Editorial / Bei den Wahlen in den USA ist das Chaos vorprogrammiert
In nur wenigen Tagen ist es so weit: In den USA wird am 5. November gewählt. Wird Neo-Faschist Donald Trump erneut ins Amt gewählt oder schafft es doch Kamala Harris, die Demokratie vor der orangen Abrisskugel zu retten? Wer sich eine Antwort gleich am Wahlabend verspricht, der dürfte enttäuscht werden.
Denn das Rennen ist, so unglaublich es auch vorkommen mag, immer noch so eng, dass es am Ende wohl nur ein paar tausend Stimmen in sieben Schlüsselstaaten entscheiden werden. In Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin kämpfen beide Wahllager erbittert um jeden einzelnen Wähler. In den Vorwahl-Umfragen liegt mal Trump um ein paar Prozentpünktchen vorne, mal scheint Harris auf dem gewinnbringenden Pfad zu sein. Und da es auf jede Stimme ankommen wird, werden die Resultate der entscheidenden Staaten auf sich warten lassen – vielleicht sogar mehrere Tage.
Wem das Szenario bekannt vorkommt: Genauso passierte es schon bei den Wahlen 2020. Und wie damals auch, stellen Trump und seine Handlanger jetzt schon die Weichen, um das Ergebnis anzufechten und/oder nicht anzuerkennen, falls die Wahl nicht zu seinen Gunsten ausgehen würde. Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen beschwört Trump nicht nur seine Mär der angeblich „gestohlenen“ Wahl 2020, sondern schwafelt, ohne jegliche Beweise zu erbringen, von Wahlmanipulation, gefälschten Wahlzetteln und „illegalen Aliens“ oder „toten Personen“, die für Harris wählen würden. Gleichzeitig bereiten sich die Republikaner darauf vor, sich die Präsidentschaft Trumps wenn nötig vor den Gerichten zu erkämpfen – wieder ein typisches Vorgehen aus dem „Playbook 2020“.
Zum Chaos der Wahl wird wohl auch beitragen, dass sich viele Trump-Supporter in Schlüsselpositionen in der Wahlmaschinerie befinden. Sie könnten in den wichtigen Swing-States – zum Beispiel in Georgia – die Auszählung der Wahlzettel behindern, oder wegen angeblicher Wahlfälschung in jenen Regionen, in denen Harris deutlich mehr Stimmen einheimst, Wahlzettel für ungültig erklären lassen. Dagegen werden sich die Demokraten dann vor Gericht wehren müssen – und die Wähler müssen dann noch länger auf das Ergebnis warten. Diese so geschaffene Unsicherheit spielt dann wieder Trump in die Hände, wenn er sich als Wahlbetrugsopfer darstellen und die Legitimität der Wahl anzweifeln will.
Denn sollte er verlieren, wird Trump vor allem eines nicht tun: seine Niederlage anerkennen. Das hat er schon 2020 nicht. Und seine noch ausstehenden Gerichtsverfahren zeigen in aller Deutlichkeit: Ihm und seinen Handlangern sind keine dreckigen Tricks zu schade, um die Macht an sich zu reißen und ihre Version von einem ultrakonservativen, misogynen, diskriminierenden und nationalistischen Amerika durchzusetzen. Leider haben etliche seiner Anhänger am 6. Januar 2021 bei der Erstürmung des Kapitols bewiesen, dass sie bereit sind, Trump zur Not auch mit Waffengewalt auf den Präsidentschaftsposten zu heben.
Wer die Wahlen in den USA verfolgt – und das sollten wir alle, ob der mächtigen Position des Landes –, muss sich auf Unsicherheiten, langes Warten und jede Menge Fake-News einstellen, bis klar ist, wer künftig dort das Sagen hat. Deswegen ist es umso wichtiger, nicht jeden Facebook-Post für bare Münze zu nehmen, sondern Informationen zu überprüfen, ehe man sie teilt. Sonst tragen auch wir, Tausende Kilometer weit weg, zu dem Chaos bei, das jetzt schon vorprogrammiert ist.
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