Editorial / „Cancel Culture“ kann tiefe Gräben reißen
Insbesondere jüngere, Social-Media-affine Personen werden wohl sofort wissen, worum es geht, wenn das Stichwort „Cancel Culture“ fällt. Wird eine Person „gecancelt“, heißt dies, dass sie wegen umstrittener Aussagen oder Taten öffentlich (häufig in den sozialen Medien) an den Pranger gestellt wird und so lange „gemieden“ wird, bis sie sich ehrlich für den kritisierten Umstand entschuldigt und sich bemüht, daraus zu lernen. Meist trifft dies berühmte Persönlichkeiten, die selbst auf den Plattformen aktiv sind. Aber auch Unternehmen, Marken oder Vereine können wegen ihrer Handlungen, Aussagen oder politischen Meinungen von Verantwortlichen ins Kreuzfeuer geraten.
„Cancel Culture“ ist von der Idee her nichts Neues. Das Prinzip ähnelt stark dem von einem „altbackenen“ Boykott oder Streik. Man versucht, durch öffentlichen Druck und wirtschaftlichen Schaden ein Umdenken zu bewirken. Boykottiert man zum Beispiel einen Musiker wegen seiner politischen Einstellung, kauft man dessen Platten nicht. Dadurch hat dieser weniger Gewinn – und die Person ist gezwungen, sich mit dem Wieso und Warum auseinanderzusetzen, wenn ihm die Fans massenweise davonlaufen.
Ein paar konkrete Beispiele: Nestlé wurde 1977 wegen der aggressiven Vermarktung von Muttermilch-Ersatzstoffen von Aktivistengruppen boykottiert. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA setzte in den 50er- und 60er-Jahren auf Boykotts, um die Rassentrennung anzuprangern. 32 afrikanische und asiatische Nationen boykottierten 1986 die Commonwealth-Spiele wegen der Position der britischen Regierung unter Thatcher zu Südafrika.
„Cancel Culture“ kann manchmal Hand in Hand mit einem Boykott daherkommen. Wenn denn diejenigen, die einen „canceln“, es nicht bei einem Lippenbekenntnis belassen. Oder das Stigma des „Gecancelt-Seins“ dazu führt, dass Sponsoren abspringen und man nicht mehr zu bestimmten Events eingeladen wird.
Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen „Cancel Culture“ und einem „Boykott“ – und dieser liegt in der Essenz des heutigen Internet-Zeitalters: Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit. Ein wirksamer Boykott, bei dem Hunderttausende oder Millionen Menschen mitmachen, braucht Zeit, um organisiert zu werden. Er passiert nicht „einfach so“. Er wird meist dann eingesetzt, wenn alle andere Wege ausgeschöpft sind. Wenn trotz zahlreicher Diskussionen die Person, das Land oder das Unternehmen die eigene Position einfach nicht verändern will.
„Gecancelt“ werden kann man im Internet jederzeit von jedem – ohne dass überhaupt ein Gespräch stattgefunden hat. Deine Aussage passt mir nicht? Gecancelt. Ich finde, du bist rassistisch, homophob, rechtsradikal, linksradikal, zu grün eingestellt, nicht grün genug? Gecancelt. Du warst vor 20 Jahren mit einem befreundet, der heute Frauen begrabscht, und entschuldigst dich nicht sofort dafür? Gecancelt. Gestrichen. Mit dir muss ich nicht mehr reden.
Wer diese Art von „Cancel Culture“ weitertreibt, mag manchmal zwar die richtige Person an den Pranger stellen. Doch es trifft auch Menschen wegen Aussagen, die sie so nicht gemacht haben, die aus dem Kontext gerissen sind oder die sehr viel nuancierter waren, als beim „Canceln“ dargestellt. Wenn das „Canceln“ in einer Mob-Mentalität endet, bringt das niemanden weiter. Im Gegenteil: So werden die Gräben zwischen unterschiedlichen Meinungen nur noch größer. Es entstehen Blasen, in denen alle der gleichen Ideologie angehören. Wenn wir uns nur noch anschreien und beschimpfen, statt aufeinander zuzugehen und zu diskutieren, wird aus Dissens und Differenz Hass und Verachtung.
- „Nach all dem was passiert ist, ist man verunsichert“ - 15. November 2024.
- Bei den Wahlen in den USA ist das Chaos vorprogrammiert - 2. November 2024.
- Rechte für Menschen mit einer Behinderung: Es reicht mit den leeren Versprechungen - 14. Oktober 2024.
Kein Wunder man „ ons Aal „ immer mehr zur Seite drängt ,diese Anglizismen uns das Leben immer mehr versauern, wir uns direkt in der Gesellschaft „ outen „ indem wir „ an d‘Solden gin , net an Sale, onsen Team Leader nach emmer den Premier genannt , Task Force eppes militäeresches un sech huet, den After Work wuel beim Schmelzaarbechter en Patt huelen wor, d‘Scouten an d‘Versammlung gang sin an net op en Meeting ,…….“ Trotz meiner Dinosaurierkultur dieses „ Canceln“ gefällt mir , werde es an der Wahlurne direkt ausprobieren.
Et ass ewéi bei allem, eng Mëttelmooß, mais dat ass nët méi garantéiert, dofir och ech cancel Gambia asap!
Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit
Sin genau dei richteg Wieder fir eis Gesellschaft.
Et hellt kee sech Zeit méi fir irgendeppes.Emmer Errechbar,emmer „connected“ an dauernd d’Aan op Handy,Smartphone etc geriicht.Verschidden Leit wessen bestemmt net méi wéi eng Fuerw d’Blieder un de Beem hun.Vill gin der net méi spazeieren well se keen signal méi a verschiddenen Bescher um Handy hun…amplatz dat Dengen emol doheem ze loossen.
Wann ech mat mengen Kanner an hiren Frenn zesummensetzen,geht et haaptsächlech em d’Iwerflächlechkeet,em de Materialismus an em viiiill Topegkeeten.An emmer cool sin.
No enger bestemmtener Zeit muss ech mech hiewen an treppele goen.
Ech sin eben „Aal“ wéi den @Blücher seet.
„Boykottiert man zum Beispiel einen Musiker wegen seiner politischen Einstellung, kauft man dessen Platten nicht.“
Der Autor scheint schon etwas seht alt zu sein.