Diekirch / Bürgermeister Charel Weiler im Gespräch: An Projekten fehlt es nicht – an Geld schon
Vom Innenverteidiger zum Stürmer. In etwa so könnte man den neuen CSV-Bürgermeister der Gemeinde Diekirch umschreiben. Der leidenschaftliche Fußballspieler sagt von sich selbst, dass er nie der große Techniker, dafür aber ein verbissener, ja, auch aggressiver Ausputzer auf dem Rasen war. In diesem Jahr wurde der Sohn des früheren CSV-Politikers Lucien Weiler zum Stürmer, eroberte er doch im Sturm zuerst den Posten des Ersten Bürgers der Brauereistadt und später ein Abgeordneten-Amt. Wir lassen den Nationalpolitiker heute mal außen vor und sprechen mit ihm über seine Aufgabe als Bürgermeister.
„Eng aner Aart a Weis vu Politik fir Dikrech“: Unter diesem Leitmotiv stellten Charel Weiler und seine beiden Schöffen José Lopes Gonçalves (DP) und Paul Bonert (CSV) die Schöffenratserklärung für die Mandatsperiode 2023 bis 2029 vor. „Die Arbeit im Gemeinderat soll transparenter und partizipativer werden, als das die letzten Jahre unter der Stabführung der LSAP der Fall war“, so Charel Weiler am Mittwoch dem Tageblatt gegenüber. „Ich möchte damit sagen, dass wir, so weit es machbar ist, nicht allein die Opposition in Planungen und Diskussionen miteinbeziehen wollen, sondern uns auch die Bürgerbeteiligung groß auf die Fahne schreiben.“
Bei größeren Projekten sollen künftig Arbeitssitzungen stattfinden, zu denen nicht nur die CSV-DP-Mehrheit eingeladen wird, sondern auch die Opposition. „Warum soll eine gute Idee der Opposition nicht den Weg in die Planungen finden?“, so Weiler. „Warum soll ein Oppositionsrat nicht wissen, was und wie geplant wird? In den Jahren, in denen die LSAP die absolute Mehrheit hatte und die CSV die Oppositionsbank im Gemeinderat drückte, habe ich nichts mehr gehasst als die Situationen, in denen ich von Bürgern zu einem Projekt der Gemeinde angesprochen wurde und keine Antworten geben konnte.“
Und die Transparenz beginne schon im Schöffenrat, so der Bürgermeister weiter. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass sich der Bürgermeister und die beiden Schöffen auf Augenhöhe begegnen würden, was eine gute und konstruktive Zusammenarbeit leichter mache. „Bis dato läuft das wirklich optimal.“ Im gleichen Atemzug erwähnte Charel Weiler auch die Öffnung aller beratenden Gemeindekommissionen, die von nun an paritätisch besetzt werden, das heißt, dass jede im Gemeinderat vertretene Partei die gleiche Anzahl an Posten bekommt und sich ebenfalls Bürger melden können, um mit am Tisch zu sitzen. Letzteres gelte aber lediglich für die Kommissionen, deren Besetzung nicht von Gesetzes wegen geregelt ist.
Wie gut und schnell man mit solchen Kommissionen zusammenarbeiten könne, habe ein Beispiel aus den letzten Tagen gezeigt. Im Bereich der Grundschule auf der „Kluuster“ hätten die Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, täglich für Staus sowohl auf der „Kluuster“ selbst als auch in den benachbarten Straßen gesorgt. Kurzfristig habe man nun erreicht, dass an der Bushaltestelle entlang der „Kluuster“ ein „Kiss and ride“-Bereich angelegt wurde, in dem die Eltern kurz anhalten und ihre Kinder absetzen können. Das Problem der erwähnten Rückstaus sei damit gelöst.
Was nun die weitere Schöffenratserklärung anbelangt, zu der die Opposition in der kommenden Gemeinderatssitzung am 23. November um 18.00 Uhr Stellung nehmen wird, dreht sich diese hauptsächlich um die großen Themen wie die Projekte „Dräieck Dikrech“, „Cité militaire“ (Wohn- und Verwaltungsgebäude sollen dort entstehen), Parkhaus am Bahnhof (das voraussichtlich für die „Rentrée“ 2024 fertiggestellt sein soll), ein neues Gebäude für die industriellen Gemeindedienste an der Felser Straße und das dringend benötigte Stadtarchiv in der Villa Conter sowie eine neue Musikschule. Nicht zu vergessen sind eine Erweiterung der Grundschulinfrastruktur, das Prinzip eines autofreien Stadtkerns, die Vergrößerung des Eingangsbereichs des Militärmuseums, der einen sehr großen Besucherandrang hat, und die Einführung eines Cyclo-Pedi-Busses für die Schulkinder. Insgesamt beinhaltet die Schöffensratserklärung viele Ideen und Projekte in den Bereichen Verwaltung, Schule, Gebäude, Sicherheit, Jugend, städtische Entwicklung, Sport, Verkehr, Gemeindedienste, Energie, Umwelt, Digitalisierung, Kultur, Soziales, „Nordstad“ und Finanzen.
Ein großes Fragezeichen
Wir wollen prüfen lassen, ob die Möglichkeit besteht, das Areal und den Bau für die Erweiterung der Grundschulinfrastruktur oder für die neue Musikschule zu nutzenBürgermeister, zum Projekt Seniorenresidenz
Apropos Finanzen: Bis dato thronte über dem Gemeindesäckel ein großes Fragezeichen. „Wir sind dabei, uns ein genaues Bild über die finanzielle Lage der Gemeinde Diekirch zu machen. Genaues kann ich daher im Moment nicht sagen, nur so viel sei gesagt: Die finanzielle Situation ist angespannt. Wir kommen nicht umhin, eine Anleihe zu tätigen, wollen wir über die Runden kommen. Und wenn man heute von Anleihe spricht, dann weiß man, wie teuer das dank der aktuellen hohen Zinsen wird. Im Wahlkampf haben wir als CSV bereits darauf aufmerksam gemacht, dass es besser gewesen wäre, unsere Vorgänger hätten Anleihen zu Zeiten getätigt, in denen die Zinsen noch niedriger waren.“
Charel Weiler machte keinen Hehl daraus, dass die 10 Millionen Euro, die im Mai dieses Jahres im Rahmen des ominösen Projekts einer Seniorenresidenz von der stabführenden LSAP an den Bauherrn zwecks Kauf des Areals samt bereits bestehender Pläne bezahlt wurden, ein riesengroßes Loch in den Gemeindefinanzen hinterlassen hat. Auf Tageblatt-Nachfrage, wie es denn nun mit diesem Projekt weitergehen soll, gab Charel Weiler zu verstehen, dass das gesamte Dossier einer Neubewertung unterzogen wird. „Wir wollen prüfen lassen, ob die Möglichkeit besteht, das Areal und den Bau für die Erweiterung der Grundschulinfrastruktur oder für die neue Musikschule zu nutzen.“
Thema Grundsteuer
Unter dem damaligen LSAP-Bürgermeister Claude Haagen wurde 2020 (mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021) der Hebesatz für die Grundsteuer auf nicht bebautem Terrain, das im Bauperimeter der Gemeinde Diekirch als Bauland ausgewiesen ist, von 750 auf 15.000 Prozent erhöht. „Dabei geht es um Bauplätze, die seit Jahren oder Jahrzehnten brach liegen und für die die Besitzer jährlich eine bis dato eher lächerliche Grundsteuer bezahlen müssen. Damit ist jetzt Schluss“, so Haagen damals gegenüber dem Tageblatt.
Die damalige CSV-Oppositionsfraktion hätte sehr wohl einer Erhöhung dieses Steuerhebesatzes zugestimmt, hätte aber gleichzeitig die zwanzigfache Verteuerung infrage gestellt, so Weiler am Mittwoch. „Es gibt bekanntlich betroffene Bürger, die wegen dieser Grundsteuererhöhung vor das Verwaltungsgericht gezogen sind. Wir warten darauf, ob das Urteil aus erster Instanz nun im Berufungsverfahren bestätigt wird. Sollte es zugunsten der Kläger ausgehen, wird eine Rückzahlung der zu viel geleisteten Steuerabgabe unumgänglich sein. Das prüfen wir aber bereits jetzt zusammen mit dem Innenministerium und Anwälten, da sich verschiedene juristische Fragen stellen.“
Zur Person
Charel Weiler …
… wurde am 18. September 1986 in Luxemburg geboren;
… besuchte die Grundschule und anschließend das Lyzeum in Diekirch;
… studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Luxemburg und Straßburg;
… ist von Beruf Anwalt (zurzeit Jurist);
… lebt mit seiner Partnerin Cathy in Diekirch;
… gibt Fußball, Wandern und Kochen als Hobbys an.
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