Esch / Betreutes Wohnen für Suchtkranke: Wie „Les Niches“ Drogenabhängigen hilft
Komplett von den Drogen weg müssen sie nicht sein, um eine Wohnung zu erhalten, doch ihr Konsum muss diskret sein. Bei „Les Niches“ finden Suchtkranke ein Angebot für betreutes Wohnen.
Mit zwei großen Koffern steht der Mann im Empfangsbereich von „Les Niches“ in Esch/Alzette. Heute ist der große Tag, an dem er in sein Zimmer in einer Wohngemeinschaft einziehen darf. Die Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben. Vor allem freut er sich darauf, nun nicht mehr allein zu leben, sagt er. Der 59-Jährige gehört zur Altersklasse, die am meisten bei „Les Niches“ vertreten ist: Rund zwei Drittel der Betreuten sind älter als 40. Dass er jetzt in einer Wohngemeinschaft untergekommen ist, stellt aber eher die Ausnahme dar. Denn „Les Niches“ verfügt nur über zwei WGs: die Casa Pépé und die Villa Armand. In der Regel leben die Betroffenen allein oder gegebenenfalls mit ihren Kindern zusammen.
Eines haben aber alle gemeinsam: Um eine Wohnung von „Les Niches“ zu erhalten, müssen sie volljährig sein und über ein regelmäßiges Einkommen verfügen oder ein Recht darauf haben. Sie haben entweder in der Vergangenheit illegale Substanzen konsumiert oder tun dies nach wie vor. Alkoholiker können das Angebot nicht nutzen.
Selbst dort um eine Wohnung zu bitten, geht allerdings nicht. „Die an einer Wohnung Interessierten können sich nicht direkt bei uns melden, die Vermittlung geschieht über einen Mitarbeiter der ‚Jugend- an Drogenhëllef‘ (JDH)“, erklärt Sozialarbeiter Jeff Dostert. „Wenn eine Wohnung zur Verfügung steht, teilen wir das den anderen Mitarbeitern der JDH mit, die uns dann Interessierte weitervermitteln. Wir suchen dann die geeigneten Kandidaten aus.“
„Der Name des Projekts, ,Les Niches‘, steht für die Möglichkeit, ein diskretes Zuhause zu bekommen, ein Schlupfloch für Leute, die sonst kein Dach finden würden, eine Rückzugsmöglichkeit“, sagt Giselle Lafontaine, Leiterin von „Les Niches“. Danach gefragt, die Philosophie des Projekts kurz zu erläutern, antwortet sie spontan: „Das kann ich mit einem Wort: ‚oser‘ – wagen, sich trauen.“ Man wage, eine Person in eine Wohnung aufzunehmen, ohne ein vorher festgelegtes Projekt, heißt es auf der Webseite von JDH. „Wir trauen uns, wir haben Vertrauen in die Menschen, dass sie wieder auf die Beine kommen. Jeder hat die dafür nötigen Ressourcen“, ist Lafontaine überzeugt.
Kein klassischer Mietvertrag
Betroffene wie der oben genannte 59-jährige Mann erhalten nicht nur einen Wohnungsschlüssel, sondern auch psychosoziale Hilfe, Unterstützung bei der Verwaltung ihrer Finanzen und Hilfe bei alltäglichen Erledigungen. Falls notwendig, begleiten die Mitarbeiter sie auch zu Arztbesuchen. „Anfangs sehen wir uns mehrmals die Woche, danach mindestens einmal die Woche. Und diese Treffen sind obligatorisch.“ Woraus die Unterstützung der Sozialarbeiter bestünde? „Von Mülleimer leeren und Heizung reparieren bis, wenn es möglich ist, beim Einkaufen oder auch beim Umzug helfen. Und bei uns macht jeder alles“, sagt Lafontaine.
Nach dem Einzug in seine Wohnung beginnt die Arbeit am Lebensprojekt des Betroffenen: Im Laufe der Zeit arbeitet er gemeinsam mit den Sozialarbeitern daran, seine Zukunft zu gestalten. Im Mittelpunkt stehen seine Wünsche, Bedürfnisse und individuellen Fähigkeiten, schreibt die JDH dazu. Da das Hauptziel des Projekts darin bestehe, ein Leben in größtmöglicher Autonomie zu fördern, sei es auch wichtig, dass die Betroffenen ihre Lebensumstände selbst bestimmen können.
Den weitaus größten Teil der Wohnungen mietet „Les Niches“ auf dem Privatmarkt. Die Suche danach erfolgt ganz klassisch über athome.lu. „Wegen der hohen Mietpreise ist es uns nicht möglich, noch eine Wohnung zwischen Mersch und Luxemburg zu finden“, sagt Dostert. Doch viele, die für das Angebot infrage kommen, wollten eh nicht in der Stadt wohnen, weil sie wissen, dass der Weg zum Drogenhotspot am Hauptbahnhof zu nah ist.
In der Regel sind die Mieter ruhig und versuchen, nicht aufzufallen, da sie nicht wünschen, als Konsument identifiziert zu werdenLeiterin von „Les Niches“
Die Besitzer vermieten ihre Wohnung direkt an „Les Niches“, weshalb ihre Miete ihnen sicher ist. Der Wohnungsbesitzer hat in der Regel keinen direkten Kontakt zum Mieter, sondern nur zu einem Mitarbeiter von „Les Niches“. Der Mieter seinerseits erhält keinen klassischen Mietvertrag, sondern einen Wohnvertrag, durch den ihm die Wohnung auf unbegrenzte Zeit zur Verfügung gestellt wird. Dadurch kann ihm im Notfall, wenn er zum Beispiel gegen die gemeinsam festgelegten Regeln verstößt, die Wohnung gekündigt werden. Das sei aber bis dato nur einmal passiert, sagt Lafontaine. „In der Regel sind die Mieter ruhig und versuchen, nicht aufzufallen, da sie nicht wünschen, als Konsument identifiziert zu werden. Sie müssen nicht unbedingt ‚clean‘ sein, es genügt, wenn sie diskret und unproblematisch konsumieren.“
Dadurch, dass ihnen die Wohnung auf unbefristete Zeit zur Verfügung gestellt wird, erhalten die Betroffenen mehr Sicherheit. Es sei nicht realistisch, jemandem mittels eines befristeten Mietvertrags eine Perspektive bieten zu wollen. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Wohnungen nie wieder für andere verfügbar sein werden.“ In den letzten fünf Jahren seien 25 Menschen aus ihren Wohnungen ausgezogen.
Die Mieter zahlen im Durchschnitt 836,86 Euro für eine Wohnung. Die Gemeinde Luxemburg, die sich am Projekt beteiligt, finanziert 25 Prozent des Mietpreises. Versäumt es der Mieter, auch nur einmal die Miete zu bezahlen, übernimmt „Les Niches“ die Kontrolle seiner Finanzen.
Ein Altenheim für Suchtkranke
Auch Drogenabhängige leben immer länger und bleiben von Altersproblemen nicht verschont, doch bei ihnen fangen diese Probleme wegen ihres Lebensstils schon viel früher an. „Alt, krank und kaputt vom Leben“, beschreibt Lafontaine die alternden Suchtkranken. Für sie gibt es bislang noch keine geeigneten Unterbringungen.
Was in Luxemburg notwendig sei, sei eine Art Altenheim für Drogenabhängige. Während man im Ausland diesbezüglich schon viel weiter sei, stünde man hierzulande noch ganz am Anfang: Im Seniorenheim in Berburg werden ab Januar die ersten Ex-Drogenabhängigen einziehen können. Sieben Betten stehen dort zur Verfügung.
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