyllischer Umgebung: Die Landwirte geben sich nicht mit der Vorstellung zufrieden, dass manche von ihnen in der Altersarmut landen. Die Bauernzentrale fordert daher eine Erhöhung der Mindestrente um 20 Prozent oder als Alternative dazu, dass in der Landwirtschaft künftig der qualifizierte Mindestlohn statt wie bisher der unqualifizierte als Basis für Rentenbeiträge und -bezüge herangezogen wird.
Idyllischer geht es kaum – und das trotz eines wolkenverhangenen Himmels, der den Herbst anzukündigen scheint. Bei der Ankunft auf dem Bauernhof schweift der Blick des Autors vom Weinberg über die sanften Hügel und grünen Weiden bei Gostingen. Der Landwirt Romain Weirich hat auf seinen Hof eingeladen, wo die Bauernzentrale unter anderem ihre Sicht auf die Rentendebatte vorstellen möchte.
Sein Aussiedlerhof in unmittelbarer Nähe der zur Gemeinde Flaxweiler gehörenden Ortschaft dürfte stellvertretend für viele landwirtschaftliche Betriebe hierzulande stehen: Es ist ein von drei Generationen bewirtschafteter Hof, der zum größten Teil von der Milchproduktion lebt und darüber hinaus auf mehreren weiteren Standbeinen steht.
Außer den 140 Milchkühen verfügt er noch über zwölf Mutterkühe für die Fleischproduktion und neben Pferden, Gänsen und Schafen noch weitere Tiere. Weirichs Traditionsbetrieb, in dem drei Generationen der Familie sowie eine fest angestellte Person zusammenarbeiten, verfügt über zwei Drittel Grün- und ein Drittel Ackerland.
Hinzu kommen die eigene Stromerzeugung und der direkt an den Hof angrenzende Weinberg, der die Mitarbeit von saisonal Beschäftigten während der Lese notwendig macht. „Außerdem empfangen wir gelegentlich Schulklassen“, sagt Weirich, „damit die Kinder sehen, wie auf einem Bauernhof gearbeitet wird.“
Schlechte Konditionen und blaue Zungen
Wie anderswo in Europa ernähren sich die Menschen hierzulande gerne von landwirtschaftlichen Produkten aus der Region, aber nur noch wenige haben selbst in einem rural geprägten Land wie Luxemburg noch einen direkten Bezug zur hiesigen Landwirtschaft. Umso wichtiger ist es, den Bauern und nicht zuletzt der vor 80 Jahren gegründeten Bauernzentrale, der damit ältesten und größten Berufsorganisation der Bauern, Winzer und Gärtner, auf deren Belange und deren Situation aufmerksam zu machen.
Letztere ist dieses Jahr nicht die allerbeste. „Wegen des häufigen Regens waren die Wetterkonditionen schwierig“, weiß Romain Weirich. Weitere Probleme seien hinzugekommen. Weirich spricht den verstärkten Pilzbefall der Pflanzen aufgrund der vielen Niederschläge an, aber auch die Ausbreitung der Blauzungenkrankheit. Die bei Wiederkäuern verbreitete Infektionskrankheit grassierte besonders im Jahr 2007.
Auch dieses Jahr treibt die nicht auf Menschen übertragbare Seuche wieder ihr Unwesen. „Sie schwächt die Kühe deutlich und wirkt sich somit auch auf die Milchproduktion aus“, weiß Weirich. Eine veterinärmedizinische Behandlung der Tiere ist daher nötig, vor allem eine Impfung. Seit dem 1. August wurden laut Veterinär- und Lebensmittelverwaltung insgesamt 658 Tiere – davon 514 Rinder, 136 Schafe und acht Ziegen – positiv auf die Krankheit getestet, zu deren Hauptsymptomen eine blau gefärbte Zunge bei Krankheitsausbruch ist.
Die Situation sei ähnlich wie 2007, sagt Christian Wester, der Präsident der Bauernzentrale. So komme es zu Ausfällen von Tieren und zu einer Verringerung der Produktion. Wester erinnert daran, dass es damals Entschädigungen für die an der Krankheit gestorbenen Tiere gegeben habe.
Zudem kam der Präsident der Bauernzentrale auf die extrem schlechten Wetterbedingungen dieses Jahres zu sprechen: Die hohen Niederschläge und die damit verbundenen Überschwemmungen hätten darüber hinaus zu einer Zunahme von Insekten geführt, die Krankheiten übertragen.
Mit dem Rücken zur Wand
Dass sich die Lage der Betriebe „deutlich verschlechtert“ habe, weiß Christian Wester. „Die ökonomische Situation ist so angespannt wie schon lange nicht mehr. Viele Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Für viele Beschäftigte im Agrarsektor ist die Zukunft ungewiss. Dabei sind die Nachwuchsprobleme in der Branche schon seit langem ein Diskussionsthema, auch die Frage der Nachfolge in landwirtschaftlichen Betrieben. Weniger diskutiert wurde jedoch, zumindest in der breiteren Öffentlichkeit, über die Zeit der Bauern nach ihrem aktiven Arbeitsleben.
Ein Bauer als Rentner? In den Klischeevorstellungen vieler Menschen, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, kommt dieser Gedanke nicht vor. Landwirt sei man immer, heißt es nicht selten. „Dabei ist es doch naheliegend, dass auch wir einmal die Pension genießen wollen“, sagt Marc Fisch, Landwirt aus Calmus, Vizepräsident der Bauernzentrale und Westers Vorgänger an der Spitze der Organisation.
Vor dem Hintergrund der aktuellen krisenhaften Situation, aber auch im Kontext der Diskussion über eine Rentenreform fordert seine Organisation eine Erhöhung der Mindestrente um wenigstens 20 Prozent. Denn aufgrund der verhältnismäßig niedrigen Gehälter in der Landwirtschaft führe dies automatisch auch zu niedrigeren Renten. Die von der Bauernzentrale verlangte Erhöhung um 20 Prozent sei daher nötig, um der steigenden Altersarmut besonders im Agrarsektor zu begegnen. Die Preiserhöhungen in allen Lebensbereichen haben die Situation erschwert. Die große Mehrheit der Landwirte erhalte jedoch nur das Minimum an Altersvorsorge, stellt Wester fest.
Die Bauernzentrale schlägt als Alternative vor, in der Landwirtschaft künftig den qualifizierten Mindestlohn statt wie bisher den unqualifizierten als Basis für die Rentenbeiträge und -bezüge heranzuziehen. Ersterer beläuft sich zurzeit auf 3.085 Euro brutto monatlich, Letzterer auf 2.570 Euro. Bisher habe es keine nachvollziehbaren Gründe gegeben, weshalb der unqualifizierte Mindestlohn bisher als Standard galt. In der Tat ist dies kaum zu verstehen. Gelten die Diplome von Bauern weniger als jene von anderen Berufen?
Qualifizierte Landwirte
Die Landwirtschaft verfügt über eine Reihe von Ausbildungsberufen. Ein Blick auf die Internetseite der Landwirtschaftskammer genügt, um sich einen ersten Eindruck darüber zu verschaffen, welche Möglichkeiten es gibt: zum Beispiel eine dreijährige Ausbildung zum Landwirt mit Theorie und Praxis in der Schule und Betriebspraktika mit einem „Diplôme d’aptitude professionnelle“ (DAP); eine vierjährige Ausbildung zum Techniker in der Landwirtschaft mit einem „Diplôme de technicien“ (DT), was den Zugang zu weiterführenden Hochschulstudien im Agrarbereich erlaubt; oder etwa die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Arbeiter, eine dreijährige Ausbildung im dualen System mit einem „Certificat de capacité professionnelle“ (CCP).
Noch weniger verständlich wird die aktuelle Rentensituation für Landwirte, zieht man Arbeitseinsatz und Zeitaufwand in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Betracht. Zudem werden die Qualifikationen der Landwirte längst von der Europäischen Union eingefordert und auch belegt. Die Branche müsse seit mindestens 40 Jahren bei der Beantragung von Prämien und in vielen anderen Anträgen nachweisen, „dass wir für die Ausübung unseres Berufes geeignet sind“, erklärt Wester.
Die Forderungen der Bauernzentrale sind vor diesem Hintergrund zu verstehen. „Zudem erwarten wir die Möglichkeit für aktive Bauern und für Rentner, nachträglich die Differenz zu den mit der Rechnungsgrundlage des unqualifizierten Mindestlohns bezahlten Rentenbeiträgen ausgleichen zu dürfen und so eine gerechtere Pension zu erhalten“, heißt es in einem Kommuniqué der Organisation.
Christian Wester betont: „Es ist ein schöner Beruf, aber die Belastungen und Einschränkungen sind hoch.“ Und sie sind womöglich gestiegen? Seit Jahren ist der Sektor bemüht, sein Image zu verbessern, unter anderem um den eigenen Nachwuchssorgen entgegenzuwirken. Letztere muss sich Romain Weirich nicht machen: Sein Nachwuchs hilft bereits fleißig im Betrieb mit. Am Ende des Tages zeigen sich noch die Sonnenstrahlen über Hof und Weinberg. Gute Aussichten.
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