Pirat aus dem Norden / Ben Polidori: Warum der Neue in der Chamber ein fairer Gegner ist
Als junger Fußballspieler schaffte er es in die U21-Nationalmannschaft, auch als Jungpolitiker ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Erst 2020 trat er in die Piratenpartei ein, vor zwei Wochen erkämpfte er für sie einen Parlamentssitz im Norden: Ben Polidori ist der neue Pirat in der Chamber.
Ein eigenes Büro wurde ihm zwar schon zugewiesen, doch eingerichtet hat er sich noch nicht ganz. Die letzten zwei Wochen waren ein Spagat zwischen seiner Arbeit bei der Post und der Politik, „doch bald werde ich mich vollständig auf meinen Job als Abgeordneter konzentrieren“. Ben Polidori ist ein politischer Senkrechtstarter: Erst vor drei Jahren trat er der Partei bei, seit den vorigen Kommunalwahlen sitzt er in seiner Wahlheimat Vichten im Gemeinderat. Einer Wahl musste er sich dort noch nicht stellen, doch ein Sitz in einer Gemeinde ist als Sprungbrett für die Chamber nicht zu unterschätzen. Dem Politikneuling gelang, wovon viele angehende Politiker träumen: Auf Anhieb schaffte er den Sprung ins Parlament.
„Was Ben im Norden geschafft hat, ist unglaublich“, sagt Sven Clement, seit 2013 Abgeordneter der Piraten. Als Spitzenkandidat hatte Polidori seinen Anteil daran, dass die Partei im Norden 3.000 Stimmen mehr erhielt als 2018 – und damit auch einen Sitz.
Obwohl neu in der Politik, ist er in der Öffentlichkeit kein Unbekannter, zumindest nicht in Fußballkreisen: Mehrere Jahre spielte er bei verschiedenen Klubs in der BGL League. Als wir Clement darum baten, den „Neuen“ kurz zu beschreiben, griff dieser auf eine Fußballmetapher zurück: „Er weiß, was hartes Training ist, und weiß, die Leistung zum richtigen Moment auf dem Platz abzurufen.“
Da ich stets den Leuten predige ‚meckert nicht, sondern versucht selbst, die Sache zu ändern‘, ging ich in die Politik.
Am 13. November 1989 in Esch/Alzette geboren, wuchs Polidori in Düdelingen auf, wo er bis zu seinem 19. Lebensjahr wohnte. Danach zog er mit seinen Eltern nach Wincheringen (D), 2018 mit seiner Frau nach Vichten. In Düdelingen begann er, Fußball zu spielen, blieb dort bis zu seinem 19. Lebensjahr. Dort gelang ihm zwar der Sprung in die erste Mannschaft, doch es sei hart gewesen, sich zu behaupten. Zweimal wurde er mit dem F91 luxemburgischer Meister, dann wechselte er zur UN Käerjeng 97, wo er ebenfalls drei Jahre blieb. Weitere Stationen waren Rümelingen und Wormeldingen. Auf der Position im linken Mittelfeld war er so gut, dass er es in die U21 schaffte. In sechs Länderspielen schoss er ein Tor. Laut der Webseite Transfermarkt.de besaß er 2011 einen Marktwert von 50.000 Euro.
Keine Roten Karten
Interessant für seine politischen Gegner dürfte sein, dass sie ein fairer Gegner erwartet. Zumindest war er es auf dem Spielfeld: Eine Rote oder Gelb-Rote Karte bekam Polidori nie. Lediglich fünf Gelbe Karten kassierte er in all den Jahren. 2021 hörte er mit dem Fußballspielen auf, und heute spielt es kaum noch eine Rolle in seinem Leben. „Ich war nie der klassische Fußballfan, der regelmäßig ins Stadion geht und die Ligen im Ausland verfolgt“, gibt der junge Pirat zu.
Seine neue Leidenschaft ist die Politik. Während der Corona-Zeit habe er sich intensiver damit beschäftigt. „Ich habe lange die politische Landschaft beobachtet und das, was ich sah, hat mir nicht immer gefallen. Da ich stets den Leuten predige ‚meckert nicht, sondern versucht selbst, die Sache zu ändern‘, ging ich in die Politik. Ich denke, mein Charakter passt dazu; ich glaube, die nötige Ruhe zu besitzen. Ich kann zuhören und eine gewisse Distanz zu den Problemen bewahren, um rational nach Lösungen suchen zu können.“
Das mit der Ruhe kann Luc Recken, Bürgermeister von Vichten, bestätigen. Er beschreibt ihn ebenfalls als „sehr ruhigen Charakter, der immer sachlich bleibt“: „Es ist super und einfach, mit ihm zusammenzuarbeiten, da er sofort alles versteht, wenn man ihm etwas erklärt.“
Jung, männlich, Informatiker: Das Klischee trifft zu
Als die Piratenparteien Mitte der 2000er-Jahre in vielen europäischen Staaten mit den Schwerpunkten Informationsfreiheit und Datenschutz gegründet wurden, entstand das Klischee des typischen Piraten: jung, männlich, Informatiker. Das mag sich zwar über die Jahre geändert haben, doch der frisch gewählte Nord-Pirat entspricht diesem Typus vollkommen. „Ja“, sagt er lachend, „das wurde mir schon gesagt.“
Der 33-jährige Informatiker hat nicht Computerwissenschaft an einer Hochschule studiert, sondern sich vieles selbst beigebracht. „Als ich elf, zwölf Jahre alt war, habe ich angefangen, mir meine Computer selber zusammenzubauen. Informatik ist definitiv eine Leidenschaft.“ Die Schule brach er nach einer 12e im „Sportlycée“ ab. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei einer kleinen Firma stieß er im Februar 2011 zur Post hinzu und wurde später Leiter der Abteilung „Engineering & Support“. „Die Arbeit in einem Team oder einem großen Betrieb hat stets ein bisschen mit Politik zu tun, wenn auch auf einer anderen Art. Es hat mir schon immer gefallen, Probleme zu lösen“, sagt er dazu.
Mein Gefühl war, dass es in großen Parteien schwieriger ist, meine Ideen einzubringen
Warum die Piraten? „In den anderen Parteien, so schien es mir, kommen junge Leute nicht so zum Zug, doch ein Parlament soll eine gute Mischung von Jung und Alt sein. Zudem sind die Piraten für mich die Partei, die die meisten Werte vertritt: Wir haben unsere Ideen, sind aber keine ideologische Partei. Vor allem wird bei uns das Mitspracherecht großgeschrieben: Wenn ich eine Idee oder etwas auszusetzen habe, gibt es Leute, die mir zuhören. In Parteiversammlungen war ich vorher nicht. Die Entscheidung fiel aufgrund des Programms, aber auch aufgrund der Art, wie sich Sven (Clement) und Marc (Goergen) im Parlament präsentierten. Ich konnte mir vorstellen, in dieser Mannschaft zu spielen. Mein Gefühl war, dass es in großen Parteien schwieriger ist, meine Ideen einzubringen.“
Vom Charakter her beschreibt er sich selbst als sehr emotionalen Menschen, was ein Tageblatt-Foto vom Wahlabend bei den Piraten bestätigt: ein zu Tränen gerührter Ben Polidori in den Armen von „Altpirat“ Sven Clement, der ihm gratulierte.
Diese Emotionalität sei aber nicht ausschließlich positiv. „Es gibt Situationen, in denen ich nicht die nötige Distanz bewahren kann, was ich noch lernen muss“, gibt Polidori zu. „Manchmal denke ich mir, ich hätte vielleicht, bevor ich mich äußerte, eine Nacht darüber schlafen sollen, dann hätte ich vielleicht etwas anderes gesagt.“ Seine Stärke hingegen sieht er darin, dass er „stets versuche, den Menschen gut zuzuhören“.
Welche Schwerpunkte er in der Parlamentsarbeit übernehmen wird, steht noch nicht fest. Mit der definitiven Arbeitsaufteilung warten die drei Abgeordneten, bis die Kommissionen in der Chamber festgelegt sind. „Ich werde kaum die Bereiche Finanzen oder Steuerpolitik übernehmen.“ Dann wohl eher Digitalisierung, Familie oder Schule. „Meine Frau ist Lehrerin, wie auch viele meiner Freunde. Schule ist ein Thema, über das wir viel reden.“ Seine Ehefrau Kim ist ihm mittlerweile in die Partei gefolgt.
Barbecue und Sitcoms
Dass der Sprung in die Chamber sein Leben verändern wird, ist ihm sofort nach der Wahl klargeworden. Seine Kollegen bei der Post hätten mit einem lachenden und einem weinenden Auge reagiert. „Alle haben mir gratuliert, sind aber auch traurig, dass ich gehe.“
In sportlicher Hinsicht geht er heute nur noch joggen. Auch seine Essgewohnheiten haben sich seit den Fußballerjahren verändert: „Vor jedem Training aß ich eine bis zwei Tafeln Rittersport.“ An Wochenenden kocht er gerne. Er sei definitiv kein Vegetarier: „Barbecue ist mein Ding.“
Wenn er nicht gerade Zeit mit seiner dreijährigen Tochter Lia verbringt, schaut er am liebsten TV-Serien. „Ich mag Sitcoms“, sagt Polidori. Momentan sei bei ihm „The Big Bang Theory“ angesagt, ebenso wie Krimiserien.
Ein paar letzte Worte zu seinem neuen Arbeitsbereich: „Politik auf einem bestimmten Niveau ist wie Sport, du musst mit dem Herzen dabei sein. Ich glaube nicht, dass man das einfach so nebenbei machen kann. Du musst die nötige Energie haben, aber auch eine gewisse Ruhe, denn sonst macht man sich persönlich kaputt, und solange ich diese Eigenschaften habe, glaube ich schon, dass ich mich politisch engagieren werde.“
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Good Luck, Herr P.
No den rezenten Affirmatiounen vum Sven Clement gesin ech net vill Zukunft fir d’Piraten.
Piraten… egal wat!
Wann déi sech dach mol endlech géifen an anständegen Numm fir hir Partei zouléen.