Rede zur Lage der Nation / Bettel: „Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten“
Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg dominieren die Geschicke in Luxemburg. In außergewöhnlichen Zeiten fällt demnach auch die Rede zur Lage der Nation von Premierminister Xavier Bettel am Dienstag außergewöhnlich aus. Er stellt klar, dass er nicht, wie in normalen Zeiten, alle politischen Themen ansprechen könne, sondern sich auf die größten Herausforderungen konzentriert habe.
Wie ein roter Faden ziehen sich Ukraine-Krieg, Energie- und Klimakrise durch Xavier Bettels Rede im Parlament. Der Titel „Verantwortung übernehmen“ soll zeigen, wo es langgeht. Gleich am Anfang geht der Premierminister auf den Ukraine-Krieg ein. Er erzählt von seinen Erlebnissen vor einigen Monaten im Kriegsgebiet, lobt die Hilfsbereitschaft der Luxemburger bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen, verteidigt den Status der Ukraine und Moldawiens als EU-Beitrittskandidaten sowie die Effizienz der Sanktionen gegen Russland. „Zum ersten Mal in der Geschichte Luxemburgs haben wir schwere Waffen in ein aktives Kriegsgebiet geliefert“, sagte der DP-Politiker. Dennoch sei Luxemburg durch seine NATO-Mitgliedschaft gut vor militärischen Angriffen geschützt.
Der Ukraine-Krieg habe bewirkt, dass Luxemburg eine historische Kehrtwende in der Verteidigungspolitik eingeschlagen habe. Die Militärausgaben sollen in den kommenden Jahren deutlich erhöht werden und bis 2028 soll ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert werden. Die luxemburgische Armee soll robuster gemacht werden. So wird auch der neue Innovationsfonds der NATO seinen Sitz in Luxemburg haben. Luxemburg müsse seine kritische Infrastruktur besser schützen und sich vor Cyberangriffen wappnen. Zum letzten Punkt werde ein Pilotprojekt ausgearbeitet, kündigte Bettel an.
Luxemburg habe seit der Pandemie 5,5 Milliarden Euro an direkten und indirekten Hilfen an Einzelpersonen und Unternehmen ausgezahlt. „Und unsere Maßnahmen tragen Früchte“, sagte Bettel. Mit dem Anti-Inflationspaket dämpfe man den Preisanstieg erheblich. Er nannte die Solidaritätspakete einen historischen Erfolg, den man den Sozialpartnern zu verdanken habe. Damit sprach Bettel die Ergebnisse aus den jüngsten Tripartite-Verhandlungen an. Zudem kündigte er im Januar die Anhebung von Mindestlohn und „Revis“ um mehr als drei Prozent an. Das Personal der Sozialämter werde um 50 Prozent aufgestockt.
Gefährliche Abhängigkeit fossiler Energie
„Die Verteidigung der Menschenrechte, der Freiheit und der Souveränität sind uns wichtiger als billiges russisches Gas“, betonte Bettel. „Die Energiekrise zeigt uns auch sehr deutlich, wie abhängig wir derzeit von fossilen Energieträgern aus dem Ausland sind.“ Dies stelle nicht nur in der aktuellen geopolitischen Situation ein Problem dar, sondern auch in puncto Klimaschutz. Trotz aller Krisen bleibe der Klimawandel die größte Bedrohung für den Menschen. Bettel verwies auf den Katalog des Klima-Bürgerrats. Ende Oktober soll eine Konsultationsdebatte im Parlament stattfinden, bei der die Abgeordneten sich zu den Vorschlägen positionieren können.
Eine Fotovoltaikanlage sollte sich auf jedem Dach befinden, das sich dafür eignetPremierminister
In Luxemburg hat sich die Produktion erneuerbarer Energien in den letzten sechs Jahren mehr als verdoppelt. Dennoch müssen noch mehr Anstrengungen unternommen werden, ist Bettel überzeugt. Deshalb wird die Prämie für den Ersatz eines fossilen Heizsystems durch ein klimafreundlicheres System auf 50 Prozent und die „Klimabonus“-Zuschüsse für jede energetische Renovierung um 25 Prozent erhöht. „Eine Fotovoltaikanlage sollte sich auf jedem Dach befinden, das sich dafür eignet“, sagte der Premier. Demzufolge werde die Regierung nach einer Übergangsphase die Pflicht einführen, dass auf jedem Neubau eine Fotovoltaikanlage auf der ganzen Dachfläche zu installieren ist.
Während vor dem Parlament junge Landwirte protestierten, erinnerte Bettel an den Entwurf für das neue Landwirtschaftsgesetz, das vor dem Sommer verabschiedet wurde. Demnach sollen mehr als 800 Millionen Euro aus dem nationalen und europäischen Haushalt in den kommenden Jahren in die luxemburgischen Landwirtschaftsbetriebe fließen. Rund 40 Prozent der jährlichen Ausgaben seien für Hilfen im Bereich Klima und Biodiversität reserviert. Bettel sagte: „Wir sind uns jedoch bewusst, dass insbesondere die jungen Landwirte befürchten, dass ihr Betrieb ohne Wachstum nicht rentabel geführt werden kann.“ Das neue Gesetz sehe deshalb eine Reihe von Maßnahmen vor, die den Landwirten finanziell helfen sollen, auch ohne zusätzliches Vieh rentabel zu arbeiten.
Bettel schließt große Steuerreform aus
In Krisenzeiten müsse man mehr Geld ausgeben. Deshalb müsse das Land neue Schulden aufnehmen und dabei stets die Staatsverschuldung im Auge behalten. „Die Staatsverschuldung darf nicht unkontrolliert wachsen, da Luxemburg abhängig vom Triple-A ist“, betonte Bettel. Der Verlust dieser Auszeichnung wäre eine Katastrophe für Luxemburg. Der Minister bezifferte die aktuelle Staatsverschuldung auf 24,6 Prozent, die 2023 auf 26,3 Prozent steigen werde. Bis 2026 könnte die Staatsverschuldung bei 29,5 Prozent liegen. „Damit liegt Luxemburg weit unter den 60 Prozent, die die europäischen Regeln vorsehen.“
Eine große Steuerreform schloss Bettel aus, da es unverantwortlich wäre, diese heute auf Pump und Kosten zukünftiger Generationen zu finanzieren. „Dennoch muss das luxemburgische Steuersystem moderner und gerechter gestaltet werden, mit gezielten Steuererleichterungen, die die Mittelschicht erreichen“, sagte er. Die Regierung arbeite an konkreten Steuermaßnahmen, welche Finanzministerin Yuriko Backes (DP) am Mittwoch vorstellen werde. „Steuererhöhungen sind Gift für Unternehmen, vor allem in Krisenzeiten“, sagte Bettel. „Anstatt jetzt zu sparen, müssen wir dafür sorgen, dass es unserer Wirtschaft auch in Zukunft gut geht.“ Das Bruttoinlandsprodukt sei im vergangenen Jahr um 5,1 Prozent gewachsen, die Luxemburger Wirtschaft habe sich damit in Europa mit am besten erholt.
„Die Digitalisierung beginnt beim Staat“: Die Regierung wird einen Weltraumcampus auf Kockelscheuer einrichten und sich am europäischen Cloud-System Gaia.x beteiligen. Bis 2026 werden zwei Milliarden Euro für die Digitalisierung zur Verfügung stehen. Derzeit arbeitet die Regierung an einer „digitalen Geldbörse“, in der die Bürger ihre amtlichen Dokumente auf ihrem Mobiltelefon speichern können. Die Dokumente in diesem eWallet sollen zudem offline verfügbar sein und die gleiche Gültigkeit wie die Originalpapiere haben. In einem ersten Schritt sollen Personalausweis und Führerschein darin gespeichert werden können.
Bessere Vorbereitung auf weitere Pandemien
Die Regierung setze sich weiterhin für eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ein. Dazu sollen das Recht auf Teilzeitarbeit und das Recht auf Abschaltung eingeführt werden. Zur Wohnungsbauproblematik sagte Bettel, dass der Staat in erschwinglichen Wohnraum investieren und Bodenspekulationen bekämpfen müsse. „Die Bemühungen der Regierung beginnen, Früchte zu tragen.“ Staatliche Beihilfen und Investitionen müssten gerechter und zielgerichteter sein.
Zum luxemburgischen Gesundheitssystem sagte Bettel: „Das beste Gesundheitssystem ist nur so gut, wie es für die Patienten erschwinglich ist.“ Neben dem Neubau des CHL soll im nächsten Jahr auch der Bau des CHEM-Südspidol beginnen. Im kommenden Jahr soll zudem ein Plan im Bereich der psychischen Gesundheit verabschiedet werden. Deshalb ruft der Premier die Beteiligten dazu auf, anhand des Mediationsprozesses bald eine Lösung zu finden, damit Psychotherapien von der Krankenversicherung übernommen werden können. Die direkte und automatische Kostenübernahme soll ebenfalls ab 2023 in mehreren Schritten eingeführt werden. Auch wenn das luxemburgische Gesundheitssystem nie in Covid-Zeiten zusammengebrochen ist, müsse man auf eine zukünftige Pandemie besser vorbereitet sein. Die OECD, die eine Studie zum Luxemburger Pandemie-Management gemacht hat, hat dem Land eine gute Bewertung erteilt. Das Contact Tracing könne bei Bedarf reaktiviert werden.
In der Vergangenheit hat der Staat in diesem Bereich [unabhängige Presse] nicht alles richtig gemachtPremierminister
„Die Regierung arbeitet an einem Aktionsplan gegen Radikalisierung, der noch in diesem Jahr dem Parlament vorgestellt wird“, kündigte Bettel an. Die Presse sei ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Desinformation. „Für eine unabhängige Presse ist es mindestens genauso wichtig, so viele staatliche Informationen wie möglich zu erhalten. In der Vergangenheit hat der Staat in diesem Bereich nicht alles richtig gemacht“, gab er zu. Nach sechs Monaten sollen die seit diesem Sommer geltenden Regeln zur Informationsherausgabe (Überarbeitung des „circulaire Bettel“) evaluiert werden. Auch das Transparenzgesetz wird auf den Prüfstand gestellt.
Zum Abschluss sprach Xavier Bettel folgende Worte: „Ich verstehe die Sorgen und Ängste. Aber es gibt genügend Gründe, um die kommenden Wochen und Monate mit Optimismus und Mut anzugehen.“ Dazu habe man außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen, um den außergewöhnlichen Winter zu überstehen.
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„Wir leben in aussergewöhnlichen Zeiten“, seet de Bettel. An dât ass richteg a wouer. Mir hate nach nie esou eng inkompetent, arrogant a verlugen Regierung wéi elo. Hoffentlech net méi lâng.
Weini gett eigentlech Südspidol gebaut?