Editorial / Bittere Realität: „Afropäer“ weiter Opfer von Rassismus
„Afropäisch“ ist eine Realität – jedoch zugleich „eine utopische Vision einer schwarzen europäischen Erfahrung, die bedeutet hätte, die Realität bewusst auszuklammern, von denen eine Mehrheit der in Europa lebenden schwarzen Menschen betroffen ist: die Nichtbeachtung der verschiedenen Gruppen arbeitsloser schwarzer Männer, der afrikanischen Toilettenfrauen und der Communitys von Entrechteten, die (…) völlig unsichtbar um ihre Existenz rangen“. Derjenige, der das geschrieben hat, ist der Brite Johny Pitts. Er hat selbst die Erfahrung eines „Afropean“ gemacht, wie er sein 2015 erschienenes Buch nannte. Das Buch beruht auf Gesprächen und lässt einen Blick hinter das werfen, was die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vor einigen Tagen in Form von Zahlen veröffentlicht hat: wie es ist, „(…) Black in the EU“ zu sein.
Die erste Auflage der Studie wurde 2016 durchgeführt und 2018 publiziert und sorgte hierzulande für Aufsehen, weil Luxemburg ziemlich schlecht abschnitt. Insgesamt wurden dieses Mal 6.800 Menschen afrikanischer Abstammung in 13 EU-Staaten befragt. Von den 66 Prozent der 565 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie bezeichneten sich 66 Prozent als Person afrikanischer Abstammung oder einfach als „Black“. Dass die Situation der „Afropäer“ oder People of Color (PoC) in Europa seit 2016 nicht besser geworden ist, verwundert nicht angesichts des Erstarkens rechtspopulistischer bis rechtsextremer Parteien. Dass gut die Hälfte in den vergangenen fünf Jahren diskriminiert wurden und sich der Rassismus vorwiegend bei der Jobsuche, am Arbeitsplatz und im Bildungswesen niederschlägt, ist eine Realität, die zu denken gibt – und dringend zum Handeln veranlasst. Nicht zu vergessen ist die diskriminierende Praxis der Polizei des „racial profiling“. Ein schlechter Trost ist, dass die Situation in Österreich, Deutschland, Finnland und Dänemark schlechter ist.
Allzu neu sind die Erkenntnisse nicht, nicht nur wegen der Ergebnisse von vor fünf Jahren. Sie decken sich mit denen der Untersuchung „Le racisme et les discriminations ethno-raciales au Luxembourg“ des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (Liser) und des „Centre d’étude et de formation interculturelles et sociales“ (Cefis), die unter anderem zeigte, dass bestimmte Stereotypen über Afrikaner in der Gesellschaft fest verankert sind. Es hat sich also wenig geändert – und wenig wurde getan –, was ein Skandal ist, denn der von der scheidenden Regierung angekündigte Aktionsplan gegen Rassismus lässt noch immer auf sich warten. Auch gibt es nur eine öffentliche Anlaufstelle für Betroffene: Das „Centre pour l’égalité de traitement“ (CET) ist, wie die woxx diese Woche richtig feststellte, „ein zahnloser Tiger“. Das CET hat nicht einmal die Möglichkeit, Klage einzureichen.
Umso mehr sind Organisationen der Zivilgesellschaft wie Lëtz Rise Up und Finkapé von Bedeutung, die sich für die betroffenen Menschen einsetzen. Auf einer von der ASTI im November 2019 organisierten Konferenz, „Being Black in Luxembourg“, kamen Personen mit afrikanischen Wurzeln zu Wort. Das ist leider noch viel zu selten der Fall. Viele Betroffene wissen noch nicht einmal, dass es hierzulande seit November 2006 ein Gleichbehandlungsgesetz gibt, nach dem Rassismus und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft strafbar sind. Für viele Menschen sind sie bitterer Alltag.
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