Retro 2020 / Cannabis ist besser als sein Ruf
Bis die Hanfprohibition in den 1940er von den USA rund um die Welt ging, wurde Cannabis vom einfachen Bauer bis zum König genutzt und geschätzt. Die bevorstehende Legalisierung von Marihuana kann allerdings nur gelingen, wenn der schlechte Ruf der Pflanze aufpoliert wird.
„Es gibt nur eine Pflanze, die als nachwachsender Rohstoff in der Lage ist, den größten Teil an Papier, Textilien und Nahrungsmitteln sowie des Energieverbrauchs zu liefern und die zugleich die Umweltverschmutzung eindämmt, die Böden verbessert und unsere Luft reinigt: es ist eine alte Gefährtin, die dies schon immer getan hat: Cannabis, Hanf, Marihuana“, schrieb der US-Schriftsteller und Hanfaktivist Jack Herer 1993 in seinem Buch „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“. Jahrtausende lang wurde Hanf als Nutzpflanze rund um den Globus angebaut und für seine Robustheit geschätzt. Die neue Welt wurde dank reißfester Taue und Segel aus Hanf entdeckt. Johannes Gutenberg druckte seine Bibel auf Hanfpapier. Im Zweiten Weltkrieg ließen die Amerikaner die Kampagne „Hemp for Victory“ anlaufen und die Soldaten der Roten Armee trugen Unterwäsche aus Hanf. Henry Ford präsentierte 1941 ein „Auto, das vom Acker wuchs“. Betankt wurde das Auto mit Hanfdiesel und die Karosserie bestand aus Hanfkunststoff. Das Auto ging jedoch nie in Serie. Erste schriftliche Quellen, die von der heilenden Kraft des Hanfs berichten, gehen auf den chinesischen Kaiser Shen Nung (2730 v. Chr.) zurück. Die berauschende Wirkung von THC (Tetrahydrocannabinol) war den Menschen ebenfalls bekannt und macht Cannabis zu der ältesten Droge der Welt.
Trotz allem brachte der „Marijuana Tax Act“ von 1937 den Hanfanbau schlagartig zum Erliegen. Erst in Amerika, dann weltweit. Als Drahtzieher der Hanfprohibition gelten heute schwerreiche Industrielle. Angetrieben wurden sie von Gier nach Profit und Rassismus. Ihre Propaganda ging auf und die Welt nahm Hanf nicht mehr als Nutzpflanze wahr, sondern als „Killergras“, das die Jugend umbringt. Seit dem Einheitsabkommen über Betäubungsmittel der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1961 wurde Hanf in der vierten und damit höchsten Kategorie aller damals bekannten Betäubungsmittel gelistet. Somit wurde das Suchtpotenzial von Cannabis dem von Kokain oder Heroin gleichgesetzt.
Es dauerte mehr als 50 Jahre, bis sich das ändern sollte. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam 2018 allerdings zum Schluss, dass das Suchtpotenzial und die Gesundheitsgefährdung durch Cannabis weitaus geringer seien als bislang angenommen. Die Forscher konnten gar einen medizinischen Nutzen der Hanfpflanze belegen. Dementsprechend forderte die WHO schon länger, THC in die erste Kategorie aufzunehmen und Cannabinoide (CBD) gar nicht mehr als Betäubungsmittel aufzuführen. In einer historischen Abstimmung beschlossen die Vereinten Nationen im November, dies zu ändern – so wurde das Suchtpotenzial herabgestuft. Zudem wird Cannabis nun offiziell als Medizin anerkannt. Rekreatives Cannabis bleibt nach UN-Recht allerdings vorerst immer noch verboten. Doch auch das könnte sich bald ändern.
Die Luxemburger Regierung hat nämlich die Legalisierung von Cannabis im Koalitionsvertrag festgehalten. Ein fataler Fehler wäre es allerdings, sich nur auf die Droge Cannabis zu fokussieren. Damit die Legalisierung von Hanf gelingt, muss die Hanfpflanze vollkommen rehabilitiert werden. Der Anbau und die Verarbeitung von Nutzhanf muss ebenso gefördert werden wie die Forschung. Nur wenn das gelingt, kann Luxemburg sich zukünftig ein Stück von dem Milliardengeschäft Cannabis abschneiden und handelt wirklich nachhaltig. So könnten zum Beispiel für jede Tonne Papier, die wieder aus Hanf hergestellt wird, zwölf ehrwürdige Bäume stehen bleiben.
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