Unternehmen / Bewegung in der Luxemburger Glasindustrie
Nach nicht einmal zehn Jahren im Besitz der japanischen Unternehmensgruppe Carlex hat das auf die Herstellung von Glas für die Automobilbranche spezialisierte Werk aus Grevenmacher nun erneut den Besitzer gewechselt. Seit Anfang August ist es Teil der deutschen Webasto-Gruppe.
Das Werk nahe der Autobahn bei Potaschberg zählt zu den großen industriellen Produktionsbetrieben in Luxemburg. Hier werden auf über 50.000 Quadratmetern rund zwei Millionen Auto-Windschutz- und Heckscheiben pro Jahr hergestellt. Zu den Kunden des Werks zählen Automobilkonzerne wie BMW, Audi, Mercedes, Jaguar, PSA, Porsche oder Lamborghini.
Das Werk hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Gegründet wurde es im Jahre 1992 von der Unternehmensgruppe Guardian Industries. Es war nach Bascharage (Produktionsbeginn 1981) und Düdelingen (1988) der dritte Luxemburger Standort des Glaskonzerns aus den USA. Im Gegensatz zu den beiden anderen Werken war es jedoch nicht auf die Herstellung von Flachglas, sondern eben auf Autofenster spezialisiert.
Da die Produktion von Windschutzscheiben für Autos jedoch ein eigener, hoch spezialisierter Geschäftsbereich ist, hatte die US-Gruppe vor einigen Jahren entschieden, diese Geschäftssparte zu verkaufen. 2014 ging das Werk aus Grevenmacher somit an die japanische Gruppe Carlex – Central Glas über.
Ausbau und Modernisierung
Aller anfänglichen Skepsis zum Trotz wurde das Werk unter Carlex nicht vernachlässigt, sondern weiter ausgebaut und modernisiert. Mit Luxemburg als Standort sei man sehr zufrieden, da das Land zentral zwischen den unterschiedlichen europäischen Kunden in Deutschland, Frankreich und Belgien liegt, erklärte das Unternehmen im Jahr 2017. Damals wurde an der Errichtung einer neuen Produktionslinie sowie neuer Lagerräume für rund 25 Millionen Euro gearbeitet. Ziel der Investition war derweil nicht nur eine Steigerung des Volumens, sondern vor allem auch eine Modernisierung von Produktion und Produktpalette.
Nun, kaum acht Jahre nach dem Kauf durch Carlex, hat das Werk erneut einen neuen Besitzer. Seit dem 9. August 2022 gehört das Werk in Grevenmacher mit seinen rund 500 Mitarbeitern zur Webasto-Gruppe, so die deutsche Unternehmensgruppe in einer Pressemeldung. Webasto sieht sich als „globaler innovativer Systempartner der Mobilitätsbranche“ und zählt, den eigenen Angeben zufolge, zu den 100 größten Zulieferern der Automobilindustrie weltweit.
Hergestellt werden auf Potaschberg neben Windschutzscheiben und Heckfenstern auch Panoramadächer aus laminiertem und gehärtetem Glas. Die Glaskomponenten können je nach Kundenwunsch schallgedämpft, extradünn (für ein reduziertes Fahrzeuggewicht), heizbar (mit feinem Draht oder Metallschicht ausgestattet), infrarotes Licht abweisend (für niedrigeren Treibstoffverbrauch und erhöhten Komfort) oder mit integriertem Head-up-Display beziehungsweise integrierten Antennen ausgestattet werden.
Auf Carlex folgt Webasto
Das Produktangebot der zukaufenden Unternehmensgruppe aus Deutschland umfasst eigen entwickelte Dach-, Heiz- und Kühlsysteme für verschiedene Fahrzeugarten, Batterien und Ladelösungen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge sowie ergänzende Services rund um das Thermomanagement und die Elektromobilität. Zu den Kunden von Webasto zählen Hersteller von Personenkraftwagen, Nutzfahrzeugen und Booten ebenso wie Händler und Endkunden, schreibt das Unternehmen über sich selbst. 2021 erzielte die Gruppe einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Es beschäftigt rund 15.700 Mitarbeitende an über 50 Standorten. Der Hauptsitz der 1901 gegründeten Firma befindet sich in Stockdorf bei München.
Ein besonderes Interesse hat der Käufer an den technologischen Fachkenntnissen aus dem Werk auf Potaschberg. „Webasto steigt in die Produktion eines wichtigen Materials für innovative Autodachsysteme ein: Glas. Die Erweiterung seiner Kompetenzen ermöglicht dem Unternehmen die Erschließung neuer Marktpotenziale im Kerngeschäft“, ist auf der Unternehmenswebseite zu lesen. „Mit seinem neugewonnenen Know-how in der Glasproduktion ist Webasto in der Lage, intelligente Funktionen für mehr Komfort und Design zu integrieren.“
„Die Elektromobilität und das autonome Fahren haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Autodächern“, schreibt die Gesellschaft in ihrer Pressemeldung. „So steigt die Nachfrage nach immer ‚intelligenteren‘ Dächern für öffenbare und nicht-öffenbare Systeme. Dem Glas kommt hier eine besondere Bedeutung zu.“ Man freue sich jetzt, Automobilherstellern weltweit nun gemeinsam mit den neuen Kolleginnen und Kollegen in Luxemburg gut durchdachte innovative Ideen für die Mobilität der Zukunft anbieten zu können, wird der Vorstandsvorsitzende von Webasto, Holger Engelmann, zitiert.
Das gläserne Dach im Blick
Der neue Standort spiele für die Zukunft von Webasto eine wichtige Rolle, so das Unternehmen weiter auf Nachfrage des Tageblatt. „Das Luxemburger Werk mit seinen Spezialisten in Entwicklung und Produktion ist das erste und bisher einzige Glaskompetenzzentrum von Webasto und wird als solches konsequent weiterentwickelt. Geplant ist, die Produktion so auszubauen, dass dort auch Glaselemente mit innovativen Technologien von Webasto hergestellt werden können. Ziel ist es, die neuen Kolleginnen und Kollegen möglichst schnell in Kundenprojekte von Webasto einzubinden, gemeinsam spannende neue Projekte zu gewinnen und die gewachsenen Kundenkontakte der Luxemburger Glasexperten zu intensivieren.“
„Der Kompetenzaufbau in der Glasproduktion eröffnet uns viele neue Möglichkeiten, zum Beispiel in den Bereichen schaltbare Verglasung, ambiente Beleuchtung oder Solardächer“, ergänzt Freddy Geeraerds, verantwortlich für das Dachgeschäft der Unternehmensgruppe. Diese Funktionalitäten seien nicht länger nur im Premiumsegment gefragt, sondern zunehmend auch bei großvolumigen Fahrzeugen der Klein- und Mittelklasse. Darüber hinaus spiele ‚Smart Glass‘ auch bei autonom fahrenden Autos eine immer wichtigere Rolle, zum Beispiel in Hinblick auf Privatsphäre, Sicherheit und Unterhaltung.
Die Glasexperten in Grevenmacher werden künftig eng mit den Kollegen der Entwicklung und der Validierung für Dachsysteme im Headquarter in Stockdorf bei München zusammenarbeiten, so die Mitteilung weiter. Das Werk Carlex Glass Luxembourg wird in Webasto Luxembourg S.A. umbenannt.
„Der Grund für die Übernahme des Standorts war die herausragende Kompetenz der Mitarbeitenden hinsichtlich der für Webasto strategisch wichtigen, technologisch anspruchsvollen Aufbereitung von Glas für die Automobilindustrie“, so das Unternehmen weiter. „Wir brauchen die neuen Kolleginnen und Kollegen, um unseren Geschäftsbereich Dachsystem stärken und insbesondere in Richtung ,Smart Glazing‘ weiter ausbauen zu können.“ Man habe demnach alle rund 500 Mitarbeitenden übernommen. Des Weiteren „planen wir, auch weiter in den Standort zu investieren“. Die künftige Entwicklung von Webasto Luxembourg sei jedoch, wie die aller anderen Standorte der Gruppe auch, von der Entwicklung des Marktes und der Auftragslage abhängig.
Nur noch ein Werk von Guardian
Bei den beiden anderen Werken der Guardian-Gruppe in Luxemburg sieht die Lage durchwachsener aus. Nur noch eins ist heute aktiv. Im Juni 2020 hatte der US-Glashersteller das Herunterfahren des Ofens in Düdelingen sowie den Zusammenschluss der beiden verbleibenden Luxemburger Produktionsstätten angekündigt. Hintergrund der Entscheidung war, dass die Nachfrage nach Glas im Zentrum Europas deutlich niedriger sei als die Produktionskapazitäten, so der Konzern damals. Zudem hätte in einen neuen Ofen investiert werden müssen.
Anfang Mai 2021 hatten der US-Konzern und Luxemburgs Wirtschaftsminister Franz Fayot dann jedoch gemeinsam angekündigt, dass Guardian auch in Zukunft hierzulande noch Glas herstellen wird. Der Ofen zur Produktion von Flachglas in Bascharage werde mittels einer millionenschweren Investition modernisiert. Die Zukunft der industriellen Glasproduktion in Luxemburg soll so für die nächsten 15 bis 20 Jahre gesichert sein. Jedenfalls sei es eine Sicherung der 400 Arbeitsplätze und eine Perspektive für die Zukunft, so der Minister damals.
Vor wenigen Tagen hat die Luxemburger Regierung nun einen „Plan de maintien dans l’emploi“ mit Gewerkschaften und Unternehmensführung angekündigt. Ziel der Vereinbarung seien die Unterstützung der Umstrukturierung von Guardian Luxguard II (Düdelingen), die Entwicklung seiner Aktivitäten auf wettbewerbsfähige, moderne und nachhaltige Weise und die Schaffung eines Umfelds, in dem die Aktivitäten und Arbeitsplätze des Unternehmens in Luxemburg aufrechterhalten werden können, so die Regierung. Bis Ende 2024 sind die Arbeitsplätze somit abgesichert.
Guardian zählt seit vielen Jahren zu den Luxemburger Vorzeigebetrieben: Weltweit kommt das hierzulande hergestellte Glas in den Einsatz, so etwa beim höchsten Gebäude der Welt in Dubai, dem Burj Khalifa. Vor rund zehn Jahren, als die Gruppe hierzulande noch drei Produktionswerke – in Bascharage, Düdelingen und Grevenmacher – hatte, zählte sie mehr als 700 Angestellte.
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„Herstellung von Flachstahl, sondern eben auf Autofenster spezialisiert.“
Kann man durch Flachstahl sehen?
„von der Entwicklung des Marktes und der Auftragslage abhängig.“
Die Hintertür bei Konzernen ist immer wieder offen!
„Bis Ende 2024 sind die Arbeitsplätze somit abgesichert. “
Also doch, man darf noch bis Ende 24 …..