/ „Microlax“ und „Wounded Knee“ brachten kompromisslosen Hardcore-Punk nach Esch – und in die Welt
Die Punk-Band Microlax hat keines ihrer sieben oder acht Konzerte im Escher „Schluechthaus“ gespielt und auch nie dort geprobt. Sie hat auch nie eine eigene Platte herausgebracht. Trotzdem spielen Microlax eine zentrale Rolle in der luxemburgischen Hardcore-Punk-Geschichte. Denn mit Microlax wurde der Grundstein für die wohl härteste und brachialste Schluechthaus-Band Wounded Knee gelegt. Andererseits ging aus Microlax die viel sanftere „Emo-Core“-Band Because hervor, die sich bewusst vom damals vorherrschenden Härter-schneller-lauter-Trend abgrenzte.
Die Idee, eine Band zu gründen, kam Christian „Schof“ Schaeffer nach dem Besuch eines Subway-Arts-Konzerts im Sommer 1989. Es sei das beste Konzert gewesen, das er je in Luxemburg gesehen habe, berichtete er seinem Freund Marc „Brego“ Bregoli. Schof war seit seiner Kindheit als Trommler bei der „Fanfare Concorde Sanem“ aktiv. Schon in frühen Jahren hatte er davon geträumt, in einer Hardrock-Band wie den Scorpions zu spielen.
Mit dem Gitarristen Frank Kayl und den Brüdern Jérôme und Philippe Kralj begann Schof im Saal der „Fanfare Concorde“ zu proben. Die Band nannte sich Purple Nasty, der Name eines alkoholischen Gesöffs, das Schof in einem Feriencamp in England kennengelernt hatte. Sie spielten Grindcore. Dan „Don“ Luciani kam als Sänger dazu. Er schrieb den Text zu „Poopst hal d’Maul“, dem Lied, das später der „Hit“ von Microlax werden sollte. Ein anderer Song von Purple Nasty hieß „Foyer de la Flemme, schéisst op si mat Steng“. Es war der örtlichen „Foyer de la femme“-Sektion gewidmet, die ihren Versammlungsraum unter dem Probesaal der Band hatte und sich wegen des Krachs ständig beschwerte.
Marc „Brego“ Bregoli (46) und Thierry „Fësch“ Thill (44)
Don verließ Purple Nasty, noch bevor sie ein Konzert spielen konnten. In der Folge gründeten Schof und Frank Kayl mit dem Bassisten Brego und Sänger Marc „Gartie“ Schramer die Band Microlax. Sie verlegten ihren Probesaal in den Keller der Apotheke von Garties Vater in der Escher Alzettestraße. Der Name Microlax bezieht sich auf ein Abführmittel, das die Mutter eines der Bandmitglieder in den Ferien auf dem Campingplatz benutzen musste, weil sie die Plumpsklos hasste.
Vor einer der ersten Proben seien sie in der Alzettestraße Diff und Fränz von Subway Arts (siehe Teil 3 dieser Serie) begegnet. Diff habe sie angeschrien: „Ich habe gehört, ihr wollt eine Band gründen. Wollt ihr uns nachmachen? Was soll das? Das geht nicht. Ihr macht keine Band!“, erzählt der heute 46-jährige Brego. Daraufhin hätten sie entschieden, erst recht eine Band zu gründen.
Ihr erstes Konzert haben Microlax 1990 in einem Café in der Escher Kanalstraße gespielt. Schon vor oder noch während des ersten Songs verließ ihr Sänger den Raum und kam nicht mehr zurück. Alain „Schlaak“ Graf, der gelegentlich bei Proben dabei gewesen und an dem Abend im Publikum war, sprang spontan ein. Nur kurze Zeit später stieß Michèle Marnach als zweite Sängerin hinzu. Nach dem Vorbild der englischen Anarcho-Punk-Band Crass hatten Microlax nun abwechselnd eine weibliche und eine männliche Stimme. „Danach ging es etwas ernsthafter weiter“, sagt Brego.
Doch Gitarrist Frank Kayl hatte immer weniger Zeit und wollte sich musikalisch weiterentwickeln. „Sich musikalisch weiterzuentwickeln war damals verpönt. Frank Kayl war großer Bluesfan und Bluesmusiker waren unsere Erzfeinde“, scherzt Brego. Kayl sei zudem von Schof gemobbt worden, weil er auf der halbakustischen Gitarre seines Vaters Raymond gespielt habe, der laut Don früher Mitglied der Blues-Band Poor Boys war.
Knackpunkt
1991 fanden Microlax mit Stéphan Mackel einen neuen Gitarristen. „Ich war aktiv auf der Suche nach einer Ausdrucksform, die dem entsprach, was ich gefühlt habe. Es war das Gefühl, Underdog zu sein, nicht dazuzugehören“, erinnert sich Stéphan. Er hörte damals Jerry Lee Lewis und Die Toten Hosen. Doch diese Künstler seien ihm zu Mainstream gewesen, die politische Message habe gefehlt. The Clash kamen seiner Vorstellung am nächsten, doch der Knackpunkt kam erst, als Schof ihm eine Kassette mit Songs von Bad Religion, 7 Seconds und Black Flag aufnahm. „Ich erinnere mich ewig an den Opener von Suffer, ‚You Are (The Government)’“, sagt der ausgebildete Gitarrist. „Als ich das zum ersten Mal gehört habe, wusste ich, das ist es.“
Mit Stéphan Mackel verlegten Microlax ihren Proberaum ins Differdinger Jugendhaus, wo sie wegen „unzüchtigen Verhaltens“ ihres Drummers schnell wieder rausflogen. Schof hatte mit seiner Freundin Claudia auf einem Sofa rumgefummelt. Dabei wurden sie vom Sozialarbeiter auf frischer Tat ertappt.
Stéphan Mackel und René Penning (47)
Danach durften sie in Niederkorn bei Stéphans Eltern im Keller proben. Doch diese Lösung war offenbar auch nicht ideal: „Sein Vater hat Sauerkraut eingeweicht und war leidenschaftlicher Jäger. Im Keller hingen regelmäßig tote Rehe. Das hat nicht gut gerochen“, meint Brego.
Mit Stéphan als Gitarristen spielten Microlax die meisten Konzerte. Insgesamt waren es etwas mehr als ein halbes Dutzend, vornehmlich im Süden und in der Hauptstadt. Sie traten mit T42 auf Limpertsberg und mit Elvis Just Left The Building im „Joe’s Garage“ in Differdingen auf. Eines der letzten Konzerte fand im Jugendhaus der Stadt Luxemburg statt. Mit dem Schluechthaus hatten Microlax zu der Zeit noch nicht viel zu tun. „Wir hingen bei Elvis Just Left The Building und Waiting For GM im Probesaal und haben Nazz Nazz beim Spielen zugesehen. Wir waren ein bisschen neidisch auf die Bands, die dort einen Raum hatten“, erzählt Brego. Das sollte sich bald ändern.
Anfang 1992 gingen aus Microlax zwei Bands hervor, die trotz ähnlicher Einflüsse unterschiedlicher nicht sein konnten.
Nach der Auflösung von Microlax wollten Sängerin Michèle und Bassist Brego zusammen mit Thierry „Fësch“ Thill im Schluecht haus eine Emo-Core-Band gründen. Fësch war Microlax-Fan und hatte die Band bei ihren letzten Auftritten auf der Violine begleitet. Er hatte sich ein Drum-Set gekauft und spielte Microlax-Stücke zuhause nach.
„Ich habe damals viel Sonic Youth und Born Against gehört. Ich war kein Fan der ganz schnellen Sachen mehr“, erzählt Brego. Sängerin Michèle, Bassist Brego und Schlagzeuger Fësch probierten es mit dem Gitarristen Steve Eiffes, doch diese Musikrichtung sei nicht sein Ding gewesen. Erst als sie den Metal-Fan Alain „Gull“ Gouleven mit ins Boot nahmen, wurde das Projekt konkreter. Der Name der Band lautete My Pussy’s Dead. Nach dem ersten Konzert benannten sie sich in Because um.
Schnitte im Gesicht
Drummer Schof und Gitarrist Stéphan gründeten ihrerseits die Hardcore-Band Wounded Knee. Während ihrer Microlax-Zeit hatten sie New-York-Hardcore entdeckt. Bands wie Gorilla Biscuits, GO!, SFA, Cro-Mags, Born Against, Rorschach, Citizens Arrest und Minor Threat aus Washington DC seien die Haupteinflüsse von Wounded Knee gewesen, sagen Stéphan und Schof. Einige dieser Bands spielten Anfang der 90er im Autonomen Jugendzentrum im saarländischen Homburg, wo die Luxemburger Punks regelmäßig hinfuhren.
Mit Dan „Don“ Luciani am Bass und René Penning an der zweiten Gitarre begannen Wounded Knee Ende 1991 im Keller von Stéphans Eltern zu proben. Mit Sänger Philippe „Phlëp“ Tanson war die Band komplett.
Wounded Knee klangen weitaus schwermütiger und härter als die meisten anderen Schluechthaus-Bands. Ihre Stücke sind gekennzeichnet von Wechseln aus schnellen und langsameren Passagen. Phlëps Screamo-Gesang hatte es bis dahin in Luxemburg noch nicht gegeben. „Für diese Art von Gesang hatte er eine Begabung. Er sang ohne Voice-Effekte, das war beachtlich. Phlëp hatte entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von Wounded Knee“, sagt Stéphan. Neben dem Talent fürs Schreien verfügte Phlëp über eine ausgesprochene Bühnenpräsenz, die durch sein prägnantes Stage-Acting noch verstärkt wurde. „Er konnte den Funken entzünden, der übersprang. Er hatte das Auge des Tigers“, schmunzelt Stéphan.
Punk-Performance
Zu Phlëps vom New Yorker Punk-Sänger und Performance-Künstler GG Allin beeinflussten Bühnenshows gehörte auch, dass er auf der Bühne Feuer spuckte und sich während eines Konzerts mit einer Glasscherbe das Gesicht aufschlitzte, bis das Blut in Strömen floss und er nach dem Konzert in die Notaufnahme musste. Ein anderes Mal setzte er sich eine Krone aus Stacheldraht auf und bei einem Konzert in Leverkusen beschmierte er sich mit seinem eigenen Kot. Dadurch wurden die Auftritte von Wounded Knee bisweilen zu wahrhaftigen Punk-Performances.
Ihr erstes Konzert spielten Wounded Knee am 27. März 1992 mit der New Yorker Hardcore-Band Yuppicide im Speichersaal des Schluechthaus. Kurze Zeit später verließ Don „wegen zwischenmenschlicher Differenzen“ die Band. René wechselte an den Bass und wurde von Claude „Pattex“ Werer an der zweiten Gitarre abgelöst.
1993 veröffentlichten Wounded Knee in Eigenregie ihre erste Demo-Kassette „Not Proud Of My Race. Not Proud Of My Country“ (Auflage 800 bis 1.000), die sie im Basement Studio von Martin Wagnitz in Wolfhagen (D) aufgenommen hatten. Vor allem in Deutschland kam die Aufnahme gut an. „Ein Kritiker im deutschen Fanzine ZAP schrieb: ‚So muss Hardcore heute klingen.‘ Das war ein Türöffner fürs Ausland. Wir konnten raus aus Luxemburg und in der vernetzten europäischen Hardcore-Szene Konzerte spielen“, erzählt Stéphan.
Die Texte von Wounded Knee waren sehr engagiert. Tierausbeutung, Krieg, Rassismus, Kapitalismus und Religion wurden ebenso kritisiert wie die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen. Wie No More wurden auch Wounded Knee stark von der aus Amerika stammenden Straight-Edge-Bewegung (SxE) beeinflusst. „Straight Edge ist vielleicht das, was das Ganze für mich anders gemacht hat, was den Ausschlag gegeben hat“, sagt Stéphan. Aber nicht in dem Sinn „Don’t smoke, don’t drink, don’t fuck“, wie es in dem Song „Out Of Step“ der SxE-Band Minor Threat heißt. Für ihn bedeute SxE, „ich gehe keinem auf den Senkel, ich respektiere die anderen und achte ihre Grenzen“, meint der studierte Erziehungs- und Sozialwissenschaftler, der zum Teil auch die Texte bei Wounded Knee geschrieben hat.
Straight Edge
Erst SxE habe den positiven, aktivistischen Do-it-yourself-Gedanken in die Punk-Szene eingeführt, meint Stéphan. Durch SxE habe die No-Future-Einstellung der frühen Punks, volltrunken in Fußgängerzonen zu lungern und Leute anzupöbeln oder zu schockieren, überwunden werden können. Seine Einstellung beschreibt er wie folgt: „Die Welt ist scheiße, es gibt so viele strukturelle, politische, wirtschaftliche, rassistische, sexistische und homophobe Gewalt. Du kannst vielleicht keine Revolution starten, aber du kannst dagegen vorgehen.“
Die Ambivalenz des Hardcore beruhe einerseits auf der Rock’n’Roll-Tradition, das Leben zu genießen, sich zu besaufen, Drogen zu nehmen und Sex zu haben. Andererseits gebe es auch den „ganzen Scheiß“, den man identifizieren könne, wenn man sich interessiere, lese, Augen und Ohren öffne. „Diese Bipolarität war es, die ich damals gesucht habe“, erklärt Stéphan.
Dass Wounded Knee in der europäischen Hardcore-Szene Fuß fassen konnten, war nicht allein ihrer Musik und ihrer Einstellung, sondern auch der Vorarbeit des gut vernetzten Subway-Arts-Gitarristen und No-More-Sängers Steve „Diff“ Differding zu verdanken: „Ich kann Diff nicht genug Respekt zollen. Er hat unheimlich viele Bands und Connections nach Luxemburg gebracht und Sachen auf die Beine gestellt“, sagt Stéphan.
1993 kamen Wounded Knee zu Strive Records, einem Sub-Label von X-Mist Records, das zu den einflussreichsten Plattenlabels in der deutschsprachigen Hardcore-Szene zählt. Auf Strive Records brachten Wounded Knee die 7-inch „Psycho Path“ in einer Auflage von 3.000 bis 4.000 Stück heraus. Später folgten Splits mit Luzifers Mob aus Deutschland und der US-Band Capitalist Casualties.
Oben auf der Welle
Wounded Knee hatten schnell ihren eigenen Sound gefunden. „Ich hatte nie das Gefühl, dass wir etwas anderes kopiert haben. Wir waren ein Schiff, das auf einer Welle mitgeschwommen ist, doch nicht im Fahrwasser von anderen hinterherschwamm“, sagt Stéphan. Eine Zeit lang waren Wounded Knee sehr erfolgreich in der Szene. Die meisten ihrer rund 100 Konzerte spielten sie im Ausland. Sie tourten durch Deutschland, Belgien, Frankreich, Tschechien und Slowenien. „Wir haben fast jedes Wochenende gespielt. Ich weiß nicht mehr, wie lange dieser ‚Wahnsinn‘ gedauert hat“, sagt Stéphan.
Obwohl keine andere Band öfter im Schluechthaus aufgetreten ist, wurden die Medien in Luxemburg erst im Kulturjahr 1995 auf Wounded Knee aufmerksam. Im Juli porträtierte Journalist Raymond Klein die Band für ein Dossier über Luxemburgs Rockszene in der Monatszeitschrift Forum und Josée Hansen schrieb in der Wochenzeitung D’Lëtzebuerger Land : „Dans ce milieu (underground), les excellent Wounded Knee sont connus sur la scène internationale. À Luxembourg, le commun des mortels, même jeune, ne connaît souvent même pas leur style de musique, le hardcore.“
1995 begannen die enge Verbundenheit und das Einheitsgefühl im Schluechthaus zu schwinden. Der „Cercle fermé“ aus 30 bis 40 Leuten, wie René Penning ihn beschreibt, der hohe ethische Standards hatte, kompromisslos gegenüber Andersdenkenden war und in den es „relativ schwer reinzukommen“ war, befand sich in der Auflösung. Dank Nirvana und MTV wurden Hardcore, Punk und Underground-Musik kommerzialisiert und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Renovierung öffnete sich das Schluechthaus und ließ immer häufiger auch andere Meinungen, Musikstile und Ausdrucksformen zu. Die Kritik, die von außen eindrang, begann in Selbstkritik überzugehen.
Selbstkritik
Because waren eine der ersten Bands, die sich kritisch mit der Hardcore-Szene auseinandersetzten. Ihr erstes Konzert spielten sie am 2. Oktober 1992 mit der italienischen Punk-Band Kina und Elvis Just Left The Building im Schluechthaus. Ihr etwas gemächlicherer und zum Teil von Seattle-Grunge beeinflusster „Emo-Core“ kam sofort gut an.
Sie wollten ein Zeichen gegen den damals vorherrschenden Härter-schneller-lauter-Trend und die zunehmende „Uniformisierung“ setzen, die sich durch den Einfluss der Straight-Edge-Bewegung in der Szene breitmachte. Wegen ihrer unkonformistischen Haltung bezeichneten die Mitglieder von Because sich gerne als „meistgehasste“ oder „meistignorierte“ Band in der Hardcore-Szene. Auch wenn Because bewusst auf plakative politische Texte verzichteten, teilten die Bandmitglieder die antifaschistischen und antispeziesistischen Überzeugungen der Szene. Sängerin Michèle konnte sich als eine der wenigen weiblichen Schluechthaus-Musikerinnen glaubhaft für feministische Belange einsetzen. 1995 gab sie, zusammen mit einem Dutzend anderer Frauen aus der europäischen Hardcore-Szene, dem belgischen Fanzine Tilt! ein Interview zu Themen wie Feminismus, Sexismus und Geschlechterstereotypen.
Noch ein paar schlimme Kotz-Geschichten
Das einzige Demotape von Because mit dem Titel „Some More Ugly Puke Stories“ verkaufte sich gut. Insgesamt hat die Band rund ein Dutzend Konzerte gespielt, das letzte im Dezember 1993 mit der schottischen Anarcho-Punk-Band Oi Polloi im „Vort’n Vis“ in Ieper. Danach hat sie sich „betrunken im Streit“ aufgelöst, erzählt Fësch. Er wurde neuer Schlagzeuger bei Subway Arts und gründete ein Jahr später zusammen mit Gull und den Überbleibseln von Subway Arts die Hardcore-Band D’Rotzbouwen. Noch bis vor wenigen Jahren war Fësch als Schlagzeuger und Gitarrist in unterschiedlichen Bands aktiv.
Michèle und Brego hatten schon 1993 mit Schof, Stéphan und Monique Rodrigues ein weiteres Emo-Core-Projekt gestartet. Diese Band namens Anchoress kam auf zwei Lieder und spielte nur ein Konzert. Ihre Hauptbeschäftigung hat laut Brego darin bestanden, vor den Proben gemeinsam vegetarische Gerichte zu essen, die die Bandmitglieder zuhause gekocht hatten. Nach einem Jahr waren Anchoress Geschichte.
Wounded Knee existierten offiziell bis 1997. Pattex und René verließen schon Anfang 1996 die Band und wurden durch den Def-Dump-Gitarristen Marc Pierrard und -Bassisten Jérôme Duscherer ersetzt. Zu dem Zeitpunkt war die Luft bereits raus.
„Wounded Knee waren wohl die Band, die am meisten Leute in Luxemburg dazu bewegt hat, eine Gitarre in die Hand zu nehmen oder ihren Sound zu ändern“, urteilt Diff heute. Das mag insbesondere für Metalcore-Bands wie Desiderata oder Def Dump und indirekt auch für die 2004 gegründeten Do Androids Dream Of Electric Sheep? gelten. Nach der vorübergehenden Schließung des Schluechthaus im Sommer 1996 hat sich die luxemburgische Rockszene aber immer weiter diversifiziert und schrittweise professionalisiert. Aus der Escher DIY-Szene gingen Bands wie Toxkäpp! oder Surf Me Up, Scotty hervor, die noch heute aktiv sind. Während die einen mit Oi-Punk begannen, doch schnell zum Ska-Punk übergingen, spielen die anderen Surf- und Garage-Rock.
Nachfolger sind weniger radikal
In Schifflingen ließ sich eine kleine Szene nieder, die sich an Grunge, Stoner- und 70ies-Rock orientierte. Nach der Wiedereröffnung der Kulturfabrik im Jahr 1998 entstand rund um das bis heute aktive Schalltot Collective eine lebendige Postrock-Szene, die aber weit weniger politisch war und sich dem Mainstream nicht verschloss. Gleiches gilt für das im Jahr 2000 gegründete Punk-Label Winged Skull.
Ein Teil der Escher Punk- und Hardcore-Bewegung lebte von 1996 bis 1999 im „Schwaarzen Drot“ in Bonneweg weiter. Doch auch dort bildeten sich immer mehr Indie- und Postrock-Bands.
„Generationsbrüche“, nennt Stéphan diese Entwicklung. Er bereue nichts, er wünsche sich diese Zeit manchmal zurück: „Im Schluechthaus hatte ich einige der besten Momente meines Lebens“, sagt der 46-Jährige. Vor fünf Jahren spielte er noch mit Fësch, Fränz Laureys und dem früheren Def-Dump-Drummer Dirk Mechtel in der Pop-Punk-Band Accent Grave. Nach einer Demo-CD und mehreren Konzerten lösten sie sich vor zwei Jahren auf.
René hat seine Frau Sandra im Schluechthaus kennengelernt. Er sei kein Nostalgiker, doch er habe viel von damals mitgenommen. Als Verwaltungsdirektor der Kulturfabrik asbl. ist sein Leben noch heute eng mit dem früheren Schluechthaus verbunden.
- Esch2022: Das Vertrauen in die Europäische Kulturhauptstadt schwindet weiter - 27. Dezember 2020.
- Im Escher Krankenhaus herrscht auf allen Ebenen Unruhe - 25. Dezember 2020.
- Corona kostet Luxemburger Staat bislang 4,4 Milliarden Euro - 16. Dezember 2020.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos