Wahlen in Ostdeutschland / BSW-Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali: „Man muss sich mit der AfD inhaltlich auseinandersetzen“
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland hohe Zustimmungswerte. Amira Mohamed Ali, Parteichefin neben Wagenknecht, spricht darüber, was US-Raketen mit Thüringen oder Sachsen zu tun haben – und greift DDR-Bürgerrechtler an.
Tageblatt: Frau Mohamed Ali, Sie machen gerade Wahlkampf dort, wo die AfD viel Zuspruch hat und mit Remigration wirbt. Und Sie haben einen erkennbar muslimischen Namen. Werden Sie darauf angesprochen?
Amira Mohamed Ali: Nein, werde ich nicht. 2019, als ich erstmals bundesweit in der Öffentlichkeit stand, nachdem ich Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag geworden bin, haben mich viele Journalisten darauf angesprochen, dass ich Muslima bin. Das war damals eine Meldung. Heute aber nicht mehr und im Wahlkampf darauf angesprochen wurde ich eigentlich nie.
In Thüringen könnte das BSW hinter AfD und CDU drittstärkste Kraft werden. Eine Zusammenarbeit mit AfD-Landeschef Björn Höcke schließen Sie aus – gilt das auch für den Rest der AfD?
Ja, wir schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD ganz klar aus – nicht nur mit Herrn Höcke, sondern auch insgesamt.
Nun sagen Sie aber auch, die Brandmauer habe die AfD stark gemacht …
Die Strategie der anderen Parteien, die AfD damit kleinzumachen, dass man ständig von einer Brandmauer redet, ist erkennbar gescheitert. Man muss sich mit der AfD inhaltlich auseinandersetzen. Und wir sagen: Wenn die AfD sagt, der Himmel ist blau, behaupten wir nicht, er ist grün. Damit macht man sich nämlich selbst unglaubwürdig. Aber das hat nichts mit Zusammenarbeit zu tun. Zusammenarbeit würde heißen, dass man sich abspricht, gemeinsame Anträge stellt oder gar Koalitionen eingeht. Mit einer Partei, die in Teilen rechtsextrem ist, kommt das für uns aber nicht infrage.
Es gibt immer wieder die Diskussion, ob man AfD-Anträgen zustimmen kann. Würden Sie das machen?
Wir schließen es zumindest nicht aus. Da die AfD aber in aller Regel Anträge stellt, die inhaltlich sehr schlecht sind, stellt sich diese Frage äußerst selten.
Die AfD ist keine Friedenspartei
AfD und BSW wollen im Wahlkampf mit den Themen Migration und Frieden punkten. Zunächst zum Thema Frieden: Sie sind beide gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für Friedensverhandlungen mit Russland. Worin unterscheiden Sie sich?
Das BSW setzt sich nicht nur für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg ein, sondern auch für Diplomatie, Friedens- und Abrüstungsinitiativen auf der ganzen Welt. Wir haben eine umfassende Friedensagenda. Die AfD ist keine Friedenspartei.
Was meinen Sie damit?
Die AfD war immer für Aufrüstung und ist nur da für Friedensverhandlungen, wo sie meint, es gerade strategisch gut für ihre Partei ausschlachten zu können. Beim Ukraine-Krieg zum Beispiel. Bei anderen Konflikten setzen sie sich nicht für Friedensverhandlungen und die Einhaltung des Völkerrechts ein. Beim Gazakrieg etwa hört man von der AfD nichts in dieser Richtung, im Gegenteil.
Andere wiederum, ehemalige DDR-Bürgerrechtler, werfen Ihrer Co-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht in einem offenen Brief vor, Lügen über die Ukraine und Desinformation auf SED-Art zu verbreiten.
In dem offenen Brief werden Dinge behauptet, die einfach falsch sind. Wir haben nie gesagt, dass in Kiew Faschisten regieren würden. Wir haben nur kritisiert, dass es in Teilen der ukrainischen Politik und Öffentlichkeit eine Verehrung für Faschisten wie Stepan Bandera gibt, der mit den Nationalsozialisten kollaboriert hat. Alle anderen Vorwürfe sind genauso haltlos. Die Autorin ist übrigens Mitglied bei den Grünen. Ich halte diesen Brief für ein schmutziges Wahlkampfmanöver.
Apropos Wahlkampf: Wie unterscheiden Sie sich beim Thema Migration von der AfD?
Die AfD wirbt mit Remigration, spricht in menschenverachtender Weise von Flüchtlingen und Migranten. Das hat nichts mit unserer Politik zu tun. Wir schüren keinen Hass oder Vorurteile. Wir benennen reale Probleme und bieten Lösungen an.
Und was sind Ihre Vorschläge?
Wir wollen die Anreize, nach Deutschland zu kommen, reduzieren. Dafür müssen Geldleistungen für abgelehnte Asylbewerber gestrichen werden. Wir brauchen schnellere Verfahren, auch an den EU-Außengrenzen, damit diejenigen, die keinen Asylanspruch haben, schneller wissen, woran sie sind, und am besten gar nicht erst einreisen und diejenigen, die einen Asylanspruch haben, schneller und besser integriert werden können. Integration klappt nur gut, wenn man unsere Kapazitätsgrenzen, die es nun einmal gibt, nicht überschreitet.
Migration, Krieg und Frieden sind allerdings Themen, bei denen große Entscheidungen nicht von den Ländern getroffen werden. Täuschen Sie den Wählern nicht eine Handlungsfähigkeit vor, die Sie nicht haben werden – selbst wenn Sie Teil einer Landesregierung sind?
Nein. Auch wenn über Krieg und Frieden am Ende auf Bundesebene entschieden wird, hat eine Landesregierung die Möglichkeit, über den Bundesrat Initiativen einzubringen und Druck zu machen. Außerdem kann eine Landesregierung etwa unmittelbar entscheiden, dass die Schulen und Universitäten frei bleiben von Werbung für das Militär. Auch bei der Migration haben die Länder Spielräume, innere Sicherheit ist ein wichtiges Landesthema.
Zuletzt hat Sahra Wagenknecht gesagt, dass das BSW sich nur an einer Landesregierung beteiligen wird, die die US-Pläne zur Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland ablehnt. Gehört das Thema nicht eher in einen Bundestagswahlkampf?
Wir nutzen als BSW unsere Stimme, um auf die Gefährlichkeit dieses Vorhabens hinzuweisen und darauf zu drängen, dass es nicht zu dieser Stationierung kommt. Denn dadurch steigt für Deutschland die Kriegsgefahr, sogar die eines nuklearen Angriffs. Die Stationierung der Mittelstreckenwaffen ist Teil einer weiteren Eskalation. Wir als BSW sind so entschieden dagegen, dass wir das zur roten Linie für eine Regierungsbeteiligung machen.
Aber die Landesregierungen in Thüringen oder Sachsen haben da nicht viel zu melden. Genau so etwas bringt doch Politikverdruss: Wenn Sie den Wählern vorgaukeln, dass Sie damit was ändern könnten.
Nein, im Gegenteil. Was Verdruss bringt, ist, im Wahlkampf etwas zu versprechen und nach der Wahl davon nichts mehr wissen zu wollen. Alles mitzumachen, nur um zu regieren. Genau das machen wir nicht. Wir garantieren stattdessen: Wir werden in keiner Landesregierung sein, die die Raketenstationierung einfach so hinnimmt oder gar befürwortet. Wir werden uns dafür einsetzen, dass über die Bundesländer Druck gegen die Stationierung gemacht wird.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer unterstützt die Stationierung von US-Raketen. Fällt damit die Option einer Koalition des BSW mit der dortigen CDU weg?
Wenn er darauf besteht, dass die Landesregierung diese Position teilt, dann ja.
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