Genuss / Bodenständig mit einem Hauch Raffinesse: So gelingt das perfekte Risotto
Alle kennen Pizza, die allermeisten von uns auch Risotto: Der zweitgrößte Star am kulinarischen Himmel Italiens hat in kurzer Zeit die Welt erobert. Seine Geheimnisse: der richtige Reis, sanftes Öl und eine Prise Geduld, schildert Sternekoch Carlo Cracco aus Mailand. Daisy Schengen hat dem Maestro über die Schulter geschaut und seine Rezepte für die Leser in Luxemburg aufgeschrieben.
Das Aushängeschild der italienischen Küche: Neben der Pizza ist das zweifelsohne das Risotto. „Das Risotto ist ein neueres Rezept“, erklärt Sternekoch Carlo Cracco anlässlich einer Online-Masterclass im Rahmen des Projekts „The True Italian Taste“ Mitte Mai. In seiner ursprünglichen Form war Risotto eine Art Suppe, die gemein als „Risi-Bisi“ bekannt war, bevor es seine heutige Form annahm.
Den Begriff eines Risottos in Perfektion prägte Gualtiero Marchesi, der als Begründer der Neuen Italienischen Küche gilt und bei dem Sternekoch Cracco sein Handwerk erlernte. „Das ‚Risotto zafferano’ (dt.: Safran-Risotto) wurde in den 90er Jahren entwickelt und stellte eine Hommage an exquisite Zutaten wie den Safran dar“, erzählt Cracco.
„Doch die entscheidendste Zutat für einen Risotto ist der Reis“, sagt der Sternekoch. Gebürtig aus Vincenza in der Provinz Venetien arbeitet Cracco seit 25 Jahren in Mailand, in der Lombardei. „Ich musste mich an den Reis anpassen“, sagt er lächelnd, „weil in der Lombardei die Sorte Carnaroli heimisch ist.“ In den Rezepten, die der Chefkoch in dieser Masterclass zeigt, spielt neben dem Carnaroli auch die Reissorte Vialone Nano eine zentrale Rolle. Während der Carnaroli-Reis größere und rundere Körner hat, sei der Vialone Nano gewissermaßen ein Sensibelchen mit seinen kleinen Körnern und delikaten Art zu kochen.
„Ein einzigartiges Rezept“
„Das Risotto ist ein einzigartiges Rezept in der italienischen Küche“, sagt Cracco. Er nennt das Gericht „eine Evolution“, die mit einem echten italienischen Reis beginnt. Nur dieser verfüge über die typischen Eigenschaften, die für eine cremige Textur, bissfeste Körner und einen unverwechselbaren Geschmack sorgen.
In diesem Sinne plädiert Cracco für ein „bewusstes, respektvolles Kochen“: „Egal, welches Rezept aus jeder Küche und Kultur nachgekocht wird, es sollte immer versucht werden, lokale Produkte dafür zu nutzen“, sagt der Küchenchef. Seiner Meinung nach gäbe es immer eine Möglichkeit, authentische Produkte zu wählen, zumal das Streben nach Qualität beim Kochen indirekt die lokale (Land-)Wirtschaft förderte. Beispielsweise kocht der Chef sein Risotto mit einem Reis, der im Naturschutzgebiet „Riserva San Massimo“ angebaut wird und dadurch mit einem einzigartigen Geschmack aufwartet.
Um authentische italienische Lebensmittel in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und ihnen die entsprechende Wertschätzung zu bieten, wurde das groß angelegte Projekt „True Italian Taste“ vom Italienischen Außen- und Kooperationsministerium ins Leben gerufen. Die Online-Masterclass mit Sternekoch Carlo Cracco Mitte Mai gliedert sich in dieses Projekt ein. Sie wurde gemeinsam von den Italienischen Handelskammern in Luxemburg, Belgien und den Niederlanden veranstaltet.
Das native Olivenöl, das der Sternekoch nutzt, ist ebenfalls ein lokales Produkt. „Leccino Romagnolo“ steht für die Olivensorte „Leccino“, „Romagnolo“ bezeichnet seine Herkunft – aus der Region Emilia Romagna. „Die Olivenbäume, hier nahe der Toskana, von denen wir das Öl gewinnen, sind mehr als hundert Jahre alt.“ Es zeichne sich durch einen milderen Geschmack als die Olivenöle der Toskana aus.
Zu einem Risotto gehört neben dem richtigen Reis, nativem Olivenöl sowie heißer Flüssigkeit (Brühe) auch ein guter Wein zum Ablöschen. Cracco rät zu einem trockenen italienischen Wein. Manchmal benötigt man aber nur wenige Esslöffel. „Man muss keine Flasche öffnen, wenn man nur wenig davon braucht. Der Wein lässt sich durch etwas hochwertigen Weißweinessig am Ende der Garzeit ersetzen.“
Das Geheimnis der Großmutter
Milchreis, sagt Carlo Cracco, sei das Gericht seiner Kindheit. Und genauso wie seine Mutter und Großmutter nutzt er für dessen Zubereitung die Sorte Vialone Nano. Ihre Körner seien kleiner und „eleganter“. Doch der Vialone habe auch seine Tücken: „Dieser Reis muss bis zum Ende gegart werden, sodass im Gesamtergebnis ein Gleichgewicht zwischen dem milden Geschmack und der Cremigkeit des Risottos erreicht wird.“
Neben den ausgewählten authentischen Zutaten ist Zeit das Geheimnis eines guten Risottos. „Nach der Kochzeit – zwischen 12 und 14 Minuten – muss das Risotto für einige Minuten ruhen. Das delikate Gericht muss sich erholen“, unterstreicht der Küchenchef. Um zu prüfen, ob die Reiskörner „al dente“ (dt.: bissfest) sind, genügt es, ein Reiskorn in der Mitte zu öffnen. Findet sich darin ein „weißes Netz“, sind die Reiskörner perfekt gegart, verrät der Profi.
In der Sternegastronomie zu Hause
Carlo Cracco wurde 1965 in Vicenza geboren. Seine berufliche Laufbahn begann in Mailand beim bekannten Koch Gualtiero Marchesi, der als Begründer der Neuen Italienischen Küche gilt.
Anschließend widmete sich Cracco während drei Jahren den Geheimnissen der französischen Küche, die er unter der Anleitung von Alain Ducasse und Lucas Carton erlernte.
Nach seiner Rückkehr nach Florenz startete Cracco als Küchenchef der „Enoteca Pinchiorri“. Dort erkochte er in Rekordzeit drei Michelin-Sterne.
Mitten in diesem steilen Aufstieg war es wieder der Meister Gualtiero Marchesi, der für Carlo Cracco eine neue Herausforderung bereithielt. Marchesi bat seinen ehemaligen Schüler, das Restaurant „L’Albereta“ in Erbusco (Brescia) zu übernehmen, wo Cracco fast drei Jahre lang als Küchenchef arbeitete.
Nach dieser Erfahrung wagte der Küchenchef den Schritt in die Selbstständigkeit und eröffnete sein erstes Restaurant, „Le Clivie“, in Piobesi d’Alba (Cuneo) in der Region Piemont. Und auch hier schaffte es Cracco, schnell den Weg an die Spitze der Gastronomie zu erklimmen: In nur einem Jahr bekam „Le Clivie“ seinen ersten Michelin-Stern.
Doch der Küchenchef ruhte sich nicht auf seine Lorbeeren aus. Nach einigen Jahren beschloss er, nach Mailand zurückzukehren, um das Restaurant „Cracco-Peck“ zu eröffnen, wo er „Executive Chef“ (bis 2007) und anschließend „Chef Patron“ wurde.
2018 zog er in die „Galleria Vittorio Emanuele“ in Mailand, um sein größtes Projekt zu realisieren: 1.200 Quadratmeter für die Gastronomie, verteilt auf mehrere Etagen. Es beherbergt einen der weltbesten Weinkeller der Welt, das Cracco-Café sowie ein Gourmet-Restaurant.
Heute ist Carlo Cracco Präsident von „Maestro Martino“, einer gemeinnützigen Vereinigung, deren Hauptziel es ist, die sog. „Autorenküche“ und die Exzellenz des italienischen Terroirs zu fördern. Seit vielen Jahren engagiert sich der Küchenchef beim Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFDA) der Vereinten Nationen.
Kleine Warenkunde: Welcher Reis für Risotto?
Der richtige Reis für ein Risotto muss für eine cremige Konsistenz des Gerichts sorgen und gleichzeitig beim Kochen bissfest, al dente, bleiben. Dafür sorgen zwei Sorten Stärke, die in den Körnern enthalten sind und beim Kochen vom Reis in die Flüssigkeit übergehen, sodass die flüssige Komponente cremig wird und die Reiskörner bissfest bleiben. Drei Reissorten kommen für die Zubereitung eines Risottos infrage: Arborio, Vialone Nano und Carnaroli.
Arborio ist nach dem gleichnamigen Ort in der italienischen Provinz Piemont benannt und mit Abstand die meistverwendete Reissorte für Risotto. Er hat dicke Körner und verleiht dem Gericht eine cremige Konsistenz.
Vialone Nano ist im Gegensatz zu Arborio weniger als Risottoreis bei uns bekannt. Diese Reissorte zeichnet sich durch größere, rundere Körner und eine kürzere Garzeit aus.
Carnaroli ist zum „Prinz“ unter den Reissorten avanciert und zu der bedeutendsten Sorte für Risotto geworden, erklärt Carlo Cracco. Er entstand als Kreuzung aus dem Vialone Nano und dem Lencino und kommt traditionell aus dem Piemont und der Lombardei. Der Carnaroli zeichnet sich durch seine Bernsteinfarbe aus, seine Körner sind groß und lang, sie enthalten besonders viel Stärke. Diese wird beim Kochen abgegeben und sorgt für eine besonders cremige Konsistenz, während die Reiskörner al dente bleiben.
Risotto Carnaroli mit gelben Tomaten, violetten Garnelen „de Santa Margherita Ligure“ mit einem Hauch Minze
Zutaten für 4 Personen:
320 g Carnaroli-Reis
150 g Saft von gelben Tomaten (oder eine Dose gehackte gelbe Tomaten, im italienischen Feinkostgeschäft erhältlich)
100 g Butter
50 g Parmigiano Reggiano
150 g frische Erbsen
12 violette Garnelen: Die Garnelen zeichnen sich durch eine teilweise violette Färbung am Kopf aus. Der Rest des Körpers ist rot, auf Italienisch heißen sie „gambero rosso“ („rote Gambas“, Anm. d. Red.). Santa Margherita Ligure ist der wichtigste Fischereistandort in der italienischen Provinz Ligurien und befindet sich in einem Naturschutzgebiet nahe der Hafenstadt Portofino.
1 Schalotte
Kaltgepresstes natives Olivenöl extra vergine
Einige Blätter Minze
Ein halbes Glas trockener Weißwein
Zitronenzesten (Abrieb von einer Bio-Zitrone)
Heißes, siedendes Wasser
Zubereitung:
In einer Kasserolle Wasser aufkochen, Temperatur herabsetzen und das Wasser köcheln lassen.
Nun in einer Bratpfanne mit dickerem Boden und höherem Rand etwas Olivenöl und die Butter erhitzen. Fügen Sie nun den Reis hinzu und „toasten“ Sie ihn auf mittlere Hitze, indem Sie ihn immer wieder mit einem Holzlöffel umrühren.
Jetzt mit Weißwein ablöschen. Wenn der Wein verdampft ist, wird die Tomatensoße hinzugefügt und das Risotto gesalzen (etwa eine Prise Salz pro Person).
Jetzt das siedende Wasser schöpflöffelweise hinzufügen, jeweils dann, wenn die Flüssigkeit völlig vom Reis aufgesogen wurde. Zu etwa der Hälfte der Kochzeit die Erbsen hinzufügen.
Nun die Garnelen putzen, Schale und Darm entfernen und sie in 3 bis 4 Teile schneiden. Leicht salzen, mit Zitronenzesten und mit nativem Olivenöl beträufeln. Beiseitestellen.
Sobald der Reis gegart ist, ziehen Sie die Pfanne vom Herd. Jetzt folgt die „Mantecatura“ (dt.: das „Glattrühren“) des Risottos. Diese Technik zielt auf die Bindung des Reises. Dafür heben Sie die gesamte Menge des frisch geriebenen Parmesans, das kaltgepresste, native Olivenöl, die restliche Butter und die feingeschnittene Minze unter, ohne weiterzurühren. So erhält man ein cremiges Risotto.
Jetzt das Gericht abschmecken, nach Bedarf Salz und einen Hauch weißen Pfeffer hinzufügen.
Das Risotto mittig auf einem Teller anrichten und mit den angemachten Garnelenstückchen darauf garnieren.
Milchreis Vialone Nano, aromatisiert mit weißem Kaffee
Zutaten für 4 Personen:
500 g frische Vollmilch
70 g Vialone-Nano-Reis
50 g stilles Mineralwasser
30 g ganze Kaffeebohnen: Weißer Kaffee bekommt seine typische Farbe durch die spezielle Röstung, die an einem bestimmten Punkt unterbrochen wird. Im Gegensatz zu herkömmlichem Kaffee enthält weißer Kaffee mehr Koffein.
10 g Puderzucker
1 Sternanis
1 Kapsel grüner Kardamom
Zubereitung: In einer Kasserolle die Milch bis kurz vor den Kochpunkt bringen, die Hitze ausschalten, einige Minuten warten.
Anschließend die Kaffeebohnen, den Sternanis und das Kardamom zu Milch hinzugeben.
Die Kaffee-Milch abdecken, fünf Minuten ziehen lassen und durch ein Sieb in einer Schale abgießen.
Jetzt die aromatisierte Milch wieder zurück in die Kasserolle geben, das Mineralwasser, den Reis und den Puderzucker hinzufügen. Diese Mischung jetzt für 15 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Sobald der Reis gar ist, auf vier Tassen (von einem Service) verteilen.
Auf Wunsch etwas Wasser hinzufügen, falls der Milchreis kalt serviert werden sollte. Wer möchte, garniert das Dessert mit zerbröselten Keksen oder mit Stückchen dunkler Schokolade.
Carlo Craccos Weintipp für diese süße Risotto-Variation: ein süßer „Moscato d’Asti“, der u.a. in den Provinzen Asti und Piemont hergestellt wird.
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