Interview / „Brauchst ein dickes Fell“: Luxemburger Battle-Rapper spricht über die Kunst des Beleidigens
Tom Giombetti ist Mathematiklehrer – und Battle-Rapper. Unter dem Künstlernamen „T-Way“ schmeißt der 33-Jährige seinen Gegnern zur Unterhaltung des Publikums Beleidigungen an den Kopf und muss während der Battles auch selbst kräftig einstecken. Der Luxemburger hat mit dem Tageblatt darüber gesprochen, was eine gute Beleidigung ausmacht und wie weit man dabei überhaupt gehen darf.
Tageblatt: Viele Menschen können mit dem Begriff Battle-Rap wohl nichts anfangen. Was ist das?
T-Way: Prinzipiell geht es darum, seinen Gegner zu denunzieren. Es setzt sich aus Battle und Rap zusammen – obwohl bei ganz vielen Menschen das Rappen in den Hintergrund gerutscht ist, weil schon sehr viel Komödie mit drin ist. Man fragt sich also im Voraus: Was finde ich lächerlich an ihm, wie kann ich mich über ihn lustig machen? Es kann witzig, stumpf oder intellektuell sein. Jeder hat seine eigene Weise, seinen Gegner anzugreifen. Und es gibt zwei Arten: Freestyle und vorbereitete, geschriebene Battles. Ich mache eigentlich hauptsächlich die geschriebenen. Das ist ein bisschen wie eine Erörterung, die man allerdings gut performen und mit etwas Reimtechnik untermalen muss. Und ich liebe die Herausforderung.
T-Ways Erfahrung als Battle Rapper
Ich habe schon relativ viel gemacht: Vor acht Jahren hatte ich meinen ersten Battle und habe mittlerweile etwa 40 Battles hinter mir. Damals, als es die Luxemburger Battle League gab – die existiert mittlerweile nicht mehr –, war ich der unbesiegte Champion. Da habe ich meine ersten Schritte gemacht, bin allerdings auch relativ früh in Deutschland aufgetreten, weil es kompetitiver ist. In Luxemburg ist die Gegnerauswahl etwas kleiner. Ich war schon von Berlin bis München überall. Ich war auch auf dem „Splash“, dem zweitgrößten Hip-Hop-Festival in Europa.
Wie läuft so ein Battle ab?
Die Liga kontaktiert dich – normalerweise ungefähr zwei Monate im Voraus –, dann wird das Format festgelegt. Standardmäßig sind es so zwei bis drei Minuten pro Runde. Das sind also Minimum sechs Minuten Text, die du auswendig lernen und ohne Wackler vortragen musst. Und dann ist es nicht wie bei einem Theaterstück, das du zehnmal vorträgst. Du probst es und dann hast du eine Chance. In Luxemburg gab es beispielsweise viele Menschen, die die Situation unterschätzt haben und dann „chokten“. Du lernst deine dreimal zwei Minuten nicht einfach mal in einem halben Tag auswendig. Ich bin noch relativ gut im Auswendiglernen – neun Minuten Text kann ich in so einer Woche lernen. Ich kenne auch Menschen, die ihren Text zwei Wochen vorher fertig haben, weil sie die Zeit zum Lernen benötigen.
Was macht denn eine gute Punchline aus?
Kreativität. Und es ist wie bei der Komödie: Wenn du eine Punchline hast, die zu vorhersehbar ist, dann klappt es nicht. Das Thema muss auch nicht immer das innovativste sein. Übergewichtigkeit oder Größe – die Verpackung ist wichtig. Solange du es noch immer fertigbringst, ein Thema, das gegen deinen Gegner schon 20 Mal benutzt wurde, so zu verpacken, dass es noch immer witzig ist, dann hast du alles richtig gemacht. Du kannst dir natürlich auch ein kreativeres Thema heraussuchen und daraus etwas Neues machen. Das wird dann vielleicht auch zu einem Selbstläufer, das der nächste Gegner beim nächsten Battle noch mal aufgreift.
Ein anderes Klischee ist auch der reiche Luxemburger: „Diese reichen, hochnäsigen Drecksäcke“
Ist es überhaupt möglich, nach dem dreißigsten Witz über Übergewichtigkeit noch einen neuen Winkel zu finden?
Ja. (lacht) Sie finden noch immer neue Wege. Ein anderes Klischee ist auch der reiche Luxemburger: „Diese reichen, hochnäsigen Drecksäcke“.
Da muss man dann schon ein dickes Fell haben.
Auf jeden Fall, du brauchst ein dickes Fell. Du weißt als Künstler, auf was du dich einlässt. Du kannst dich also nachher nicht wirklich beschweren. Natürlich ist nicht jeder dafür gemacht – ich kenne viele Menschen, die sagen, sie würden gerne austeilen, aber das mit dem Einstecken, das würden sie nicht vertragen.
Was ist denn erlaubt und was nicht? Wo liegt die Grenze?
Jeder kann eigentlich die Grenze für sich selbst setzen. Es gibt aber im Vorfeld immer sogenannte „fixing chats“. Da kann man dann sagen, dass ein gewisses Thema nicht angesprochen werden darf. Ein guter Freund von mir, der in Deutschland battelt, der sagt im Vorfeld, dass seine Kinder nichts in den Texten zu suchen haben. Ich habe meinen Gegnern im Vorfeld nie etwas vorgeschrieben – ich bin mit mir im Reinen. Ich sage mir: Er kann erzählen, was er will, ich weiß, wie es wirklich ist. Aber man muss sich halt fragen, was man als Künstler auf der Bühne vertreten kann. Man ist zwar auch immer eine Kunstfigur, aber es reflektiert trotzdem ein bisschen auf deine eigene Person zurück.
Es gibt also eine Grenze, die jeder selbst zieht. Wie sieht denn die Grenze beim Publikum aus? Ist es ihnen egal, wie weit du gehst?
Es ist das Paket, was es ausmacht. Du kannst ein makaberes Thema anpacken, aber entscheidend ist, wie. Das Publikum weiß ja, auf welche Veranstaltung es geht. Sie wissen, dass Menschen sich dort gegenseitig fertigmachen. Es reicht nicht einfach zu sagen „du bist ein Esel“. Das ist weder kreativ noch anspruchsvoll. Du kannst ein sehr ekliges Thema ansprechen, wo das Publikum etwas ruhiger bleibt und das dann auch spürt. Oder ziehst es komplett ins Lächerliche und die Zuschauer sind lauter. Beides sind Reaktionen vom Publikum. Wenn sie natürlich nach unten schauen und den Kopf schütteln, das ist für mich keine gute Reaktion. Es gibt definitiv eine Gratwanderung zwischen schwarzem Humor und stumpfsinnigen Aussagen.
So klingt Battle-Rap
T-Way gegen Gegner, der für seinen Koks-Konsum bekannt ist: „Jahre vergingen, und auch die Schulzeit war nicht makellos, denn hatte Freddy Tafeldienst, dann staunten alle atemlos, denn man sah ihn bloß, Nase hoch, wie er sein Gesicht über die Tafel zog.“
T-Way gegen Gegner, der für seinen Alkoholkonsum bekannt ist: „Irgendwann wirst du als inkontinenter Pflegefall verenden. Aber Respekt an Protti, mit seinem Krombacherkonsum hat er schon nen ganzen Regenwald gerettet.“
T-Way: „Also mach nicht auf Frauenheld, du bist wahrlich ein Lügner. Deine Freundin meinte, beim Sex bist du wie der Big Rösti, denn du kommst von Jahr zu Jahr immer früher.“
Was sind denn die schlimmsten Sachen, die dir auch nachher noch im Kopf geblieben sind?
Wahrscheinlich Sachen, die mit meiner verstorbenen Mutter zu tun haben. Es ist nicht so, dass ich nicht damit gerechnet habe, ich wusste ja, gegen wen ich battle, was sie von mir privat wussten und ich habe ja keine Grenzen gesetzt. Aber es ist halt die Art und Weise, wie man es verpackt. Da gab es ein, zwei Zeilen, die gut waren, aber dann auch ein paar Zeilen, wo das Publikum den Kopf geschüttelt hat. Das war in Bezug auf mich selbst das thematisch Ekligste.
Hast du das Gefühl, dass du selbst schon einmal eine Grenze überschritten hast?
Wahrscheinlich in den früheren Battles. Die ganze Gesellschaft wird „woke“ und du reflektierst dann auch selbst über die Sachen, die du früher gesagt hast. Bei mir gibt es also auch ein paar Aussagen, die ich heute nicht mehr machen würde. Das entsprach vielleicht dem damaligen Zeitgeist des Battle-Raps, aber wenn man sich das retrospektiv anschaut, dann sagt man sich vielleicht: „Das hätte nicht sein müssen.“
Deine Freundin meinte, beim Sex bist du wie der Big Rösti, denn du kommst von Jahr zu Jahr immer früher
Wie ist denn die Stimmung unter den Battle-Rappern?
Auf der Bühne sind wir böse, aber Backstage nett. Es ist eine Show. Das ist in Deutschland wie eine große Familie – du siehst oft dieselben Gesichter. Nach dem Battle kann man die beiden Rapper sehen, wie sie zusammensitzen und lachen.
Noch positiver sind ja die „compliment battles“.
Genau, das habe ich auch schon zweimal mitgemacht. Du drehst das Konzept komplett um und versuchst dein Gegenüber so positiv wie möglich darzustellen. Das hat auch seinen Charme, vor allem weil es noch nicht so verbraucht ist. Das macht beim Schreiben Spaß – und du lässt dich da natürlich auch gerne berieseln. In Frankreich gibt es eine passende Liga, die „Ta mère la mieux“ heißt.
Und wie steht es um die Luxemburger Battle-Rap-Szene?
Die „Battle League Lëtzebuerg“ gibt es leider nicht mehr. Deswegen ist das ein bisschen in Luxemburg ausgestorben. Es wäre eigentlich schön, wenn wir wieder eine Szene hätten, weil es eine gute Methode ist, die luxemburgische Sprache zu fördern. Es wird zwar viel für unsere Sprache gemacht, aber Battle-Rap ist etwas, das auch für die Jugendlichen interessant ist.
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