Exklusivinterview / Ben Polidori wechselt zur LSAP: „Ich muss mir treu bleiben“
Ben Polidori wechselt auf der Oppositionsbank zur LSAP. Nachdem das Tageblatt diese Informationen aus parteiinternen Kreisen erfahren hatte, bestätigte der Neu-Sozialist in der Chamber dies in einem Interview mit dem Tageblatt. Ein Gespräch mit Polidori über seine Beweggründe, die Piraten zu verlassen, künftige Aufgaben und warum er eigentlich immer auf sein Bauchgefühl hören sollte.
Tageblatt: Ben Polidori, Sie haben sich also nach zwei Monaten Bedenkzeit für eine neue Partei entschieden?
Ben Polidori: Ich habe nach meinem Austritt bei den Piraten versucht, etwas Abstand zu nehmen. Es war dann doch ein emotionaler Moment, die Piraten-Partei zu verlassen. In der Zeit haben andere Parteien natürlich versucht, das Gespräch mit mir zu suchen. Im Endeffekt habe ich mich jedoch auf die Grundwerte, für die ich mit meiner Politik einstehe, zurückbesonnen. Das ist unter anderem eine sozial gerechte Gesellschaft, weswegen ich mich für die LSAP entschieden habe.
Können Sie das Zustandekommen dieser Entscheidung etwas näher erläutern?
Ich habe mich intensiv mit den Wahlprogrammen der verschiedenen Parteien auseinandergesetzt. Ich riskierte mich jedoch viel zu viel im Detail zu verlieren: Schlussendlich findet man bei jeder Partei Punkte, mit denen man mehr oder auch mal weniger einverstanden ist.
Beim Thema Bildung, das mir sehr wichtig ist, identifiziere ich mich am meisten mit der LSAP, die sich für Chancengleichheit in der Bildung einsetzt. Und dann wollte ich als junger Politiker in eine dynamische Partei eintreten, die auch auf junge Politiker setzt. Ben Streff, Liz Braz, Danielle Filbig, Claire Delcourt sind alles junge Politiker, die von der Partei eine Chance erhalten haben und gute Arbeit leisten. Gerade angesichts der Rentenreform ist es wichtig, nicht nur auf die zu hören, die bereits mehrere Rentenreformen hinter sich gebracht haben. Es ist ein guter Mix aus jungen und erfahrenen Politikern.
Sie haben sich sehr intensiv damit auseinandergesetzt…
Ich bin mir bewusst, dass das vielleicht teilweise sehr vage wirkt, letzten Endes hat aber auch das Bauchgefühl bei der Entscheidung gestimmt. Vielleicht auch mein persönlicher Hintergrund eine Rolle: Ich komme aus Düdelingen, mein Großvater hat auf der Arbed gearbeitet. Letzten Endes aber bin ich der Überzeugung, dass ich meine Politik bei der LSAP am besten umsetzen kann – unabhängig von alledem, was andere Parteien mir gesagt haben.
Sind Sie auf die LSAP zugegangen oder hat die LSAP Sie kontaktiert?
Ich weiß das ehrlich gesagt nicht mehr so genau. Ich habe anfangs bewusst meine Distanz gehalten und einige Parteien haben mir quasi nebenbei ein Gespräch angeboten. Es hat mich aber keine Partei „belästigt“ – da hat die Presse deutlich mehr Druck gemacht (lacht).
Spaß beiseite: Ich hatte ein erstes Gespräch mit der LSAP, auch weil ich in meiner parlamentarischen Arbeit viel mit ihnen in Kontakt stand. Ich weiß aber nicht mehr, wer die Initiative getroffen hat. Schlussendlich hat aber das gesamte Konstrukt bei der LSAP gestimmt.
Wann ist die Entscheidung konkret gefallen?
Erst in dieser Woche. Hätte ich die Entscheidung direkt nach meinem Austritt gefällt, wäre die Wahl aber bereits auf die LSAP gefallen – mein damaliges Bauchgefühl hat sich auch jetzt bestätigt.
Unseren Informationen zufolge hat sich besonders die DP sehr interessiert gezeigt.
Ja, das stimmt. Aber auch déi gréng und die CSV haben Interesse gezeigt, wo ich aber schnell entschieden habe, dass das nicht passt. Bei der DP wurde es etwas konkreter, eben weil ich mich in vielen Detailfragen verloren habe.
Stimmt es, dass ein wahres Wettbieten um Ihre Person stattgefunden hat?
Nein, nicht wirklich. Man redet natürlich über die eigenen Interessen – es ist aber nicht so, als wären mir irgendwelche Kommissionen oder ein fester Platz auf irgendeiner Wahlliste versprochen worden. Wenn das ausschlaggebend gewesen wäre, hätten die Regierungsparteien ja ohnehin bessere Karten gehabt. Nicht zuletzt, weil man natürlich mehr gestalten kann, als in der Opposition.
A propos Details: Ist schon bekannt, welchen Themen Sie sich bei der LSAP verstärkt widmen wollen?
Das muss abschließend noch geklärt werden müssen. Ich interessiere mich natürlich für Familienpolitik, Bildung und Gesundheit. Aber auch bei der Rentenreform würde ich mich ganz gerne einbringen können. Und als Informatiker ist die Digitalisierung ein mir wichtiges Thema.
Die Piraten-Partei haben Sie Mitte Juli verlassen – wann kamen denn erste Zweifel auf, ob Sie noch in der richtigen Partei sind?
Ein genaues Datum kann ich da nicht unbedingt nennen. Es sind jedoch einige Wochen vor meinem Austritt, wo ich einiges gesehen und auch gespürt habe, die mich zum Nachdenken angeregt haben. Dass ich aus der Presse von dem MALT-Projekt erfahren habe, hat mir natürlich nicht gefallen. Ich bin wegen Sven Clement der Partei beigetreten, weil ich der Meinung war, dass er für Transparenz, Ehrlichkeit und eine bürgernahe Politik einstehe. Ich hatte aber nicht mehr das Gefühl, dass das in der Partei auch gelebt wurde. Das hat mich sehr enttäuscht. Schlussendlich war es dann eine Summe von all den Dingen, dich mich dazu gebracht haben, aus der Partei auszutreten. Ich musste mir und den Wählern, die mich gewählt haben, treu bleiben.
Wähler, die Sie jedoch als Pirat gewählt haben.
Es ist in Luxemburg nun einmal so, dass das Mandat an die Person und nicht die Partei gebunden ist. Dazu will ich auch anmerken, dass ich mehr persönliche Stimmen als Listenstimmen bei der Wahl bekommen habe. Und ich werde weiter für die gleichen Themen, mit denen ich gewählt wurde, einsetzen. Gerade bei sozialen Fragen denke ich schon, dass ich das auch weiterhin so umsetzen kann, wie ich mir das vorstelle. Ich kann aber auch den Wähler verstehen – und respektiere das auch – der das nicht unbedingt so sieht.
Sven Clement hat Ihnen unter anderem vorgeworfen, kurz vor Ihrem Austritt aus der Partei noch Ausgaben getätigt zu haben. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, er hat vor allem ein Tablet zitiert. Wir haben als Abgeordnete ein gewisses Budget für informatisches Material. Ich habe zu einem gewissen Zeitpunkt mir ein Tablet zulegen wollen, um mein Mandat besser ausüben zu können. Ja, das war drei Wochen vor meinem Austritt. Es war jedoch nicht mein drittes oder viertes Gerät, sondern mein erstes. Ich werde mir deswegen in nächster Zukunft auch nicht noch ein Neues besorgen. Da das Gerät klar für meine Abgeordnetentätigkeit bestimmt ist, weiß ich auch nicht, inwiefern ich mich da bereichert haben soll.
Es sind auch Flugtickets genannt worden.
Wir sollten als Piratenpartei ein Seminar über Atomwaffen in den USA besuchen. Aus privaten Gründen konnte ich jedoch schlussendlich nicht an dem Seminar teilnehmen. Das Ticket wurde übrigens nicht von Fraktionsgeldern, sondern von Sven Clement persönlich bezahlt. Es stimmt: Ich habe das Ticket später umgebucht und dann auch benutzt, um mit meiner Familie in Urlaub zu fliegen. Die Kosten für das Ticket habe ich Sven Clement aber zum gegebenen Zeitpunkt auf sein Privatkonto zurücküberwiesen. Da waren aber nie Fraktionsgelder im Spiel, so dass mir niemand vorhalten kann, dass ich mit Steuergeldern Urlaub gemacht hätte. Letzten Endes wird die jetzt angeordnete Überprüfung der Fraktionskonten durch den Rechnungshof das dann auch bestätigen.
In der Chamber sitzen Sie derzeit noch bei den Piraten. Wird da jetzt umgebaut oder bleiben Sie vorerst gegenüber ihren neuen Fraktionskollegen sitzen?
Nein, ich werde sicher nicht da sitzen bleiben. Wie genau das vonstattengeht, weiß ich jedoch nicht. Numerisch wäre es ja denkbar, dass ich beispielsweise zusammen mit den Grünen die Plätze mit der ADR tausche. Es gibt aber anscheinend auch die Möglichkeit, einen Tisch auf der anderen Seite hinzuzufügen. Das wird sich aber sicherlich in den nächsten Tagen dann ergeben.
Sie haben auch ein Gemeindemandat inne…
… bei dem sich aber nicht allzuviel verändern wird, weil Vichten eine Majorzgemeinde ist.
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