Internationaler Tag des Waldes / Bericht bestätigt: Der Wald ist im Stress
Spazierengehen ist in Coronazeiten unter Auflagen erlaubt. Also ab in den Wald. Dem geht es nicht gut, wie der letzte Waldzustandsbericht zeigt. Lichtblicke zeigen die Aussagen eines Försters und des Direktors der Forstverwaltung (ANF). Ein Ausflug ins Grün zum heutigen „Internationalen Tag des Waldes“.
An diesem Tag hat Förster Christian Berg (46) gegenüber vom „Roudenhaff“ zwischen Differdingen und Lasauvage zu tun. Dort klafft eine Lücke im Wald. Die Stämme von Fichten liegen auf dem Boden. Der Buchdrucker, eine Sorte Borkenkäfer, hat hier so gewütet, dass sie gefällt werden mussten. Fichten, die 40 bis 50 Jahre alt oder noch älter sind, mögen die Insekten besonders gerne. Bäume in diesem Alter gibt es viele in Bergs Revier.
Er betreut ein sehr spezielles Gebiet. Die rund 1.000 Hektar, für die er verantwortlich ist, erstrecken sich über die Gemeinden Differdingen und Petingen. Es ist dicht besiedeltes Land mit einer langen Geschichte in der Eisenerzindustrie. Hier wurde ohne Rücksichten aus dem Boden geholt, was verwertbar war. Nach dem Niedergang der Industrie war es an der Natur, sich das Terrain zurückzuerobern. Das hat sie getan – auf sehr unterschiedliche Weise.
Forstreviere im Süden sind speziell
Die gerade gefällten Fichten stammen noch aus der Zeit, als sie künstlich in Monokulturen angepflanzt wurden. Mit dem Holz wurden die Stollen der Gruben abgestützt. Immer wieder wurde damals zu diesem Zweck aufgeforstet. Deswegen ist der Wald in Bergs Revier für Luxemburg „untypisch jung“. Berg betreut aber auch – das ist eine weitere Auffälligkeit seines Reviers – Flächen, die noch vor ein paar Jahrzehnten ganz anders ausgesehen haben.
In den ehemaligen Tagebaugebieten „Prënzebierg“ und „Giele Botter“ hat sich die Natur zurückgeholt, was der Mensch zerstört hat. Der Boden ist wieder grün und nicht rot. Zahlreiche seltene Orchideenarten und andere Lebewesen haben sich angesiedelt. Das soll so bleiben. Der 1991 verliehene staatliche Schutz garantiert das. Zusammen mit den Trockenrasen-Gebieten über den still gelegten Gruben bei Lasauvage geht es etwa 300 Hektar so.
Besorgnis erregende Zahlen
Im Moment verlangt dem Förster der Wald besondere Aufmerksamkeit ab. Es geht ihm im ganzen Land nicht gut. Das geht aus dem letzten Waldzustandsbericht hervor, der seit 1984 jedes Jahr erhoben wird. Dafür werden landesweit 51 Parzellen mit insgesamt 1.176 Bäumen untersucht.
Das Fazit für 2019: 50 Prozent aller überprüften Bäume sind ernsthaft krank oder schon abgestorben. Die luxemburgischen Wälder bestehen zu 70 Prozent aus Laubbäumen, davon die Hälfte Buchen, und zu 30 Prozent aus Nadelbäumen. Gerade bei den Nadelbäumen schnellte die Zahl der kranken oder schon toten Bäume 2019 auf 10,7 Prozent in die Höhe.
Immunsystem fällt aus
„Wenn es zu trocken ist, kommen vor allem die Fichten in Stress“, bestätigt Förster Berg. „Das spüren die Insekten und befallen die Pflanze.“ 20.000 Buchdrucker an einer einzigen Fichte seien keine Seltenheit, sagt er. Das „Immunsystem“ der Bäume, Harz zu bilden und den Insekten den Weg unter der Borke am Stamm abzuschneiden, funktioniert bei extremer Trockenheit und zu hohen Temperaturen nicht mehr. Beim „Roudenhaff“ waren nur 30-40 Bäume betroffen. An anderen Stellen sind es gleich drei bis vier Hektar.
Das schmerzt, obwohl der Wald mit Ardennerpferden so schonend wie möglich bewirtschaftet wird. Schwere Maschinen wie Traktoren oder andere Gerätschaften zerstören den Boden. Berg hat seine Försterkarriere seinerzeit in Weiswampach begonnen, kennt die Arbeit der Pferde von dort und setzt sie nun auch im Süden ein.
Nährstoffreicher Boden im Süden
Verdienen lässt sich mit dem gefällten Holz ebenfalls wenig. Der Holzpreis ist im Keller. Berg kennt Zeiten, in denen 70-90 Euro pro Festmeter erzielt wurden. Heute sind es gerade mal noch fünf Euro. Da der Borkenkäfer europaweit wütet, gibt es ein Überangebot an Holz. Den Sinkflug des Holzpreises bestätigt der Manager des „Wood Cluster“ bei Luxinnovation, Philippe Genot (39). „Es gibt momentan sogar Anbieter, die das Holz nicht verkaufen können, weil es so viel gibt“, sagt er.
Zurück zum Förster: Pessimismus will Berg nicht aufkommen lassen. Immer wieder zeigt er im Wald auf kleine Bäumchen am Boden. Der kalkreiche Boden im „Minette“ mit den vielen Nährstoffen fördert neues Wachstum und die damit einhergehende stetige Verjüngung des Mischwaldes. „Man muss Geduld haben“, sagt er. „Der Wald braucht Zeit.“
Luxemburg zu mehr als einem Drittel von Wald bedeckt
Entwicklungen wie diese beschäftigen den Direktor der „Administration de la nature et de la forêt“ (ANF) im knapp 70 Kilometer entfernten Diekirch ebenfalls. Frank Wolter (61) ist seit 2012 in dieser Funktion für die insgesamt 90.000 Hektar Wald Luxemburgs zuständig. Das sind 34 Prozent der gesamten Fläche des Landes und damit mehr als ein Drittel.
Zum Vergleich: In Finnland sind 73,1 Prozent der gesamten Landesfläche mit Wald bedeckt. Es ist das waldreichste Land in Europa. In den Niederlanden sind es nur 11 Prozent, in Belgien knapp 24 Prozent. In Luxemburg hat der Wald nach den trockenen Sommern 2018/2019 gelitten. ANF-Direktor Wolter ist beunruhigt. „Was in der Zeit mit dem Wald geschehen ist, ist erschreckend“, sagt er. „Vieles hängt davon ab, wie sich das Klima weiter entwickelt.“
Blätterabwurf ist Schutzreaktion
Ihn und nicht nur ihn beunruhigt vor allem die Frequenz der trockenen Jahre und die Intensität. Und niemand wagt eine Einschätzung – trotz der lang anhaltenden Regenperiode der letzten Monate. Die große Unsicherheit resultiert aus fehlenden Erfahrungswerten. „Das Klima dieser beiden Jahre war in keinem Klimamodell vorgesehen“, sagt Wolter.
50 Prozent der Bäume des luxemburgischen Waldes seien stark geschädigt oder bereits abgestorben, heißt es im aktuellen Bericht. Der ANF-Direktor relativiert. „Die wenigsten Bäume sind bereits abgestorben“, sagt er und beziffert deren Anteil auf zwischen 5 und 10 Prozent. „Die meisten Bäume sind aber sehr stark gestresst.“
Kronen „gestresster Bäume“ haben Äste, wo kein einziges Blatt zu finden ist oder viel zu wenig. Blattbewuchs ist eines der Kriterien, nach denen der Zustand der Bäume im Bericht beurteilt wird. Es sieht zwar nicht schön aus, hat aber sein Gutes. „Die Blätter abzuwerfen, ist eine Strategie der Bäume, auf starke Trockenheit zu reagieren und sich zu schützen“, sagt Wolter.
Bäume haben große Fähigkeiten, sich anzupassen
Strategien lassen sich ändern. Wenn der Blattabwurf bei 60 Prozent aller Blätter Halt an einem Baum gemacht hat, kann er sich wieder erholen. Das wiederum setzt voraus, dass für hiesige Breiten normale klimatische Bedingungen herrschen. Wiederkehrende Trockenperioden à la 2018/2019 machen Aussichten wie diese zunichte.
Vor allem Fichten sind betroffen und die für Luxemburg typische Buche. 7,1 Prozent des Buchenbestandes sind laut Waldzustandsbericht bereits abgestorben. „Die Buche wird, wenn es klimatisch so weiter geht, Schwierigkeiten bekommen“, bestätigt Wolter. Die Baumsorte steht lieber schattig und mag es nass und kalt.
Heimische Arten kommen wieder
Auch er wehrt sich allerdings gegen Resignation oder gar Pessimismus. Bäume, sagt er, seien mit großen genetischen Fähigkeiten, sich anzupassen, ausgestattet. Das liegt in der Natur der Sache. „Ein Baum kann sich nicht einfach ein anderes Plätzchen suchen, wo es ihm besser geht“, sagt er. „Wenn er irgendwo steht, steht er 200 Jahre dort.“
Es gibt noch andere Lichtblicke. Zwar ist der Borkenkäfer im Verbund mit dem Klimawandel dabei, künstlich geschaffene Monokulturen wie Fichtenwälder zu zerstören. Dafür kommen andere Baumarten, die für die Region typisch sind, wieder. Das ist im Sinne der Regierung, die beim Naturschutz und im Forst auf mehr gesunde Durchmischung setzt.
Im Falle von Förster Berg heißt das: Ahorn, Esche, Elsbeere oder Edelhölzer wie die Vogelkirsche breiten sich in seinem Revier zunehmend aus. Es sind Baumarten, die in dieser Region zu Hause sind. „Der Wald ist im Wandel“, sagt er.
Die Besitzer des luxemburgischen Waldes
46 Prozent der Waldfläche gehören Staat (34 Prozent), Gemeinden (11 Prozent) und anderen (1 Prozent). 54 Prozent sind in Privatbesitz, die großherzogliche Familie ist der größte Privatwaldbesitzer. Das größte zusammenhängende Waldgebiet ist in Luxemburg mit 3.700 Hektar der „Gréngewald“, der letztes Jahr unter Naturschutz gestellt wurde.
Maßnahmen der Regierung
Ende 2019 hat Umweltministerin Carole Dieschbourg ( „déi Lénk“) ein „Klima-Bonus Programm fir de Bësch“ in Aussicht gestellt. Es richtet sich vor allem an Privatwaldbesitzer. Mit 80 Prozent befindet sich der Großteil der Fichten-Monokulturen in deren Besitz. Es geht um Sensibilisierung, Beratung und finanzielle Beihilfen für Neuanpflanzungen, um andere Baumarten anzusiedeln. Das System der Beihilfen soll in diesem Jahr ausgearbeitet werden.
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„Der Wald ist im Stress“
Ich auch. Deshalb gehe ich jeden Tag hin, dann ist der Wald nicht so allein im Stress.