In den USA / Bis zu 270 Millionen Dollar in fünf Jahren: SES-Tochter sichert sich weiteren langfristigen Vertrag
Während die Luxemburger Satelliten-Betreiber SES mit ihrem „Astra“-Programm einst vor allem Pioniere in der Berieselung von Millionen TV-Zuschauern waren, bildet die „Connectivity“, also etwa die Versorgung mit Internet per Satellit, längst ein wichtiges Standbein des Geschäfts. Eine spezialisierte Tochterfirma versorgt ausschließlich Regierungsbehörden und, vor allem, das Militär in den Vereinigten Staaten.
Das Geschäft des luxemburgischen Satellitenbetreibers SES wandelt sich seit Jahren, zwangsläufig: Die einstige Kernkompetenz, nämlich die Versorgung mit Fernsehprogrammen, bringt der Firmengruppe mit Sitz in Betzdorf immer noch „viel Cashflow“, wie Geschäftsführer Steve Collar im Mai gegenüber dem Tageblatt erklärte. Allerdings sei auch klar, dass „die Verkäufe nicht mehr zulegen“. Unter den neu angestrebten Umsatzmöglichkeiten sei der Bereich Netzwerke und Konnektivität in den vergangenen Jahren stark gewachsen – auf rund eine Milliarde Euro beim Umsatz.
Ein wichtiges Standbein ist dabei die Gesellschaft „Space and Defense“, die ausschließlich Dienstleistungen für Regierungsbehörden und das Militär in den USA erbringt. Das Geschäft konnte jetzt ein weiteres Mal bedeutend ausgebaut werden, wie die hundertprozentige SES-Tochter nun verlautbart:
Demnach konnte der Zuschlag für ein „Blanket Purchase Agreement (BPA)“ mit dem US-Verteidigungsministerium verbucht werden: Dabei handelt es sich um einen Rahmenvertrag, der über einen Zeitraum von fünf Jahren läuft und ein Maximalvolumen von knapp 270 Millionen Dollar umfasst. Diese Summe kann eingenommen werden, muss es aber nicht. Die erzielten Erlöse können auch geringer sein – je nachdem, wie häufig das Militär Dienstleistungen von „SES Space and Defense“ nachfragt. Angesichts der aktuellen Weltlage, in der sich im Nahen Osten nach der Ukraine gerade der nächste Konflikt-Hotspot aufheizt, dürfte aber von einer regen Nachfrage auszugehen sein.
Hohe Datenraten, kurze Latenz
Konkret gehe es um Dienste von „HTS-Satelliten im Medium Earth Orbit“, also von Kommunikationssatelliten, die sehr hohe Datenraten leisten und sich zudem deutlich näher an der Erde befinden – wodurch auch noch sehr kurze Signallaufzeiten entstehen – was etwa für die Aufklärung, umso mehr aber in der Steuerung von Drohnen und anderem Kriegsgerät unerlässlich ist.
Allerdings umfasst das Leistungsabkommen nicht nur Nutzungsanteile des digitalen „Payloads“ der Satelliten, sondern auch „Fernzugriffs-, Überwachungs- und Kontrolldienste, Leasing und Verkauf von Satellitenterminals, Unterstützung durch Außendienstmitarbeiter, Schulungen und terrestrisches Backhaul“ (Letzteres bezeichnet die Integration von bestehenden Netzwerken).
Der jetzt anlaufende Vertrag schließt sich an ein auslaufendes BPA an, das ebenfalls eine Laufzeit von fünf Jahren hatte – und noch eine deutlich höhere „Decke“ von mehr als 500 Millionen US-Dollar aufwies. Sowieso sind die Verbindungen zwischen SES und dem US-Militär eng und vielfältig: In den Fußnoten zur aktuellen Mitteilung heißt es sogar, die US-Tochter „Space and Defense“ (SES-S&D) sei bereits „mehr als vier Jahrzehnte“ auf dem Markt für Satellitenkommunikation der US-Regierung vertreten – und das, obwohl die Muttergesellschaft als „Société européenne des satellites“ überhaupt erst 1985 gegründet wurde.
Allerdings hat auch „Space and Defense“ längst eine Anzahl von Unternehmenszukäufen getätigt, die ihrerseits ebenfalls längst am Satellitenmarkt aktiv waren – vergangenes Jahr etwa das Verteidigungsunternehmen „Leonardo DRS“. (In diesem Zusammenhang gab sich die SES-Gesellschaft auch den griffigen neuen Namen, der zuvor „Gouvernment Solutions“ lautete.)
Von Troja bis Hydra
Nach Angaben des „Space and Defense“-Chefs David Fields in einer Firmenpublikation handelte es sich bei DRS lediglich um einen „Integrator“, der seine Kunden mit den für ihre Zwecke passenden Satellitenunternehmen zusammenbrachte, selbst aber keine Satelliten betrieb – dafür aber ein „bedeutendes terrestrisches Netz sowie Teleport- und Netzbetriebskapazitäten“ hatte, das zudem den strengen Sicherheitsanforderungen der US-Regierung genügte: Mit dem Zukauf vereinige man „eine Organisation, die mehr als 10.000 Terminals in Regierungsnetzwerken verwaltet, mit einem Satellitenanbieter, der über ein umfassendes Know-how in der Bereitstellung erstklassiger Satellitenkommunikation aus verschiedenen Umlaufbahnen verfügt“, überschlug sich Fields in Superlativen.
Tatsächlich ist das Interesse des Militärs an den Leistungen von SES ungebrochen groß, die Liste der entsprechenden Projekte lang: So konnte etwa im Mai 2022 ebenfalls ein weiterer Fünfjahresvertrag mit der Army abgeschlossen werden im Rahmen des Betriebs von „Trojan“, dem laut SES-S&D „führenden Geheimdienstnetzwerk der US-Armee“. Den ersten entsprechenden Vertrag konnte die SES-Tochter bereits 1998 sichern.
Eine weitere Plattform namens „Hydra“ wurde sogar komplett von S&D „ausschließlich für die US-Regierung und das Militär entwickelt“: Dabei handele es sich um ein „modulares, webbasiertes Überwachungs- und Kontrollsystem, das in einem einzigen einheitlichen Einsatz ein umfassendes Situationsbewusstsein bietet“, heißt es.
„Proxy Board“ als Firewall für Geheimnisse
Während den Betreibern gewaltiger Waffenarsenale so viel „Situationsbewusstsein“ verschafft wird, machen sich Kritiker Sorge, ob darüber nicht ein anderer Überblick verloren geht – nämlich dazu, was alles mit dem Kriegsgerät angestellt wird. So wird S&D etwa über ein „Proxy Board“ betrieben, was eine US-spezifische Anforderung ist: Dabei besteht der Vorstand ausschließlich aus US-Bürgern, die die ausschließlichen Adressaten für extrem sensible Informationen sein dürfen: „Auf diese Weise werden die geheimen Informationen des Unternehmens vor der Ausbeutung durch Ausländer ‚isoliert‘, die Muttergesellschaft profitiert jedoch weiterhin von den Gewinnen ihrer Tochtergesellschaft“, beschreibt das Online-Lexikon Wikipedia den Sinn einer solchen Einrichtung.
Die Frage nach der Verantwortung
Doch manches, was man nicht wissen soll, kommt dann doch heraus: Im Dezember 2021 belegte etwa die New York Times nach aufwendigen Recherchen per „Civilian Casualty Files“, dass die USA beim Drohnen-Krieg in Afghanistan wissentlich tausende zivile Opfer in Kauf genommen hatten.
Während es in Deutschland zumindest eine sehr öffentliche Debatte dazu gab, ob das Land sich an den umstrittenen Drohneneinsätzen, etwa in Afghanistan oder im Irak, nicht indirekt beteiligt, wenn die Flugkörper über die US-Basis Ramstein ferngesteuert werden, bleiben Diskussionen über die Einbindung Luxemburgs in den militärisch-industriellen Komplex eher verhalten – oder werden zumindest nur von einer klar antimilitärisch markierten Seite gesucht. So wollten, beispielsweise, vor allem die Linke und die KPL sich 2018 nicht so recht freuen über den feierlichen Start des luxemburgischen Militärsatelliten „GovSat“.
Immerhin: Mehr Akzeptanz als die Drohnen-Missionen in Afghanistan genießen derzeit, zumindest im Westen, wohl die Einsätze unbemannter Fluggeräte, die zur Verteidigung der Ukraine gegen den Aggressor Russland eingesetzt werden. Im Interview mit dem Tageblatt erklärte SES-Geschäftsführer Steve Collar im Mai dieses Jahres, auch hier könne das Know-how aus Luxemburg „sehr hilfreich“ sein – und: „Einige Geschäftsabschlüsse für kritische Kommunikation wurden bereits unterzeichnet.“ Details über die Kunden könne man aber nicht geben.
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