Agrarpolitik / Bioperspektive statt Kuhkuscheln: Umweltschützer reagieren auf den „Landwirtschaftsdësch“
Dass die Biovereinigungen und Umweltorganisationen nicht zu dem Treffen von Agrarministerin Martine Hansen und Umweltminister Serge Wilmes mit den Vertretern der Bauern eingeladen waren, begründete Erstere mit praktischen Ursachen. Umweltschützer sehen es eher als „nicht richtig“.
Insgesamt zeigten sich Greenpeace Luxemburg und der „Mouvement écologique“ zufrieden mit den Ergebnissen des „Landwirtschaftsdësch“, der zum ersten Mal von Agrarministerin Martine Hansen einberufen wurde und künftig zweimal pro Jahr in institutionalisierter Form stattfinden soll. Auch sei es richtig, dass Prozeduren vereinfacht werden sollen. Nach Ansicht der Umweltorganisationen seien die eigentlich wesentlichen Fragen nicht thematisiert worden. So könne der „Landwirtschaftsdësch“ als Anfang einer langfristigen Zusammenarbeit betrachtet werden. Eine Kooperation, bei der aber die Biobauern und Umweltverbände gerne mit von der Partie sein wollen.
Dass dies bei der ersten Ausgabe nicht der Fall war, konnte Daniela Noesen, die Direktorin der „Bio-Vereenegung“, nicht nachvollziehen. Sie wies aber auch darauf hin, dass ihre Vereinigung am kommenden Montag von der Ministerin empfangen werde. Also nur eine Frage der pragmatischen Vorgehensweise von Martine Hansen, die gesagt hatte, dass es weniger zielorientiert gewesen wäre, mit noch mehr Gesprächspartnern an einem Riesentisch zu diskutieren. So hatte sie sich vorerst für den nationalen Agrargipfel auf Schloss Senningen auf die in der Landwirtschaftskammer vertretenen Bauernrepräsentanten als ersten Ansprechpartner beschränkt. Was sicherlich eine pragmatische Herangehensweise war, weil weniger konfliktbehaftet als gleich alle Akteure auf einmal am Tisch.
Zumindest sieht es Daniela Noesen „erst mal positiv“, wie sie gegenüber dem Tageblatt sagte. „Ich bin sowieso der Meinung, dass die Biolandwirtschaft ein eigener Faktor ist“, so die Direktorin der „Bio-Vereenegung“. „Außerdem können wir uns bei dem Gespräch dann ganz auf die Biothemen konzentrieren.“ Es wird das erste Treffen mit der Agrarministerin sein. „Dass wir Gespräche führen, ist das Allerwichtigste“, so Daniela Noesen. Auch habe der Präsident der Landwirtschaftskammer, Guy Feyder, unlängst bei der RTL-Sendung „Kloertext“ seine Bereitschaft erklärt, dass die Umweltorganisationen mit zum „Landwirtschaftsdësch“ eingeladen werden.
Bedarf nach mehr Diversifizierung
Zu dessen Ergebnissen sagte „Mouvement écologique“-Präsidentin Blanche Weber gegenüber 100,7, dass eine Reihe struktureller Fragen nicht thematisiert worden seien. Das nächste Treffen müsse mehr an die Substanz gehen, schließlich gehe hierzulande die Zahl der Bauernhöfe mehr und mehr zurück. „Wir haben auch zum Teil ein Problem, was die Nachfolge in den Betrieben angeht. Und wir haben das Problem von Sektoren, bei denen es auch ökonomisch nicht so funktioniert.“
Blanche Weber sprach auch den Bedarf nach einer verstärkten Diversifizierung an. Die Landwirtschaft sei, wie sie heute organisiert sei, „Mitverursacher der Biodiversitätskrise“. Die Debatte über die Entwicklung der Landwirtschaft müsste auch für andere Akteure geöffnet werden. Auch die Umweltverbände müssten beim nächsten „Landwirtschaftsdësch“ miteingebunden werden, um fundamentale Fragen der Agrarpolitik anzugehen.
Das Ziel sei schließlich eine nachhaltige Landwirtschaft, betonte Raymond Aendekerk, der geschäftsführende Direktor von Greenpeace und selbst seit Jahren in der Biolandwirtschaft aktiv. In seinem Beitrag für das dieses Jahr unter der Leitung der grünen Europaabgeordneten Tilly Metz erschienene Buch über „Die soziale Dimension des ökologischen Wandels“ beschreibt er „die soziale Herausforderung einer gemeinwohlorientierten und biologischen Landwirtschaft“. Im Tageblatt-Gespräch warnte er davor, dass die ökologischen Anforderungen nicht erfüllt werden. Damit dies gelingen könnte, bedürfe es einer Reduzierung des Rinderbestandes. „Wir brauchen mehr Resilienz, indem wir den Tierbestand anpassen“, forderte Aendekerk.
Der Frage, wie viele Kühe überhaupt nachhaltig sind, ist das Projekt „Simba“ von mehreren Forschungsinstituten wie LIST und IBLA nachgegangen: Würde man die Rinder in Luxemburg ausschließlich mit Grünland und dem hierzulande erzeugten Feldfutter ernähren, würde die Luxemburger Fläche ausreichen, um 60.000 Rinder zu halten. Derzeit sind es jedoch fast 200.000 Rinder. Für sie fehlt das nötige Futter, sodass sie mit Kraftfutter aus Mais, Getreide und Soja gefüttert werden. Nachhaltig hingegen wäre, wenn nur so viele Tiere gehalten werden, die mit dem zur Verfügung stehenden Grünland ernährt werden können.
Auch dürfe, was das Bauen in den Grünzonen betrifft, dies nur „zum Vorteil des Tierwohls“ geschehen. Gut findet der Greenpeace-Chef, dass künftig Quereinsteiger verstärkt gefördert werden. „Wir brauchen neue Leute, die auch interessante Projekte bringen“, so der Umweltschützer, „und neue Ideen.“
Dass die Regierung gegenüber den Landwirten auf „Kuhkuschelkurs“ sei, wie die woxx kürzlich schrieb, mag nicht primär auf deren Tierfreundlichkeit zurückzuführen sein. Ministerin Hansen geht es vielmehr um einen „institutionalisierten Dialog“, wie sie im Tageblatt-Interview kürzlich sagte: „ich denke, dass dies ein sehr wichtiges Instrument sein wird. Allerdings wird auch der Druck sehr hoch sein. Denn wir müssen gemeinsam Lösungen suchen, die für die Landwirte praktikabel sind“. Andererseits fehle der Biolandwirtschaft momentan die Perspektive, kritisiert die „Vereenegung Biolandwirtschaft“. „Großunternehmen aus Landwirtschaft, Lebensmittelwirtschaft und Handel“ dirigierten Politik und Gesellschaft – ohne dass auf ethische Grundsätze geachtet werde.
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Diese Bio Ayathollas wollen aus unseren Bauern Landschaftsgaertner machen , die auf keinen Fall das Liebesleben eines Rebhunpaares stoeren duerfen . Aus diesem Grund muessen wir Lebensmitteln aus Laendern importieren die sich einen feuchten Kehricht um Umweltauflagen kuemmern , und im selben Zug auch noch die Preise nach unten druecken .
@ fräulin smilla: wir müssen durchaus auch Bio-Produkte aus Nachbarländern importieren, deren Produzenten die Umweltauflagen einhalten (und die Preise nach oben treiben).Das liegt wohl daran, dass die Anbaufläche in unserem Ländchen nicht nur begrenzt ist, sondern bei wachsender Bevölkerungszahl und damit verbundener steigender Landerschliessung für den Wohnungsbau, auch noch abnimmt!
Ein Wirtschaftsmodell, das blind auf unbegrenztes Wachstum setzt, und die Augen – in ‘Nach-mir-die-Sintflut’-Manier – vor den unvermeidlichen Folgen schliesst, nutzt schlussendlich nur einigen Wenigen, die hoch und bequem an den Schalthebeln sitzen.
Atom Heart Mother 😂