/ Bitcoin-Experte: Staaten werden bei den digitalen Währungen mitmischen
Der belgische Wissenschaftler Bart Preneel ist Experte für Kryptowährungen. Er glaubt daran, dass Bargeld irgendwann verschwinden wird. Und dass der Staat alles in seiner Macht Stehende tun wird, um nicht die Kontrolle über das Geld zu verlieren.
Wer in den letzten Monaten die Wirtschaftsnachrichten verfolgt hat, der ist an dem Thema Bitcoin nicht vorbeigekommen. Die starken Ausschläge des Kurses haben die digitale Währung zu einem interessanten Spekulationsobjekt gemacht, mit dem Anleger schnell viel Geld gewinnen und verlieren können.
Doch das ist nur eine Facette des Bitcoin. Bevor die digitale Währung zum Spekulationsobjekt geworden ist, war sie bereits eine interessante technische Spielerei, eine Methode, um Drogen im Darknet zu bezahlen, eine sehr umständliche Methode, um in einer handvoll Cafés weltweit Bier und Milchkaffee zu kaufen, ein lukratives Geschäft für die Hersteller von Grafikchips, ein revolutionäres dezentrales Zahlungssystem und eine Technologie, an der Journalisten regelmäßig bei dem Versuch, sie zu erklären, scheitern. In Luxemburg beschäftigen sich unter anderem die Wissenschaftler am Forschungsinstitut SnT mit Kryptowährungen.
Jemand, der die technischen Aspekte von Bitcoin sehr gut kennt, ist Bart Preneel. Der Wissenschaftler war Ende September bei einer Konferenz in Luxemburg, dem European Symposium on Research in Computer Security. Das Tageblatt hat sich mit dem Technikexperten über die gesellschaftlichen und ökologischen Aspekte digitaler Währungen unterhalten.
Zwischen Spekulation und Zahlungsmittel
Während des Bitcoin-Booms im letzten Jahr haben viele Leute Geld mit Bitcoins und anderen Kryptowährungen verdient. Man kann getrost davon ausgehen, dass die wenigsten davon die Technik dahinter vollends durchblicken. “Ich glaube, nicht einmal Wissenschaftler verstehen komplett, wie es funktioniert”, lautet die überraschende Aussage von Bart Preneel. “Der Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist, dass wir nicht wissen, wie und warum Kryptowährungen funktionieren.”
Bei digitalen Währungen handelt es sich im Kern um Computercodes. Warum sollte ein Wissenschaftler, der den Code liest, ihn nicht verstehen? Das Problem liegt nicht im Code, sondern im Verhalten der Nutzer. Bitcoin ist ein offenes System. In der Theorie können Menschen mitmischen und die Regeln, nach denen gespielt wird, zu ihrem Vorteil verbiegen. Der Wissenschaftler vergleicht das mit Steuervermeidung. Allerdings tun das weniger Menschen als erwartet. “Wir verstehen nicht, warum nicht mehr Menschen sich nicht an die Regeln halten”, sagt Preneel. “Das hat mehr mit Psychologie zu tun als mit Ingenieurswesen”, so der Wissenschaftler.
Einige Facetten der digitalen Währungen lassen sich also nicht mit Mathematik und rationalem Verhalten erklären. Hier sind andere Disziplinen gefragt. In den Naturwissenschaften gibt es seit langem ein Misstrauen gegenüber Sozialwissenschaftlern. Preneel sieht das nicht so. Er arbeitet gerne mit Juristen und Soziologen zusammen. “Das ist nicht einfach. Wir haben eine unterschiedliche Sprache”, sagt er. Es brauche viel Zeit, einander zu verstehen, aber so könnten sehr nützliche Einsichten entstehen. Solche Einsichten lassen sich jedoch nicht immer gut vertreten. “Damit bewegt man sich zwischen zwei Feldern”, sagt Preneel. Eine Publikation, die nicht einer bestimmten Disziplin zugeordnet werden kann, laufe Gefahr, von anderen Wissenschaftlern nicht ernst genommen zu werden. Viele Geldquellen sind zudem an eine bestimmte Disziplin gebunden. Deshalb kommen fachübergreifende Zusammenarbeiten zwischen Sozial- und Naturwissenschaften nicht oft zustande. “Jeder sagt, das sei wichtig, aber es ist sehr schwer umsetzbar.”
Der Experte unterstreicht, dass er sich hauptsächlich für die technische Seite interessiert. Es sei aber nicht möglich, sich damit zu beschäftigen, ohne sich mit den Folgen für die Gesellschaft und die Zukunft des Geldes zu beschäftigen. “Viele der Kryptowährungen, die es heute gibt, werden nicht lange überleben”, prognostiziert Preneel. Dennoch hätten sie das Denken in den Zentralbanken und den Geschäftsbanken bereits verändert. Die neuen Technologien haben Fragen aufgeworfen über das Teilen von Daten und die Optimierung von Abläufen.
Der Wilde Westen wird Mainstream
Dass sich selbst die luxemburgische Zentralbank bereits mit dem Thema beschäftigt hat, findet der Wissenschaftler nicht verwunderlich. “Wenn sich ein neues Gebiet auftut, wollen immer Leute sich einen Vorteil verschaffen. Das ist ein wenig wie im Wilden Westen.” Jetzt aber werde das Thema Mainstream.
Preneel kann nachvollziehen, warum sich Institutionen einmischen. Geld sei so grundlegend für die Gesellschaft, dass wenn jemand beginnt, Einfluss darauf zu nehmen, die Regierung keine andere Möglichkeit hat, als einzugreifen. “Wenn jeder anonym Geld verschicken kann, wer würde dann noch Steuern bezahlen?”, fragt der Experte. Mit fatalen Folgen für die Gesellschaft. “Es ist klar, dass wenn jemand ein sehr effizientes Zahlungssystem aufbauen kann, die Regierung eingreift.” Er vertraut darauf, dass die Zentralbanker die Materie verstehen. Der Markt habe derzeit einen Wert von 200 Milliarden Euro. Peanuts für eine Zentralbank, aber dennoch wichtig genug, um sich damit auseinanderzusetzen. Einige Regierungen lassen sich derzeit von Wissenschaftlern beraten.
Obwohl in den letzten Monaten der Eindruck entstanden ist, dass Kryptowährungen vor allem ein Spekulationsobjekt sind, sind sie im Kern ein Zahlungssystem. In Gegenden, in denen Bezahlsysteme wie Kreditkarten nicht selbstverständlich sind, können sie eine Lücke füllen. Alles, was es braucht, um sie zu nutzen, ist ein Smartphone. Zudem sind die Transaktionskosten gering. Als Menschen anfingen, Kryptowährungen als Spekulationsobjekt zu sehen, wurden sie teurer und die Transaktionskosten stiegen.
System muss effizienter werden
Das Problem: Bitcoin ist gar nicht gut darin, viele Transaktionen gleichzeitig zu verarbeiten. Fünf bis sieben Transaktionen in der Sekunde: “Das ist nicht genug, dass es als großflächiges Bezahlsystem funktionieren kann.” Damit die Kryptowährung von vielen Menschen gleichzeitig genutzt werden kann, muss es den Wissenschaftlern gelingen, sie effizienter zu machen. “Wenn alle Europäer versuchen würden, ihr Brot mit Bitcoin zu bezahlen, würde das nicht funktionieren.” Ideen, wie das System effizienter gemacht werden kann, gibt es bereits.
Zuletzt wurden Bitcoins wegen ihres hohen Energieverbrauchs kritisiert. Bitcoins und viele andere Kryptowährungen funktionieren, indem Computer schwierige Rechenaufgaben lösen. Das braucht viel Rechenleistung. Rechenleistung wiederum braucht elektrischen Strom. “Wir schätzen, dass der Verbrauch zwischen 50 und 60 Terawattstunden im Jahr liegt”, so Preneel. Nur für Bitcoin. Der Verbrauch ist vergleichbar mit dem gesamten Verbrauch von Österreich oder Griechenland. Jede Bitcoin-Transaktion verbraucht so viel Strom wie ein durchschnittlicher luxemburgischer Haushalt im Monat. “Bitcoin ist im Moment sehr ineffizient, was die Energie betrifft.” Wissenschaftler arbeiten an dem Problem. “Es wäre möglich, dass wir es 1.000 Mal effizienter machen können. Dann wäre es wahrscheinlich in Ordnung.”
Das genaue Ausmaß ist unklar. Viele Bitcoin-Miner operieren versteckt. Zum Teil aus Angst vor Dieben und zum Teil aus Angst vor Sabotage der Konkurrenz. Viele befinden sich in China und beziehen Strom aus dem Drei-Schluchten-Damm. Dieser Damm würde auch arbeiten, wenn die Miner nicht dort stünden. Andere Bitcoin-Miner sind nach Island umgezogen, wo sie geothermische Energie nutzen. “Ein Artikel hat behauptet, sie würden Kohle benutzen. Das wäre sehr schlecht”, sagt Preneel. “Wir wissen nicht sehr viel über diese Dinge. Die Berechnungen basieren auf vielen Schätzungen.” Preneel gibt aber auch zu bedenken, dass traditionelle Finanzsysteme ebenfalls Strom verbrauchen.
Staaten werden Geld nicht aufgeben
Aber können Kryptowährungen irgendwann traditionelle Währungen ablösen? “Das ist schwer vorherzusagen”, sagt Preneel. “Ich glaube, dass physisches Geld irgendwann verschwinden wird. Geld wird digital sein.” Dass Staaten immer mehr vom Bargeld abkommen, ist heute schon absehbar – etwa auf den Marshallinseln oder in Schweden. Für ihn ist aber auch klar, dass die Staaten eingebunden sein werden. “Solange es Staaten gibt, werden sie ihr eigenes Geld ausgeben und verwalten.”
Zuletzt hatte Facebook angekündigt, seine eigene Kryptowährung zu schaffen. Was daraus wird, sei schwer einzuschätzen. Preneel glaubt, dass manche Staaten versuchen werden, das zu unterbinden. “Facebook ist ein sehr mächtiger Akteur. Er wird versuchen, seinen Einfluss auf die Finanzwelt auszudehnen. Vielleicht ist Facebook in der Lage, effiziente weltweite Zahlungen anzubieten zu einem niedrigeren Preis als heute.” Die Entwicklung sei aber schwer vorherzusehen. Am wahrscheinlichsten sei es, dass mehrere Zahlungssysteme nebeneinander existieren werden. “Was es nicht geben wird, ist ein weltweites anonymes Zahlungssystem. Das wird nicht passieren. Regierungen werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um so etwas zu verhindern. Auch wenn es technisch möglich wäre.”
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