Radsport / Bob Jungels über die Vuelta und den Wechsel zu BORA-hansgrohe: „Vision hat mir zugesagt“
Bob Jungels wird knapp vier Wochen nach der Tour de France am Freitag seine zweite Grand-Tour des Jahres in Angriff nehmen. Nach einem kurzen Urlaub in Italien fühlt sich der 29-Jährige gut erholt und bereit für die Vuelta. Es ist auch der Auftakt seiner Abschiedstour bei Ag2r-Citroën. Jungels wird den französischen Rennstall bekanntlich zum Ende der Saison verlassen. Im Gespräch mit dem Tageblatt spricht er über seinen Wechsel zu BORA-hansgrohe und die Ziele bei der Spanien-Rundfahrt.
Tageblatt: Die Tour de France ist knapp vier Wochen vorbei. Haben Sie sich von den Strapazen in Frankreich erholt?
Bob Jungels: Ich habe alles dafür getan, um mich gut zu erholen. Direkt nach Paris bin ich nach Italien gefahren, um dort eine Woche Urlaub zu machen. In der Toskana habe ich dann auch mit der „Reprise“ angefangen. Es ist alles so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte. Ich bin gut aus dieser kleinen Pause herausgekommen und habe auf dem Rad sofort wieder in den Rhythmus gefunden. Ich fühle mich relativ frisch. Die zwei letzten Tage haben wir auf dem Zeitfahrrad trainiert. Dies hat mir gezeigt, dass auch die Beine gut sind.
Zur Vorbereitung auf die Tour de France hatten Sie an der Tour de Suisse teilgenommen. Vor der Vuelta gab es kein spezielles Vorbereitungsrennen …
Ein Vorbereitungsrennen hilft natürlich immer. Auf der anderen Seite wird meine Saison nach der Vuelta wahrscheinlich noch nicht vorbei sein. Wenn ich jetzt noch andere Rennen gefahren wäre, wäre dies vielleicht ein bisschen viel geworden. Wie gesagt, ich bin gut aus der Tour de France herausgekommen, was mir eine gewisse Basis an Form geliefert hat. Ich werde jetzt wahrscheinlich während den ersten Tagen bei der Vuelta auf die Zähne beißen müssen, denke aber, dass ich dann spätestens nach der ersten Woche wieder komplett im Rhythmus sein werde.
Ein Etappensieg in den drei Grand-Tours wäre eine tolle Sacheüber seine Ziele bei der Vuelta
Mit welchen Zielen gehen Sie in die Spanien-Rundfahrt?
Die Mannschaftsziele haben ganz klar Vorrang. Ben O’Connor, der leider in der Tour aufhören musste, ist sehr motiviert und für die Vuelta gut in Form. Bei ihm sind die Ambitionen groß. Er wird, wie schon bei der Tour de France, die Top fünf anvisieren und alle Unterstützung dafür gebrauchen können. Für mich zählt das in erster Hinsicht. In zweiter Reihe kommen dann meine eigenen Ambitionen. Idealerweise will ich auf einer Etappe ganz vorne mit dabei sein und um den Sieg kämpfen. Je ein Etappensieg in den drei Grand-Tours wäre eine tolle Sache.
Haben Sie sich im Vorfeld schon eine Etappe dafür markiert?
Ich habe mir die Etappen noch nicht im Detail angeschaut. Ich muss erst sehen, wie der Körper in der ersten Woche reagiert und dann wird sich herauskristallisieren, was machbar ist. Das Roadbook werde ich mir ansehen, sobald wir in Spanien sind (die drei ersten Etappen finden in den Niederlanden statt; Anm. d. Red.), und mir dann vielleicht auch die eine oder andere Etappe ankreuzen. Bei der Tour hatte ich mir die Etappe nach Châtel aber auch nicht angekreuzt – es sind einfach Tagesform und Motivation, die dann zusammenkommen.
Warum haben Sie sich eigentlich nach der Tour de France für den Start bei einer zweiten Grand-Tour in diesem Jahr entschieden?
Die Vuelta ist für mich im Hinblick auf die nächste Saison sehr wichtig. Ich wollte unbedingt zwei Grand-Tours fahren, um einmal mehr als nur 40 Renntage zu haben. Nicht wie in den letzten beiden Jahren.
Sie haben die kommende Saison angesprochen. 2023 werden Sie nicht mehr für Ag2r-Citroën starten, sondern haben einen mehrjährigen Vertrag beim deutschen Team BORA-hansgrohe unterschrieben. Warum haben Sie sich für diesen Wechsel entschieden?
Es ist natürlich nie eine leichte Entscheidung, ein Team zu verlassen, bei dem man nur kurze Zeit war. Ich denke aber, dass ich an einem Punkt in meiner Karriere angekommen bin, an dem ich ein paar wichtige Entscheidungen treffen muss. Und ich bin der Meinung, dass dies eine davon ist. Es gibt bei BORA eine gewisse Sicherheit, an die man in einem gewissen Alter anfängt zu denken. Ich habe die Entscheidung für meine Zukunft getroffen, im Glauben, dass es das Beste für mich ist.
Gab es auch Angebote von anderen Teams?
Es gab ein paar Mannschaften, die Interesse zeigten. Speziell nach der Tour de Suisse, weil ich dort gezeigt habe, dass meine Form zurück ist. Die Tour de France hat dann natürlich dazu beigetragen, dass das Interesse weiter wuchs. BORA ist eine Mannschaft, die auf dem Vormarsch ist und große Ambitionen für die kommenden Jahre hat, um zu den besten der Welt zu gehören. Die Vision hat mir zugesagt. Ich sehe mich gut als Teil dieses Teams und freue mich darauf, für BORA zu fahren. Ich kenne das Material und viele Leute, die dort arbeiten – Fahrer und Staff –, mit denen ich mich gut verstehe.
Das heißt, es war sofort klar, dass Ihre Wahl auf BORA fallen würde?
Sofort würde ich nicht sagen. Es waren auch andere ganz interessante Mannschaften im Spiel. Ich habe mir für meine Entscheidung viel Zeit gelassen und habe diese erst nach der Tour de France getroffen, als ich in aller Ruhe darüber nachdenken und auch mit der Familie darüber reden konnte. Es ist wie gesagt keine einfache Entscheidung gewesen und man weiß nie, was dabei herauskommen wird. Man kann immer nur Pro und Contra abwiegen und sich dann entscheiden.
Haben Sie sich Sorgen gemacht, dass Ihre Entscheidung einen Einfluss auf die restliche Saison mit Ag2r haben könnte und zum Beispiel eventuell der Start bei der Vuelta damit gefährdet wäre?
Nein. Ich habe den Chef angerufen und ihm meine Entscheidung mitgeteilt. Wir hatte ein gutes Gespräch und das gehört auch einfach zum Business. Jedes Jahr wechseln Fahrer die Mannschaft, das heißt nicht, dass man danach nicht mehr mit dem alten Team spricht. Ich wollte das Team auch in einem guten Verhältnis verlassen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Man weiß nämlich nie, was in Zukunft passiert.
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