Trotz Inkohärenzen und einer Mon Chéri / Breite Mehrheit stimmt für verschärfte Covid-Regeln
Knapp vier Stunden tagte das Parlament an Heiligabend. Die ungewohnte Terminierung war notwendig, um rechtzeitig zum 26. die gesetzliche Basis hierfür zu schaffen. Bereits zum siebten Mal beschäftigten sich die Abgeordneten mit Corona-spezifischen Gesetzen.
Und zum siebten Mal präsentierte der Vorsitzende der parlamentarischen Gesundheitskommission, Mars Di Bartolomeo (LSAP), den entsprechenden Text. Vor dessen Auftritt hatte bereits Georges Engel (LSAP) ein Gesetz zur Möglichkeit eines erneuten Urlaubs aus familiären Gründen vorgestellt, das während der anstehenden Schließung von Schulen, Kindergärten und anderen Einrichtungen den Eltern von Kindern unter 13 Jahren erlaubt, sich zu Hause um diese zu kümmern, wenn keine andere Möglichkeit zur Versorgung besteht.
Aufgrund von Widersprüchen, auf die auch der Staatsrat aufmerksam gemacht hatte, gilt das Gesetz nur bis zum 20. Januar 2021; sollte danach eine weitere Auflage des Elternurlaubs notwendig werden, so wird der Text überarbeitet. Hierfür war jetzt aber die Zeit zu kurz: Innerhalb von drei Tagen wurde der gesamte legislative Prozess bewältigt. Es gab keine Gegenstimmen zu dem Projekt.
Es werde in diesem Jahr kein Weihnachten und kein Silvester geben, wie wir es gewohnt seien, so Mars Di Bartolomeo anschließend. Obwohl durch diverse Maßnahmen nun zum zweiten Mal das Schlimmste verhindert werden konnte, so der Redner, seien wir noch nicht auf der sicheren Seite. Deshalb müssten auch bei sinkenden Infektionszahlen weitere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus getroffen werden.
Weitere Reduzierung physischer Kontakte
Es gelte, die Angriffsfläche für das Virus zu reduzieren; dies bedeute, dass die physischen Kontakte der Menschen weiter eingeschränkt werden müssten. Untersuche man die Maßnahmen im Details, so seien diese sicher Kritik-anfällig, so der Kommissionspräsident; dennoch seien sie notwendig. Di Bartolomeo erinnerte an die einzelnen Aspekte, die da sind: Schließung der Geschäfte, die „nicht lebenswichtige“ Produkte verkaufen, bzw. das Verkaufsverbot dieser Produkte bis zum 10. Januar (die Gaststätten bleiben bis zum 15. Januar zu), die Verlängerung der Ausgangssperre auf 21 bis 6 Uhr, das Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, die Schließung aller Sport- und Kulturstätten, keine peri- und paraschulischen Aktivitäten.
Die betroffenen Geschäfte würden weitere staatliche Unterstützung bekommen, für die Kinder des Krankenhaus- und Pflegepersonals werde es vom 28. Dezember bis zum 10. Januar eine Notbetreuung geben und die Daten der Impfkampagne würden der Gesundheitsdirektion zwecks Nachverfolgung von eventuellen medizinischen Problemen zur Verfügung gestellt. Zwar steht im vorliegenden Gesetzestext noch, dass diese Daten 20 Jahre lang gespeichert werden sollten; die Zeitspanne würde aber zu einem späteren Zeitpunkt verkürzt werden. Daneben werden die Strafen bei Zuwiderhandlungen, etwa gegen die Vorschrift, dass nur noch zwei Personen aus einem Haushalt als Gäste empfangen werden dürften, gegen das Versammlungsverbot oder die kommerziellen Auflagen, erhöht. Dies von maximal 500 auf 1.000 Euro, resp. von 135 auf 300 Euro bei Zuwiderhandlungen.
Viele der Forderungen der CSV aus den letzten Wochen und Monaten würden mit dem Gesetz umgesetzt, so Claude Wiseler; allerdings würden die Maßnahmen zu spät erfolgen.
„Wir haben Zeit verloren“
Wollte die Regierung niemanden verletzen, erst Sonntagsverkäufe und „Black Friday“ abwarten, ehe sie handelte, fragte der CSV-Abgeordnete. Die Regierung müsse die Verantwortung dafür tragen, dass sie zu spät, nicht weitreichend genug und inkohärent agiert habe. In den Schulen machte Wiseler die dramatischste Entwicklung im Rahmen der Pandemie aus. Erziehungsminister Meisch habe, die Gefahren betreffend, ständig abgewiegelt und seine Realpolitik auf ministeriumseigene Berichte aufgebaut. Gesundheitsministerin Lenert habe sich deutlich von ihm distanziert, indem sie klar gesagt habe, dass Kinder die gleichen Risiken tragen würden wie Erwachsene; eine Feststellung, die Meisch lange bestritt.
Keine der nun vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen sei argumentativ untermauert. So werde zum Beispiel nicht ersichtlich, wieso die Ausgangssperre auf 21 Uhr vorgezogen werde. Wenn jemand oder ein Haushalt zwei Personen bei sich empfange, könne er mit diesen in einem geschlossenen Raum zusammensitzen, dürfe aber mit den gleichen Menschen nicht draußen spazieren gehen …
Außerdem bedauere die CSV, dass Luxemburg keine Tracing-App gewollt habe. Trotz der Inkohärenzen und Unzulänglichkeiten werde die Partei das Gesetz mittragen, weil die Richtung stimme, so Wiseler abschließend.
Die Sprecher der Mehrheitsparteien unterstützten selbstredend die Gesetzesvorlage, angefangen bei Gilles Baum (DP), der die Maßnahmen nach leichter Entspannung an der Pandemie-Front als präventiven Wellenbrecher bezeichnete. Wie sich die Lage bis zum 10. Januar entwickeln werde, könne er nicht prognostizieren, dennoch sei er zuversichtlich, dass die gewünschte Wirkung erzielt werden könne.
Georges Engel (Fraktionssprecher der LSAP) sieht die bisherigen Maßnahmen als erfolgreich an. Sie hätten gegriffen, so der Politiker, der die aktuellen Zahlen nochmals präsentierte. Er machte einen Aufruf an all jene, die nicht mit den Maßnahmen einverstanden sind, sich dennoch daran zu halten, dies besonders, um die Lage in den Krankenhäusern zu entspannen.
Schutz vor Isolierung
Auch wenn die Maßnahmen im neuen Gesetz weit reichen würden, so die Sprecherin der Grünen, Josée Lorsché, so habe die Regierung davon abgesehen, eine komplette Ausgangssperre zu beschließen und so die Menschen regelrecht einzusperren, wie dies in manchen anderen Ländern der Fall sei. Schutz vor Isolierung sei für ihre Partei denn auch besonders wichtig. Ein ausdauerndes Vorgehen gegen die Pandemie sei besser als ein brutales „Stop and go“ einer restriktiven Gesetzgebung, die rechtsstaatliche, soziale und psychische Schäden hervorrufe.
Für die ADR, so Jeff Engelen, solle sich der Staat aus dem Privatleben der Menschen heraushalten. Er versuchte sich in Poesie: „Ordre, contre-ordre = Gambia“. Engelen forderte in einer Motion Gratis-FFP2-Masken für alle; eine Motion, die auch bei Gegenstimmen der Piraten verworfen wurde.
Die zweite Infektionswelle habe sich seit dem 1. Oktober angekündigt, so der Sprecher von „déi Lénk“, Marc Baum. Doch erst am 29. Oktober sei die Regierung aktiv geworden. Am 25. November sei dann gesetzlich nachgelegt worden und am 15. Dezember seien geringfügige Ergänzungen beschlossen worden.
Surfen auf der Welle
Jetzt würden jene Maßnahmen getroffen, die eigentlich im Oktober hätten beschlossen werden müssen. Die Regierung habe die zweite Welle nicht bekämpft; sie sei regelrecht auf ihr gesurft, so Baum.
Er wolle sich die Auswirkungen der früheren Ausgangssperre, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre, auf die häusliche Gewalt nicht ausmalen, so der Redner, der anhand einer „Mon Chéri“-Praline, die nun künftig ob ihres Alkoholgehalts nicht mehr legal öffentlich verzehrt werden darf, demonstrierte, was er vom Alkoholverbot hält.
Sven Clement sieht das von der Regierung ausgegebene Prinzip der 14-tägigen Zeit des Abwartens zur Beobachtung der Wirksamkeit von Maßnahmen durch die schnell aufeinander folgenden Gesetzesänderungen von ihr selbst unterhöhlt. Die Notwendigkeit einer Ausgangssperre sieht auch der Sprecher der Piraten nicht, der wie bereits öfters einen klaren und nachvollziehbaren Stufenplan zur Bekämpfung der Pandemie forderte.
Die meisten Bürger hätten die Regierung und ihre Maßnahmen sehr gut verstanden, so Staatsminister Xavier Bettel, der auf die besseren Statistiken verwies. Es solle aber jetzt niemand meinen, wir hätten die Infektionskrankheit hinter uns; jetzt würde die Handbremse gezogen, um im Januar keine dramatische Lage zu haben.
Auf die Gefahren des Winters, der Feste zum Jahresende und die neue Mutation des Virus verwies auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert. Sie erklärte allerdings, die von der CSV geforderte App habe im Ausland wenig gebracht, sie sei ineffizient.
Kein Denunziantentum gewollt
Sie ging auf den Hintergrund des ursprünglichen Paragrafen „16ter“ ein, der aus dem Gesetzesprojekt gestrichen wurde und im Vorfeld der Sitzung als Denunziantenparagraf kritisiert worden war. Hintergrund sei die Tatsache gewesen, dass Beamte, die im Contact Tracing gearbeitet haben, öfters bei ihren regelmäßigen Gesprächen mit Infizierten festgestellt hatten, dass diese „nur mal kurz zum Einkaufen“ waren oder „sich kurz mit Freunden getroffen“ hatten. Bei einem Verstoß gegen das Fischereigesetz etwa, wie dem Fehlen des richtigen Scheins, seien diese Beamte durch ihr Statut gezwungen, dieses Delikt dem Staatsanwalt zu melden; bei den Corona-Verstößen seien ihnen aber die Hände mehr oder weniger gebunden. Um diesem Beamtenfrust entgegenzuwirken, sei die Idee des Paragrafen „16ter“ entstanden. Die Regierung habe sich aber schnell überzeugen lassen, es sei besser, hierauf zu verzichten; die Förderung von Denunziantentum sei nämlich nicht gewollt gewesen.
Das Gesetz wurde schließlich mit 52 Ja-Stimmen, bei den Gegenstimmen von ADR, Linken und Piraten, angenommen.
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Déi verschäerft Covid Reegelen zerstéieren de lëtzebuerger Business Center. Mir hu scho vill ze vill Bürokratie zu Lëtzebuerg a Steieren déi ze héich sinn.
Das mit der Ausgangssperre ab 21 Uhr versteht ich immer noch nicht. Es soll mir mal einer genau erklären.
Alles schön und gut. Dass das Gesetz jedoch ausgerechnet in Biarritz promulgiert wurde verleiht dem „Bleif doheem“ einen Hauch von Unglaubwürdigkeit und Ironie.Jee jee jee…
Den, den ons um Fernseh vollgequatscht huet, datt mer net sollen den Kapp henken loossen, ass op Biarritz gereest. Waat fir en Hohn.
„Dass das Gesetz jedoch ausgerechnet in Biarritz promulgiert wurde“………………. !!!!!
Das wird in Zukunft noch öfters passieren, solange Heinrich der Stotterer das Zepter noch nicht an Willi von der Nuss übergeben hat.