/ Berlin soll Luxemburg inspirieren
Berlin galt lange Jahre als „arm, aber sexy“. Dies wirkte anziehend auf Kunstschaffende aller Richtungen. Was kann das reiche Luxemburg von der deutschen Hauptstadt lernen? Diese Frage wurde auf einer deutsch-luxemburgischen Wirtschaftskonferenz erläutert.
In seiner über 750-jährigen Geschichte hat die Stadt an der Spree schon viel erlebt. „Vor über 100 Jahren galt Berlin als die kreative Metropole“ des Deutschen Reiches, meinte Michael Müller, der regierende Bürgermeister der Bundeshauptstadt. Dann, nach dem Krieg und dem darauf folgenden Kalten Krieg, „war über Jahrzehnte alles weg“.
Nach der Wende habe es „eine große Erwartungshaltung“ gegeben. „Nun wird alles anders“, zitierte der Bürgermeister den Geist der damaligen Zeit. Doch die anschließende Entwicklung wurde den Hoffnungen nicht gerecht. „Nichts kam“, stellte Michael Müller im Nachhinein fest.
„Über Nacht kam es zu einem dramatischen Einbruch“, erinnerte sich der Berliner. „200.000 Industriearbeitplätze waren auf einen Schlag weg.“ Diese Leere wirkte auf Kunstschaffende aller Couleur anziehend. Leerstehende Gebäude wurden von Kreativen unter Beschlag genommen.
Stadt der Kreativen
In Berliner Bunkern entstand Anfang der Neunziger die Techno-Szene. Illegale Partys wurden veranstaltet, ohne dass sich die Besitzer der leer stehenden Gebäude daran störten. Die freigeworden Freiräume wurden nicht nur von Jüngern der elektronischen Musik besetzt, auch Künstler aus anderen Bereichen entdeckten Berlin als Zentrum für ihre Kunst.
Tom Kurth, CLO vom Instrumentenhersteller Native Instruments, schlussfolgerte daraus, dass „eine Stadt auch Räume haben muss, in denen die Leute laut sein dürfen“, um anziehend zu wirken. „Diese Zeit hat das Image Berlins nachhaltig geprägt“, meinte der Bürgermeister. Heute beschäftigt die Kultur Berlins 300.000 Menschen, mit einem Umsatz von 16 Milliarden Euro pro Jahr steht die Kreativwirtschaft für rund zehn Prozent der Gesamtwirtschaft.
„Berlin ist die Stadt der Kreativen und Kulturschaffenden“, stellte der Botschafter der Bundesrepublik Heinrich Kreft fest. „Die Stadt zieht junge Leute an.“ Dies wirke der Überalterung entgegen und schaffe auch neue Quellen für Gewerbesteuern. „Der Kultursektor wächst schneller als die Gesamtwirtschaft.“
Vorbild für Luxemburg
Als der luxemburgische Premier Xavier Bettel im vergangenen Jahr die deutsche Hauptstadt besuchte, konnte er sich sein eigenes Bild machen. „Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat Berlins Außenwahrnehmung mehr geprägt.“ Damit ist die Stadt im Osten ein Vorbild für Luxemburg.
Dort, wo Berlin aktuell ist, will das Großherzogtum hin. Auch wenn, laut Bettel, „wir im Jahr 2014 mit Monsieur Hublot Oscar waren“, ist der Weg jedoch noch lang. Doch was kann von offizieller Seite aus getan werden, damit, wie Bettel es meinte, „junge Leute Risiken aufnehmen, um ihre Kreativität ausleben zu können“?
„Der Staat solle nicht zu viel eingreifen“, meinte Bernard Michaux, Managing Partner bei der luxemburgischen Firma Samsa-Film. Es sei wichtig, „die Leute einfach machen zu lassen“. Die Entwicklung sollte „von unten“ kommen.
Damit liegt er auf einer Linie mit Bettel. „Als Liberaler stelle ich mir die Frage, ob Förderprogramme eine Unterstützung oder doch eher eine Belastung sind.“ Andreas Krüger, Geschäftsführer der Berliner Belius GmbH, zählt zwar auch die Finanzierung zu den Punkten, die wichtig sind, diese sei aber nicht der Auslöser der Berliner Entwicklung gewesen.
„Das Raumangebot hatte viel ermöglicht“, meinte er. Brachliegende private Flächen sollten öffentlich nutzbar gemacht werden. Dann solle man die Leute Projekte machen lassen, die nicht viel Geld brauchen und die sich auch nicht gerne sagen lassen, was sie tun sollten.
Raumangebot
Baukulturdenkmäler würden auf Kreative sehr anziehend wirken. „Nicht der 70er-Jahre-Bau und auch keine Neubauten“, so Krüger. Wenn das geschichtsträchtige Gebäude auch „keine Fenster“ mehr habe, sei dies für die Kulturschaffenden kein großes Problem.
Als Beispiel nannte er ein altes leer stehendes DDR-Verwaltungsgebäude, das nicht an den meistbietenden Investor verkauft wurde, sondern in Zukunft „mitten in der Stadt“ auf 60.000 m2 allen möglichen Nutzern zur Verfügung gestellt wird.
Die Rolle der Kulturpolitik sei dann, „die Leute einfach machen lassen“. Die Verwaltung solle das Geschehen „behutsam steuern“. Geld ist also nicht der Startpunkt, um eine lebendige Kulturszene zu schaffen. „Wer richtig viel Geld verdienen will, geht nicht in die Kreativindustrie“, meinte Tom Kurth. Wichtig ist, dass die Stadt für Kulturschaffende aller Art anziehend wirkt. „Ich finde das so irre, was die da machen, da muss ich dabei sein“, mit diesen Worten zitierte Kurth junge Künstler, die es nach Berlin verschlagen hat. „Dann ist auch das Geld egal.“
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