Wiltz / Bürgermeisterin Carole Weigel: „Haben hohe Schulden, die wir unbedingt abbauen müssen“
Mit 38 Jahren wurde sie 2017 aufseiten der CSV mit 785 Stimmen in den Wiltzer Gemeinderat gewählt. Beim Urnengang im Frühjahr dieses Jahres konnte sie ihr Resultat deutlich verbessern und landete mit 1.118 Wählerstimmen parteiintern auf dem dritten Platz. Die Rede geht von Carole Weigel, einem „Wooltzer Meedchen“, das sich seit Jahren sowohl im lokalen Vereinsleben als auch in der Betreuung von Jugendlichen engagiert.
„Die Wahlresultate, vor allem die Listenstimmen, machten deutlich, dass die Wiltzer einen politischen Wechsel im Rathaus wollten. Daher war es für uns klar, dass wir diesem Auftrag nachkommen und mit der DP einen neuen Koalitionspartner an Bord nehmen mussten“, sagte Carole Weigel vor wenigen Tagen gegenüber dem Tageblatt.
Die Ardennenstadt hüllte sich an diesem Morgen noch in einer dichten Nebeldecke. Die „Groussgaass“ gab schon allein wegen des Nieselregens ein eher tristes Bild ab. „Es wird höchste Zeit, dass in puncto lokale Geschäftswelt etwas passiert“, so ein „Stackweeltzer“, dem wir beim Eintreten ins Rathaus begegneten. In der Empfangshalle, die mit einem Blumenteppich aus kleinen Mosaiksteinen gefliest ist, begrüßte uns eine Dame mit dem Satz „Dir kommt bestëmmt bei d’Carole“ und fügte hinzu „pardon, bei d’Madamm Weigel“.
Das Rathaus an der „Schlasskéier“ hat Charakter. Es ist kein modernes, rechteckiges oder quadratisches Gebäude, wie wir sie heute in vielen Ecken des Landes sehen, sondern ein Haus mit einer Seele. Die frühere Villa Thilges, die 1880 gebaut wurde, kam 1963 in den Besitz der Gemeinde und dient seit 1966 als Rathaus. Über eine majestätische Treppe ging es hoch in die erste Etage. Lächelnd gab uns die neue Bürgermeisterin, begleitet vom Zweiten Schöffen Amel Cosic (DP), zu verstehen, dass sie eben erst mit der Bescherung für das Gemeindepersonal fertig sei. „Wir haben über 100 ‚Boxemännercher‘ verteilt“, sagte Carole Weigel. „Eine kleine Geste, die aber sehr gut ankam.“
Eingangs unseres Gesprächs machte die Politikerin keinen Hehl daraus, dass sie nie an den Bürgermeisterposten gedacht hatte. „Meine Parteikollegen Albert Waaijenberg und Patrick Comes hatten mehr Wählerstimmen als ich, doch in den Diskussionen nach den Wahlen wollte Erstgenannter aus verschiedenen Gründen das Amt nicht annehmen und Patrick Comes drehte uns und der CSV kurzerhand den Rücken zu und sitzt heute als Parteiloser im Gemeinderat. Ich war überrascht, als es plötzlich hieß, ich solle das Bürgermeisteramt übernehmen. Ich habe es mir lange überlegt, das Ganze mit meiner Familie durchdiskutiert, das Für und Wider abgewogen und mich dann erst entschieden, den Vorschlag meiner Fraktionskollegen und -kolleginnen anzunehmen.“
Als Gemeinderätin aufseiten des vorigen Koalitionspartners der LSAP unter Bürgermeister Fränk Arndt hatte sie bereits Kenntnisse, was einen Großteil der Dossiers anbelangte, doch, so Weigel, sei die Arbeit eines Ratsmitgliedes keinesfalls vergleichbar mit der eines Bürgermeisters. „Ich stand plötzlich vor Problemen und Problemchen, von denen ich als Rätin nie etwas mitbekommen habe. Die vom Syvicol angebotenen Kurse sowie die gute Zusammenarbeit mit meinen beiden Schöffen Chantal Kauffmann (CSV, Anm. d. Red.) und Amel Cosic haben mir sehr geholfen.“
1.000 Wohneinheiten
Auf die Prioritäten und anstehenden Projekte der Gemeinde Wiltz angesprochen, wurde der Gesichtsausdruck der Bürgermeisterin plötzlich sehr ernst. „Wir müssen uns der Decke nach strecken. Wir haben hohe Schulden, die wir unbedingt abbauen müssen.“ Sie wollte keine genauen Angaben machen, da der Gemeindehaushalt erst in der Ratssitzung vom 15. Dezember zur Sprache kommen wird, doch die Aussage „Es sieht wirklich nicht gut aus“ lässt so manches erahnen.
Natürlich werde man alles daransetzen, die Projekte, die bereits in der vergangenen Mandatsperiode auf die Schienen gesetzt wurden, voranzutreiben. Da wäre zum Beispiel das Projekt „Schlasskéier“, das zusammen mit dem „Centre hospitalier du Nord“ realisiert werden und den Ausbau der medizinischen Versorgung in dieser Region sichern soll, oder auch noch das umfangreiche Wohnungsbauprojekt „Wunne mat der Wooltz“ auf den Industriebrachen, das in Zusammenarbeit mit dem „Fonds du logement“ den Bau von rund 1.000 Wohneinheiten vorsieht, wobei auch auf die soziale Durchmischung geachtet werden soll. Hinzu kommen noch das Wohnungsbauvorhaben „op Heidert“ und viele weitere Projekte.
„Ende nächsten Jahres, so ist es geplant, sollen die ersten Wohnungen in ‚Wunne mat der Wooltz‘ einzugsbereit sein“, gab Weigel bekannt. Nach Fertigstellung dieser Wohneinheiten soll die Bevölkerungszahl um 2.500 bis 3.000 auf 11.000 und mehr steigen. Die Gemeinde und ihre Infrastruktur müssen auf diesen schnellen Zuwachs vorbereitet sein. Hierzu sei in den vergangenen Jahren bereits vieles unternommen worden, beispielsweise das neue Grundschulgebäude ‚an der Géitz‘, das zwar zurzeit inmitten einer großen Baustelle steht, später aber Teil des Wohnprojekts ‚Wunne mat der Wooltz‘ sein wird. Doch die neue Bürgermeisterin hat deutliche Worte: „Abgesehen davon bleibt aber weiterhin viel zu tun.“
Carole Weigel wollte den Punkt „Wohnungsbau“ während unseres Gesprächs aber nicht abschließen, ohne auf eine traurige Tatsache hinzuweisen. „In letzter Zeit haben einige der Interessenten an den erwähnten zukünftigen Wohneinheiten einen Antrag auf Auflösung ihres Kauf- bzw. Mietvertrags gestellt, da sie bei den in die Höhe schnellenden Baupreisen sowie Zinssätzen der Banken finanziell nicht mehr mithalten können.“
Mehr kleine und mittlere Unternehmen
Sorgen bereiten der Bürgermeisterin nicht nur die Gemeindefinanzen, sondern auch das triste Dasein der „Groussgaass“ in Wiltz, da es dort nur noch wenige Geschäfte gibt. Deshalb habe sich die Gemeinde dazu entschlossen, so weit wie möglich Häuser mit Geschäftslokalen in dieser Straße zu erstehen. Nach einer Renovierung möchte man die Geschäftslokale im Erdgeschoss sowie die Wohnungen in den oberen Etagen zu erschwinglichen Preisen vermieten. Auf diese Weise sollen das Leben und die lokale Geschäftswelt im Kern der Ortschaft wieder angekurbelt werden. „Alles in allem fehlt es in unserer Gemeinde an Klein- bis Mittelbetrieben“, meinte Weigel. „Wir müssen zusehen, dass wir auch für Betriebe dieser Art attraktiver werden.“
Ein letzter Punkt galt noch dem Thema Tourismus. Die Region ist über die Landesgrenzen hinaus als touristisches Ziel bekannt. Es gibt vieles in dieser Region zu sehen: herrliche Wanderwege, eine Unmenge an Sehenswürdigkeiten, Campingplätzen und Hotels. Apropos Camping: „Wir plagen uns seit längerem mit der Neugestaltung des Freiluftschwimmbads auf dem Camping Kaul herum“, sagte Weigel dazu. „Es wurde bereits viel darüber geredet und es wurden ‚Projekte‘ vorgestellt, doch bis dato liegt außer einer Machbarkeitsstudie nichts Konkretes vor. Wir haben dazu Ideen, doch es ist zu früh, um Genaueres zu sagen.“
Auf die Zusammenarbeit mit der LSAP-Opposition im Gemeinderat angesprochen, gab uns die Bürgermeisterin abschließend Folgendes zu verstehen: „Die CSV hat während der vergangenen Mandatsperiode sehr gut mit der LSAP zusammengearbeitet. Es gibt für uns keinen Grund, dass sich daran heute etwas ändern soll. Eine kritische Opposition ist immer gut, wenn es dabei um die Sache geht. Personenbezogene Attacken oder lokalpolitisches Geplänkel sind für mich fehl am Platz. Im Wiltzer Gemeinderat sind mit der CSV, der DP und der LSAP nur drei Parteien vertreten, es müsste also durchaus möglich sein, sich zusammen für die Interessen der Bürger einsetzen zu können.“
Zur Person
Die 1979 in Luxemburg geborene Carole Weigel wohnt seit ihrer Kindheit in Wiltz. Sie besuchte dort die Grundschule, bevor sie in Fentingen den Beruf der Erzieherin erlernte. Heute arbeitet sie als „Educatrice“ im Vorschulunterricht. Carole Weigel ist verheiratet und hat eine 15-jährige Tochter und einen 12-jährigen Sohn. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in der Betreuung von Jugendfeuerwehrleuten beim CGDIS, ist Mitglied einer Theatergruppe, im Verwaltungsrat der „Kannerhaus asbl.“ und der lokalen Vereins-Entente.
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