Mobilität in Esch / Bürgermeister Mischo im Interview: Die Bilanz der letzten zwölf Monate
Die 20. europäische Mobilitätswoche ist vorbei. Auch Esch beteiligte sich wieder mit einigen Veranstaltungen. Was hat sich im letzten Jahr in der zweitgrößten Stadt des Landes in Sachen Mobilität getan? Wir haben nachgehakt bei Bürgermeister Georges Mischo (CSV), zu dessen Ressorts die Mobilität gehört.
Tageblatt: Vor einem Jahr sagten Sie im Tageblatt-Interview zur „Semaine de la mobilité“, dass noch viel zu tun sei in Sachen Mobilität in Esch. Was ist in den letzten zwölf Monaten dahingehend geschehen?
Georges Mischo: Eine ganze Reihe von Sachen. Wir haben verschiedene Radwege ausgebaut und andere verbessert. Wir haben im Gemeinderat auch beschlossen, die Alzettestraße für Fahrräder zu sperren, weil es zu viele gefährliche Situationen gab. Natürlich sind viele auch normal da durchgefahren, doch die Mehrheit muss dann wie so oft unter denen leiden, die sich an nichts halten. Das ist bedauerlich, aber es ist nun mal so.
Das Verbot steht, aber an der Situation hat sich nicht viel geändert. Man hat den Eindruck, dass genauso viele Fahrräder oder Roller in der Alzettestraße unterwegs sind als vor dem Verbot.
Wir haben ein großes Problem: Unsere „agents municipaux“ können immer noch nicht einschreiten, weil das Gesetz zur Erweiterung der Kompetenzen der „Pecherten“ hängt und nicht durch das Parlament ist. Das ist äußerst bedauerlich. Für den 6. Oktober habe ich ein „comité de prévention“ einberufen. Da ist die Polizei mit dabei und auch die Staatsanwaltschaft. Wir haben gesagt, wir schauen uns die Situation an, ob sie besser wird. An einigen Tagen ist das so, an anderen nicht. Also werden wir jetzt mit der Polizei Rücksprache halten, um aktiv zu werden. Noch einmal präventiv. Wenn es dann aber immer noch nicht klappt, dann muss es Strafzettel geben. Das ist zwar die letzte Möglichkeit, aber wenn die Leute sich einfach nicht daran halten, dann muss es einmal weh tun im Portemonnaie. Eine andere Möglichkeit ist z.B. das Vël’OK-System. Die Nummern aufschreiben und dem Betroffenen dann eine Woche die Benutzerkarte sperren.
Aufreger Alzettestraße
Für Diskussionen hat die Alternativroute durch die Kanalstraße gesorgt. Zu gefährlich. Zudem wurde im unteren Teil der Brillstraße eine Alternativroute eingezeichnet, die vielleicht als Pumptrack, aber sicher nicht als Radweg durchgehen kann in Anbetracht des katastrophalen Straßenbelags. Eine Hälfte wurde vor den Sommerferien ausgebessert, wann ist der Rest dran?
Ja, der erste Teil war nicht gut, den haben wir glattgezogen. Dann kam der Kollektivurlaub. Der zweite Teil müsste in den nächsten Tagen drankommen.
Hätte man das nicht anders lösen können? Der erste Radstreifen wurde über den ganzen Schlaglöchern eingezeichnet. In Anbetracht des Zustands der Straße kann das von Radfahrern auch als regelrechte Provokation gesehen werden, nachdem sie aus der Alzettestraße verbannt wurden.
So war es sicher nicht gemeint. Das war nicht besonders glücklich. Aber wir haben reagiert mit dem ersten Teil. Und was die Kanalstraße angeht: Ich fahre seit 40 Jahren mit dem Rad durch die Kanalstraße und hatte noch nie eine gefährliche Situation. Zudem ist sie seit einiger Zeit eine Tempo-30-Zone, Fahrrad und motorisierter Verkehr müssen hier aufeinander aufpassen.
Ein weiteres Problem der Alternativroute ist, dass ständig Autos auf dem neuen Radstreifen parken.
Das ist in der Tat sehr bedauerlich und nervt mich kolossal. Da müssen dann die „agents municipaux“ einschreiten. Es ist wie mit den „jardins éphémères“ (das Interview wurde bei der Einweihung der temporären Beete vor einer Woche geführt, Anm. d. Red.). Dafür werden drei Parkplätze während eines Monats geopfert und dann gibt es fast Krieg mit den Anwohnern. Man kann nicht immer sagen: Wir müssen auf sanfte Mobilität setzen und unsere Umwelt schützen und sich dann so aufregen. Der Klimawandel ist ein Fakt, wie man auch unlängst mit den Überschwemmungen gesehen hat. Es ist nicht zu akzeptieren, dass sich unsere Leute beim Aufbau der temporären Beete Frechheiten anhören müssen.
Mehr Platz für Menschen?
Stichwort Radwege. Auch dort ist noch einiges zu tun in Esch. Was ist in den letzten zwölf Monaten geschehen?
Viele sind neu eingezeichnet worden. Dann sollte am Radweg in Lallingen gearbeitet werden, doch da hat uns der Eichenprozessionsspinner einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das soll aber noch gemacht werden, einhergehend mit einer Verbesserung der Beleuchtung an diesem Teil des Radweges. Auch Ausbesserungen auf der Straße gehören dazu. Zum Beispiel der untere Teil der Beleser Straße. Kleinere Schlaglöcher waren dort. Auch das ist wichtig auszubessern, damit die Radfahrer, die da auf der Straße fahren, nicht in eine gefährliche Situation geraten.
In Lallingen bei der „Aérodrome“-Schule hängen kleine Plakate der Schüler mit dem Tenor: Wir Kinder brauchen mehr Platz. Ist es realistisch für eine Stadt wie Esch, den Menschen wieder mehr Straße zurückzugeben?
Ja, ich denke schon. Ich habe in München gesehen, dass man dort im Sommer Straßen für den Verkehr sperrt, damit Kinder tagsüber dort spielen können. Das kann ich mir gut hier vorstellen, auch wenn es Diskussionen geben wird. Das Einwohnerparken ist in diesem Kontext wichtig. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Das soll zum Beispiel auch in der Emile-Colling-Straße in Lallingen kommen. Da muss dann auch kein anderer mehr durchfahren. So etwas sind kleine Aktionen, die die Sache aber vorteilhaft verändern können. Klar ist aber auch, dass das Auto in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht verschwinden wird.
Es gibt extrem proaktive Vorgehensweisen zur Förderung der sanften Mobilität, wie zum Beispiel in holländischen Städten oder in Kopenhagen oder Paris. Vor einem Jahr haben Sie auf die Frage, ob das auch in Esch möglich sei, davon gesprochen, dass es ein langer Prozess dahin ist. Ist Esch in diesem Prozess zumindest ein bisschen weitergekommen oder wird etwa auf ein Gesamtkonzept mit den neuen Stadtvierteln „Rout Lëns“ und Esch-Schifflingen gewartet?
Nein, wir können das angehen. Es gibt den Fahrradboom, das ist Fakt. Aber man muss die Sachen auch ein wenig kritisch sehen. Menschen, die jahrelang kein Fahrrad gefahren sind, müssen sich jetzt erst daran gewöhnen und im Verkehr klarkommen. Es geht schließlich um das Miteinander. Die Fahrradkultur, die z.B. die Holländer haben, die haben wir nicht oder zumindest noch nicht.
Auch das Geschäft mit den E-Rollern boomt. In Städten wie Brüssel oder Köln gibt es einen regelrechten Wildwuchs mit Leih-Rollern, die dann überall im Stadtbild herumstehen bzw. -liegen. Können Sie das für Esch ausschließen?
Ja, ohne feste Stationen ist das einfach schrecklich.
Verkehrsgarten und „Fourrière“
Sie haben es gesagt, Radfahren muss auch gelernt werden. Das gilt besonders für Kinder. Gibt es etwas Neues in Sachen Verkehrsgarten, denn der unter der Ausziehbrücke ist seit einer gefühlten Ewigkeit gesperrt?
Ja, wir machen jetzt eine Mini-Studie, und zwar im Ellergronn in der Nähe der Jeunesse-Trainingsfelder. Dort soll ein neuer Verkehrsgarten entstehen.
Wie lange wird das noch dauern?
Wie gesagt, das wird jetzt studiert. Ich würde sagen, dass wir im nächsten Frühjahr oder Sommer damit beginnen können.
Zur Mobilität gehören auch Parkplätze, z.B. in der rue Barbourg. Gibt es einen neuen Moment im Dossier „Fourrière“?
Wir arbeiten weiter an einer Lösung. Im Moment sieht es gut aus (ein Gelände auf der Brache des Esch-Schifflinger Stahlwerks soll als provisorische „Fourrière“ dienen, Anm. d. Red.). Auch habe ich den zuständigen Minister Henri Kox gesehen. Der hat mir versichert, dass die von der Regierung angestrebte Lösung in Raemerich eine definitive sein wird und keine temporäre. Da hatte es gehakt, aber nun geht es weiter. Trotzdem wird es bis 2023 dauern. Also werde ich keine Ruhe geben, bis eine temporäre Lösung steht. Die Situation in der rue Barbourg ist untragbar und nervt jeden, auch die Polizei.
- Neue Spielplätze sind nicht öffentlich zugänglich – Fragen zu Auslandsreisen und frEsch - 10. Januar 2025.
- Einstweilen nicht weit her mit der neuen Transparenz in Esch - 10. Januar 2025.
- Parkplatzsperrung erregt Gemüter im Bruch-Viertel, Gemeinde beschwichtigt - 9. Januar 2025.
Ich kann mich bloss an die vielen Skandale erinnern, Heizungen, Wasserabsperrungen, Keeseminnen, Vëloswee, Südspidol…