Naturkatastrophe / Beeindruckende Satellitenbilder bezeugen „Jahrhundertereignis“ – Bodenversiegelung wohl nicht ausschlaggebend
Die Forscher des LIST haben die Überschwemmungen der letzten Woche analysiert. Die statistischen Modelle geraten an ihre Grenzen und auch die Satellitenaufnahmen zwei Tage danach zeigen: Die Naturkatastrophe der letzten Woche könnte durchaus als Jahrhundertereignis in die Geschichte Luxemburgs eingehen.
Die Wassermassen der letzten Woche haben Dörfer und Felder kurzerhand in Seen verwandelt, Hauptverkehrsachsen von Luxemburg waren überflutet. Das zeigen auch Satellitenaufnahmen, die einige Tage nach den Regenfällen aufgenommen wurden. Die Satellitenaufnahmen wurden vom Wasserwirtschaftsamt über das CGDIS bei einem Unternehmen namens „International Charter Space & Major Disasters“ beantragt, wie ein Pressesprecher des CGDIS dem Tageblatt gegenüber erklärt. Finanziert werden die Bilder von europäischen Geldern, die ein Forschungsprojekt am Liser unterstützen. „Wir arbeiten beim CGDIS eher mit Drohnenbildern, die viel vielfältiger einsetzbar sind“, erklärt Cédric Gantzer dem Tageblatt. Die Satellitenbilder sollen eher für nachträgliche Analysen genutzt werden.
Auch das LIST hat sich mit den Überflutungen der vergangenen Woche beschäftigt – und kommt in seiner Analyse zur Katastrophe der letzten Woche zu einem deutlichen Fazit: „Die Analyse der hydrometrischen Daten hat ergeben, dass die Niederschlagssumme der Regenfälle eine Wiederkehrperiode hat, die lokal über 100 Jahren liegt.“ Tatsächlich beläuft sich die Niederschlagssumme der den Überschwemmungen vorangegangenen Woche auf 134,2 Millimeter pro Quadratmeter – absoluter Rekordwert für die Sommermonate (April bis September) in Luxemburg.
Am 14. und 15. Juli haben sich insgesamt 68,1 Millimeter Regen pro Quadratmeter über Luxemburg ergossen. Auch das ein Spitzenwert für den Sommer in Luxemburg mit einer errechneten Wiederkehrperiode von 92 Jahren. Lediglich 1995 wurde an einem Tag mit 72,7 Millimetern an Niederschlägen ein noch höherer Wert registriert – dieser ereignete sich allerdings im Winter. Insgesamt haben die hohen Niederschläge im vergangenen Monat zu einer hohen Bodensättigung beigetragen, haben die Forscher aus den Daten herausgelesen. Eine punktuelle Analyse im Einzugsgebiet des Bibeschbach bei Liwingen habe ergeben, dass die Bodensättigung am 13. Juli bereits doppelt so hoch war wie das statistische Mittel im Juli.
Die Niederschlagsmengen haben kleinere Bäche teilweise in reißende Ströme verwandelt. Der Weierbach wies einen Spitzendurchfluss von 0,162 Kubikmetern pro Sekunde auf. Das ist ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum vorherigen Spitzenwert von 0,115 Kubikmetern pro Sekunde, der im Jahr 2008 gemessen wurde. Spitzenwerte wurden ebenfalls am Huewelerbach, dem Bibeschbach, an der Eisch, an der Wiltz und an der Attert gemessen – bei allen Werten legen sich die Wissenschaftler fest, dass die Wiederkehrperiode weit über 50 Jahre beträgt.
Klimawandel erschwert statistische Analyse
Laurent Pfister, Hydrologe am LIST, ordnet die Ergebnisse dieser vorläufigen Analyse im Gespräch mit dem Tageblatt ein. „Eine Wiederkehrperiode von 100 Jahren bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis dieser Größenordnung statistisch gesehen nur einmal alle 100 Jahre vorkommt“, sagt der Experte. „Durch den globalen Klimawandel werden unsere statistischen Modelle jedoch stark strapaziert“, warnt der Hydrologe. Das würde bedeuten, dass die statistische Wahrscheinlichkeit, dass eine Naturkatastrophe in der Größenordnung öfter vorkomme, vielleicht höher liege, als die Forscher das jetzt prognostizieren können.
Ein Problem, das den Forschern Kopfzerbrechen bereitet. „Unsere Messungen reichen nur 20 bis bestenfalls 40 Jahre zurück“, erklärt Pfister. Das würde es erschweren, den globalen Klimawandel richtig zu erfassen. Das Problem bestehe aber nicht nur in Luxemburg. „Aussagen, die die Dauer der bisher vorgenommen Messungen um das Doppelte überschreiten, sind dann statistisch gesehen nicht mehr zuverlässig“, erklärt Pfister das Dilemma der Forscher. Die ältesten Daten der Forscher reichen immerhin 200 Jahre zurück: Eine Messstation in Luxemburg-Stadt hat seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts tägliche Messungen vorgenommen. „Wir sind natürlich froh über die uns zur Verfügung stehenden Daten, jedoch werden heutzutage stündlich Messungen vorgenommen.“
Die älteste modernere Messtation stand jahrelang im Süden des Landes, in Beles, sagt Pfister. Die Messstation sei aber irgendwann durch eine Station in Oberkorn ersetzt worden – durch die geografische Nähe der beiden Ortschaften könnten die Wissenschaftler aber auch Schlussfolgerungen über längere Zeiträume ziehen, erklärt Pfister.
Hochwasserrisiko-Management-Plan
Das Luxemburger Wasserwirtschaftsamt arbeitet für solche Ernstfälle einen Hochwasser-Risiko-Management Plan aus. „Wir können das Hochwasser nicht beeinflussen, aber wir können beeinflussen, wie wir uns auf diese Situationen vorbereiten“, sagt Jean-Paul Lickes, Direktor des Luxemburger Wasserwirtschaftsamtes. Hinter dem „unschönen Begriff“ würden sich jedoch mehrere Komponenten verstecken, die es Luxemburg ermöglichen sollen, sich bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten, sagt Lickes.
Das Ereignis der vergangenen Woche stuft das Wasserwirtschaftsamt in die Kategorie eines klassischen Hochwassers ein. „Es hat über einen längeren Zeitraum lang und intensiv geregnet“, erklärt Lickes. Die Böden seien durch die feuchten Rahmenbedingungen schon gesättigt gewesen – ein Phänomen, das eigentlich eher in den Wintermonaten zu verorten sei. Dadurch laufe das Wasser dann in angrenzende Bäche, die aufgrund der Quantität an Wasser dann natürlich ansteigen. „Im Sommer sind wir eher mit Stark- oder Sturzregen konfrontiert, wo in einem sehr kleinen Einzugsgebiet in einer kurzen Zeit sehr viel Regen fällt“, sagt Lickes.
Zum Risiko-Plan der Behörde gehört die Bereitstellung von Kartenmaterial, um die Bevölkerung über die möglichen Risiken aufzuklären. „Auf geoportail.lu sind Karten des Wasserwirtschaftsamtes zu finden, auf denen die Hochwasser- und Starkregen-Risikogebiete markiert sind. Somit kann sich jeder Bürger informieren, ob seine Wohnung in einem Risikogebiet liegt und wie hoch das Wasser im Ernstfall steigen könnte“, führt Lickes aus.
Risiken minimieren
Neben Kartenmaterial arbeitet das Wasserwirtschaftsamt aber auch an Konzepten, um neue Risiken zu minimieren oder gänzlich zu vermeiden. „Wir versuchen möglichst viele natürliche Rückhaltebecken zu erhalten“, sagt Lickes im Gespräch mit dem Tageblatt. „Wenn aber unbedingt in einem Risikogebiet gebaut werden muss, dann sollte die Planung eine hochwassergerechte Bauweise berücksichtigen“, sagt der Direktor des Wasserwirtschaftsamtes, das deswegen mit dem „Ordre des architectes et ingénieurs-conseils“ (OAI) kooperiert. „Wenn in den ausgewiesenen Gebieten ordentlich gebaut wird, entstehen im Falle eines Hochwassers nur sehr geringe Schäden – oder das eigene Hab und Gut kommt komplett ohne Schäden davon“, meint Lickes.
Nun können aber nicht alle Häuser oder sogar ganze Dörfer, die in einem Risikogebiet liegen, vollständig neu gebaut werden. „In dem Fall schlagen wir vor, eine Retentionsfläche freizuhalten oder ein Rückhaltebecken zu bauen, in das sich der Fluss oder der Bach dann ausbreiten können. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht von heute auf morgen umsetzbar“, sagt Lickes. Besonders der Erwerb des nötigen Baulandes würde sich oft als sehr kompliziert erweisen.
Im Ernstfall bestünde dann noch zusätzlich die Möglichkeit, eine mobile Hochwasserschutzwand zu errichten. „Das ist aber eine sehr komplizierte Angelegenheit. Wir müssen nämlich vorher berechnen, dass das Wasser nicht einfach aus einem Wohngebiet ins nächste gedrückt wird“, erklärt Lickes die Schwierigkeiten des technischen Hochwasserschutzes.
Die Frage, ob aufgrund der starken Regenfälle und der Hochwassergefahr früher hätte gewarnt werden müssen, finde Lickes eher schwierig. „Im Nachhinein gibt es immer Kritiker, die es natürlich besser wissen. Fakt war, dass sich selbst Meteorologen im Vorfeld nicht einig waren“, erklärt der Direktor des Amtes die Erwägungen im Vorfeld der Katastrophe. Wenn vorher zu oft falsche Warnungen herausgegeben werden würden, sei das auch nicht optimal. Die Koordinierung in der einberufenen Krisenzelle habe jedoch bestens funktioniert, sagt Lickes. „Wir werden natürlich auch unseren Einsatz noch einmal bewerten – so selbstkritisch müssen wir sein“, fügt Lickes an.
Bodenversiegelung nicht ausschlaggebend
Nach der Katastrophe wurde auch wieder eine zu dichte Bebauung und das Argument der Bodenversiegelung in den Ring geworfen. Lickes relativiert das jedoch im Rückblick auf die Ereignisse. „Die Bodenversiegelung hatte mit dem Hochwasser von letzter Woche nur einen zweitrangigen Effekt. Der Boden war durch die Regenfälle im Vorfeld der Überflutungen einfach gesättigt“, meint der Experte vom Wasserwirtschaftsamt. Die Bodenversiegelung spiele eher bei Starkregen eine Rolle.
Dennoch sieht das Wasserwirtschaftsamt die zunehmende Bodenversiegelung eher kritisch, da dadurch die Grundwasserressourcen beeinträchtigt werden. „Wir setzen uns deshalb auch dafür ein, dass in Neubaugebieten die Bodenversiegelung möglichst gering gehalten wird“, sagt Lickes. Nach dem Hochwasser des 14. und 15. Juli hatten unter anderem „déi Lénk“ die zunehmende Bodenversiegelung in Luxemburg kritisiert.
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Sonst werden doch immer teure ausländische Studien in die Wege geleitet, weshalb nicht in diesem konkreten Fall auf Hochwasserexperten zurückgreifen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen könnten? Die Naturkatastrophe, von Menschenhand gemacht, könnte durchaus als Jahrhundertereignis in die Geschichte eingehen, vorausgesetzt es bleibt dabei und es gibt nicht weitere solche Unwetter mit Hochwasser und deren verheerenden Folgen.
Wei‘ den Barrage vun Esch/Sauer nach vum Staat bedriwen go’uf, ass bei enger Wiederwarnung, e puer Deeg virdrunn, Wasser laafen geloos gin vir den Pegel ze senken. Dodurch war dann dei‘ Meiglechkeet fir wahrend dem starken Reeen mei‘ Wasser zereck ze haalen, an d’Iwerschwemmungen ze begrenzen.
Mee seit den Barrage elo vun Privaat bedriwen gett, geht et nemmen em d’Spei’n, an net mei‘ em d‘ Bierger dei‘ Flossofwaerts wunnen !
Es ist doch so,dass wir jedes Jahr ein Jahrhunderthochwasser haben,irgendwo und immer öfter.Wenn der nächste Starkregen kommt,und das wird er,dann wird sich die Sache wiederholen. Bodenversiegelung ist nicht die alleinige Ursache,aber sie hilft.Genau wie der Bauwahn.
Das nächste ‚Jahrhundertereignis‘ regnet im Moment vom Himmel herab.
Ich bezweifele diese , auf die Schnelle angefertigte, Studie, die mir eher nach „am Optrag vun der Politik „ stinkt. Ich erinnere mich an Überschwemmungsgebiete in den Sechziger Jahren der Alzette , die heute bebaut sind und noch immer überschwemmt werden. Die Niederländer haben in ihren Kampf mit dem Wasser dazugelernt , einige bewohnte Polder zurückgebaut, das Wasser wieder einen natürlichen Raum für Überschwemmungen gegeben. In Städten wie Rotterdam wurden spezielle Überschwemmungsbecken , die in normalen Zeiten als Spiel-,Skater-,Begegnungsplätze fungieren gebaut.Bei heftigen Regen überfluten diese , als Rückhaltebecken für Wasser die Menschen schützen. Ebenfalls versiegeln die Niederländer ihre Böden nicht mit geteerten Wegen .Viele Radwege bestehen aus einem Sandgemisch, sind wasserdurchlässig. Unsere Grünfinken investieren lieber in Protzobjekte wie Tram, Militärspielzeug ,…..zocken das Bürgertum mit vermeintlichen Umweltsteuern ab, aber im realen Leben geht ihnen der Naturschutz am A…. vorbei. Einfache Maßnahmen wie für Bäche, Flüsse die Überschwemmungsgebiete abzusichern oder Blumenwiesen für Artenschutz,, Bienensterben vorzubeugen sind politische Fiktion. Anstatt dicke Politikergehälter, sollten wir diese kürzen und unsere Politiker Nachhilfekurse wirklichen Naturschutzes im Ausland wie Dänemark,Niederlande,Schweden finanzieren.
@Wieder Mann
„Ich bezweifele diese , auf die Schnelle angefertigte, Studie, die mir eher nach „am Optrag vun der Politik „ stinkt. “
Wer sonst würde eine solche Studie Ihrer Meinung nach finanzieren, wenn nicht ‚die Politik‘?
Die Sportfischer?
@Wieder Mann
„Einfache Maßnahmen wie für Bäche, Flüsse die Überschwemmungsgebiete abzusichern“
Ja, einfach eine Mauer bauen, dann hat das nächste Dorf das Problem und das Wasser kommt schneller und höher im Kamakura und im Cigalon an.
@Insterburg:Hätten Sie meinen Kommentar richtig gelesen, wo von Mauer keine Rede ist, geht es darum Überschwemmungsgebiete nicht zu bebauen oder zurückzubauen.In den Niederlanden haben viele Menschen ihre Häuser ,Ackerflächen an den Staat abgetreten um den Flüssen , den Bächen wieder einen natürlichen Überschwemmungsraum Raum zugeben. Mit Ihren Thekenschlagwort der Mauer wird das Problem nicht gelöst, allerdings hat die Gemeinde Erpeldingen/ Sauer hervorragende Arbeit mit dem Installieren eines mobilen Hochwasserschutzes geleistet.