Editorial / Caritas und der Papst-Besuch: Chefsachen
Feste soll man feiern, wie sie fallen, und der Papst-Besuch schenkt dem Land viel internationale Aufmerksamkeit. Fast 40 Jahre liegt die letzte Visite aus dem Vatikan zurück und so ist es nicht übertrieben, von einem historischen Tag für Luxemburg zu sprechen.
Nun haben historische Tage aber die Krux, dass man auch in Zukunft auf sie zurückblicken wird und dabei nicht nur der Besuch selbst, sondern auch der Kontext, in dem dieser stattfindet, unvergessen bleibt. Das wiederum sind keine guten Nachrichten für Luxemburg.
Politik, Banken und Kirche schaffen es nicht, sich aus der Caritas-Affäre herauszuwinden. Jede Äußerung, aber auch jedes Schweigen lässt das Erstaunen und den Zorn anwachsen. Luc Frieden hat die Causa früh zur Chefsache erklärt. Doch das Vertrauen in das „Modell Luxemburg“ und seine Akteure leidet zusehends. Ewig wird Frieden diesen Schaden nicht von sich fernhalten können.
Überraschend meldete sich nun Kardinal Jean-Claude Hollerich zu Wort. Er hätte besser weiter geschwiegen. Indem Hollerich bei RTL und Wort wiederholt, dass beim Bistum weniger Geld verdient wird als bei der Caritas, riskiert er eine völlig unnötige Neiddebatte. Visiert sind dabei rund 350 Caritas-Mitarbeiter, die in Ungewissheit um ihre berufliche Zukunft sind und bestenfalls in der neuen Struktur „Hëllef um Terrain“ (HUT) einen Arbeitsplatz finden – und anders als das Bistum und die CSV, die im Verwaltungsrat der Caritas und im Krisenkomitee vertreten sind, nichts mit dem Verbrechen der 61 verschwundenen Millionen zu tun haben. Die Aussage Hollerichs, dass er nicht früher eingeschritten sei, da sich von der Caritas niemand bei ihm gemeldet habe und er nicht „mit der Tür ins Haus“ fallen wollte, ist nur noch blanker Hohn.
Marie-Josée Jacobs, Verwaltungsratspräsidentin der Caritas, ehemalige CSV-Ministerin und Mitglied im Krisenkomitee, trat ebenfalls bei RTL vor die Kamera. Auch sie hätte es besser nicht getan. Jacobs’ Antworten offenbarten das ganze Chaos und die anhaltende Undurchsichtigkeit in der ganzen Causa. Jacobs weiß über nichts Bescheid, geht aber davon aus, dass „die Leute von PwC das machen sollen“.
Aus dem von Frieden eingesetzten Krisenkomitee ist der von Frieden berufene Krisenmanager Christian Billon offenbar wieder ausgetreten. Die neue HUT, deren Zusammensetzung sich wie die Kurzwahlliste des Premiers liest, tritt gegenüber den noch bei Caritas Beschäftigten mit einer unverhältnismäßigen Härte und Kälte auf. Man fragt sich, wem hier was bewiesen werden soll. Bei den Mitarbeitern der NGO liegen die Nerven auf jeden Fall blank. Die Stimmung am Mittwoch bei der Versammlung mit dem OGBL lässt keinen Zweifel daran.
Die für Luxemburg systemrelevanten Banken BGL BNP Paribas und Spuerkeess (BCEE) stecken wegen der durchgewunkenen Überweisungen knietief mit drin im Schlamassel. Dass die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen wegen Geldwäscheverdacht aufgenommen hat, wie Reporter.lu am Mittwoch schrieb, könnte für Aufregung am Finanzplatz sorgen.
Was Frieden, sein ganzer Helfertrupp und das Erzbistum vermissen lassen, ist ihre Empathie. Zehn Wochen nach Bekanntwerden des Skandals sind nur die Leidtragenden bekannt: Hilfeempfänger im Ausland, die bald nicht mehr wissen, was sie essen sollen, Caritas-Beschäftigte in Luxemburg, denen völlig unverschuldet mit einem harten Kurs begegnet wird, und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger Luxemburgs, die weiterhin auf die Antworten zu allen wichtigen Fragen warten.
Am Donnerstag kommt der Papst nach Luxemburg. Wer hätte vor wenigen Monaten noch gedacht, dass ein Papst-Besuch in Luxemburg vor allem etwas wird: ein Tag, an dem das Land endlich mal durchschnaufen kann? Am Freitag wollen die Caritas-Beschäftigten protestieren. Back to Business demnach. Wie war das noch mal mit der Chefsache?
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