Sozialpolitik / Caritas-Kuddelmuddel: LSAP bedauert Abwesenheit verantwortlicher Akteure
Die Caritas-Affäre beschäftigt die Politik auch weiterhin. Die LSAP-Fraktionschefin Taina Bofferding vermisst in der Caritas-Affäre die nötige Empathie seitens der Politik.
Von wegen „mission accomplie“. Für die LSAP ist die Caritas-Affäre noch lange nicht vorbei. Zu viel müsse noch aufgearbeitet werden, meint LSAP-Fraktionschefin Taina Bofferding am Donnerstagnachmittag. „Wir hätten uns in dieser Situation keinen CEO gewünscht, sondern einen richtigen Premierminister, der an die Konsequenzen seiner Entscheidungen denkt“, sagt Bofferding. Die Caritas würde abgewickelt werden wie ein Unternehmen – dabei sei sie eine karitative Einrichtung, die sich für Menschen in der Not einsetze. „Die Regierung hatte die Wahl, die Caritas zu retten“, sagt Bofferding. „Allein der Wille hat gefehlt.“ Damit würde die Regierung nicht zuletzt ein Signal an den gesamten Sozialsektor senden: „Wenn ihr Opfer eines Betrugs werdet, lassen wir euch fallen.“ Dabei würde der Fünf-Millionen-Euro-Kredit des Staates an die Caritas zeigen, dass sie sehr wohl zu retten gewesen wäre, unterstreicht auch der LSAP-Abgeordnete Georges Engel.
Le ministre pourra charger l’Inspection du travail et des mines de toutes questions ou enquêtes d’ordre juridique ou technique afférentes aux conditions de travail et au bien-être des salariésArtikel 612-1. (2)
In die gleiche Kerbe schlägt auch der ehemalige Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP). „Premierminister Luc Frieden meinte, man habe der Caritas kein Geld geben können, weil dieses Geld direkt an die Banken geflossen wäre“, sagt Fayot. Eine Restrukturierung wäre unter den Voraussetzungen tatsächlich sehr schwierig gewesen. „Das kommt jedoch von den Banken, die die Caritas haben ausbluten lassen, während alle Kontrollmechanismen versagt haben.“ Auch würden deren Schuldabtretungsforderungen auf „sehr wackligen Füßen“ stehen. Es gebe den Rechtsgrundsatz „Fraus omnia corrumpit“, der so viel bedeute, wie dass Verträge und einhergehende Garantien im Betrugsfall nicht viel wert sind. Mit dem nötigen politischen Willen hätte man die Banken durchaus auch darauf aufmerksam machen können, nicht im Weg einer Reorganisation der Caritas zu stehen.
Damit widerspricht Fayot Premierminister Luc Frieden, der in einem rezenten Interview meinte, dass ein „transfert d’entreprise“ aufgrund der Schulden der Caritas nicht möglich gewesen sei. Aus diesem Grund habe man sich dazu entschlossen, eine neue Entität zu schaffen. Das Team um Christian Billon, dem jetzigen Verwaltungsratspräsidenten von HUT, habe zudem mit bereits bestehenden Organisationen über eine eventuelle Übernahme gesprochen. Niemand habe jedoch „einfach von heute auf morgen 300 bis 400 Leute übernehmen“ können. „Deswegen gab es keine andere Lösung“, sagte Frieden. Eine neue Entität, die nicht identisch mit der Caritas sei, weil ihr Gründer, nämlich die Kirche, eigenen Angaben zufolge nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um eine solche „neue Caritas“ zu gründen. Kardinal Jean-Claude Hollerich hatte zuvor erklärt, er könne „die Kirche nicht in den Konkurs führen, um der Caritas zu helfen“. Die Mittel der Caritas würden die des Erzbistums bei weitem übersteigen.
Zynisches Erzbistum
Bofferding kritisiert diese Stellungnahme des Erzbistums in der laufenden Affäre. „Laut Statuten bestimmt das Erzbistum fünf Verwaltungsratsmitglieder, darunter auch den Vorsitzenden“, sagt Bofferding. „Anders ausgedrückt: Die Caritas ist die katholische Kirche.“ Die Aussagen des Kardinals seien demnach bestenfalls „zynisch“. Die Schlussfolgerung: Auf die katholische Kirche sei kein Verlass mehr, so Bofferding. Vor allem, wenn man sich vor Augen führe, dass bei einer Auflösung der Caritas alle übriggebliebenen Besitztümer an die „Fondation Sainte-Irmine“ übergehen würden – und somit an das Erzbistum Luxemburg. Tatsächlich steht in Artikel 13 der Caritas-Statuten: „En cas de dissolution de la Fondation, la liquidation en sera effectuée par les administrateurs alors en fonction. Le patrimoine net restant sera transféré à la Fondation Sainte-Irminie et subsidiairement à l’achevêchée de Luxembourg.“ Die katholische Kirche könne demnach nicht einfach behaupten, dass sie in der laufenden Affäre nicht direkt betroffen sei, so Bofferding. Mehr Menschlichkeit und Empathie von allen Akteuren habe man sich im Verlaufe des „Kuddelmuddels“ gewünscht.
Parteikollege Georges Engel wundert sich unterdessen über die Abwesenheit von Arbeitsminister Georges Mischo (CSV). „Es gleicht einer Realsatire, wenn der Arbeitsminister meint, er habe in dieser Affäre nichts zu sagen“, kritisiert der LSAP-Abgeordnete seinen Amtsnachfolger im Arbeitsministerium. Es sei schwierig, die Amtsauffassung von Mischo zu verstehen, wenn es doch in der Caritas-Affäre um zahlreiche Arbeitsplätze und beim Wechsel auf HUT auch um die Arbeitsbedingungen gehe. Selbst wenn er nicht in die Kommissionssitzung vom Mittwoch eingeladen wurde, hätte er sich in Fragen des Arbeitsrechts durchaus bemerkbar machen können. „Er hätte der Öffentlichkeit Erklärungen zur rechtlichen Situation geben können oder sich zumindest als Mediator anbieten.“
Abwesender Arbeitsminister
Gerade ein Minister, der bei jedem öffentlichen Auftritt die Wichtigkeit des Sozialdialogs unterstreicht, habe sich in einer solchen Situation nicht zu verstecken. „Dass der Arbeitsminister sich erfreut über die Klage des OGBL zeigt, weil dann die Inspection du travail et des mines (ITM) eingeschaltet werden könne, ist falsch“, sagt Engel. Der „Code du Travail“ sei zwar ein komplexes Buch – jedoch stehe in Artikel 612-1. (2): „Le ministre pourra charger l’Inspection du travail et des mines de toutes questions ou enquêtes d’ordre juridique ou technique afférentes aux conditions de travail et au bien-être des salariés.“ Arbeitsminister Georges Mischo hätte die ITM schon sehr viel früher einschalten können. „Er hat abgewartet, bis er von einer Klage wachgerüttelt wurde.“ Warum nicht früher kommuniziert wurde, dass der ITM-Direktor am Dienstag vor Ort gewesen sei, sei problematisch, weil diese Information die Wogen teilweise hätte glätten können.
Auch bedauere die LSAP, dass der Arbeitsminister sich nicht aktiv für einen „transfert d’entreprise“ starkgemacht hat. Es sei ein Skandal, dass Georges Mischo über den Verlauf der gesamten Affäre abwesend gewesen sei. Gerade auch deswegen, weil beim Übergang von der Caritas auf die HUT zwar Dienstalter und das Gehalt übertragen, jedoch Änderungen bei der Arbeitszeit vorgenommen wurden. „Das müssen dann die Gerichte klären“, sagt Engel, der auch die Gewerkschaften in die Pflicht nimmt. Letzten Endes bedauert Georges Engel, dass die Arbeitnehmer großen Druck verspürt hätten, ihre Arbeitsverträge zu unterzeichnen – Vorgänge, von denen nicht zuletzt auch der CSV-Abgeordnete und ehemalige Caritas-Mitarbeiter Paul Galles berichtet hatte.
In puncto Kooperationspolitik bedauert Franz Fayot, dass nicht wenige Projekte nicht mehr weitergeführt werden und Personen entlassen werden müssen. „Die Luxemburger Kooperation verliert jahrelange Expertise von Menschen, die in Krisengebieten arbeiten“, sagt Fayot. Das politische Plädoyer der Caritas, das immer wieder „systemische Kritik“ geäußert hat, sei auch eine Kritik an unserem neoliberalen Wirtschaftssystem gewesen. „Obwohl der Premierminister immer wieder betont, dass er konstruktive Kritik begrüße, wird diese Stimme nun fehlen – und das ganz besonders bei der Politik, die gerade betrieben wird.“
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