Gesundheit / „Centre La Tulipe“: Boxen gegen Parkinson
Weltweit sind zwischen sieben und zehn Millionen Menschen an Parkinson erkrankt. In Luxemburg gibt es aktuell geschätzt zwischen 3.000 und 4.000 Betroffene. Die Zahlen stammen vom Luxemburg Institute of Health (LIH). Das „Centre La Tulipe“ in Leudelingen ist eine Anlaufstelle für Betroffene. Mit Informationen, Beratung und Sportangeboten wie Boxen rettet sie so manchen aus der Einsamkeit nach der Diagnose.
Parkinson ist nicht gleich Parkinson. Rui Faria, heute 54 Jahre alt, erkrankt bereits im Alter von 34 Jahren daran. Einem Kollegen des Gemeindemitarbeiters fällt auf, dass seine Hand, die den Telefonhörer hält, zittert und spricht ihn darauf an. Die Diagnose kommt 2004: Parkinson. Damit gehört er zu den zehn Prozent derer, die jünger sind, wenn sie erkranken. Die Erkrankung gilt gemeinhin als „Alterskrankheit“.
Je höher das Lebensalter, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken. Die Tage und Wochen nach der Diagnose erlebt Faria als fürchterlich. Noch heute bricht ihm die Stimme, wenn er darüber spricht. Fünf Jahre später entdeckt er das „Centre La Tulipe“ für sich, findet Hilfe und boxt seitdem einmal die Woche dort.
Sport hilft dabei, die Krankheit zu verlangsamen
Sport gilt als Schlüssel dafür, die Krankheit zu verlangsamen. Das bestätigen Neurologen wie Rejko Krüger. Der 63-Jährige arbeitet nicht nur praktisch, er ist einer der auf Parkinson spezialisierten Forscher am Luxemburg Institute of Health (LIH). Parkinson schränkt die Motorik ein. Das fiel auch bei Faria auf. Sein Gang war anders als sonst und er konnte beim Freizeitsport nicht mehr vom normalen Lauftempo in den Sprint umschalten.
„Parkinsonkranke vergessen Bewegungen, die für gesunde Menschen normal sind“, sagt Experte Krüger. Dazu gehören so banale Bewegungen wie das Schwenken der Arme beim Gehen. Geruchsverlust, Verdauungs- und Schlafstörungen oder Depressionen sind weitere Warnzeichen. Das Boxen fördert vor allem den Gleichgewichtssinn, aber nicht nur.
„Es stärkt das Selbstbewusstsein und den Spaß, den wir zusammen haben“, sagt Stéphane Fraccalvieri (41), der das Sportangebot in Leudelingen leitet. „Wir gehen hier auf jeden Einzelnen ein und holen ihn da ab, wo er steht.“ Boxen ist nur eines der insgesamt ein Dutzend Sportangebote in Leudelingen. Die Bewegung ist das eine, der Austausch mit anderen Betroffenen ist das andere.
Verschiedene Therapien ermöglichen fast normales Leben
Faria spürt so etwas wie Geborgenheit im Kontakt mit den anderen und erfährt viel Praktisches zum Leben mit der Krankheit, seit er ins „Centre“ kommt. Dessen Bedeutung ist nicht hoch genug einzuschätzen. „Das Centre hat mir das Leben gerettet“, sagt Faria. Thierry Lentz (44), Koordinator der Asbl., die die Anlaufstelle betreibt, würde es sicher nicht so ausdrücken. Aber Farias Aussage fasst das Ziel des Vereins gut zusammen. Lentz ist ein betroffenes Familienmitglied.
Sein Vater erkrankt 1988 an Parkinson und engagiert sich für eine Anlaufstelle. Damals war es noch sehr schwer, Parkinson zu diagnostizieren. Seit kurzem gibt es einen Bluttest, der die Diagnose erleichtert – nach Asbl.-Aussagen allerdings noch nicht am Markt ist, es aber bald sein soll. Forscher vom LIH, einer davon ist Rejko Krüger, und vom Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) haben ihn entwickelt.
Faria lebt nach einer „Deep Brain Stimulation“ (DBS) gut mit der Krankheit. Bei einer DBS werden Parkinson-Patienten Elektroden ins Gehirn implantiert, die die betroffenen Bereiche stimulieren. Dadurch können Parkinson-Patienten unter anderem ihre Medikamenteneinnahme reduzieren. So war es auch bei Faria. „Vorher habe ich rund 2.000 Pillen pro Jahr genommen, jetzt sind es maximal 130“, sagt er.
Forschung in Luxemburg sehr gut ausgebaut
Er arbeitet weiter in Vollzeit auf der Gemeinde und will das bis zur Pensionierung tun. Wenn es etwas gibt, das er seit seiner Erkrankung vermisst, dann betrifft es sein Hobby. Faria musste das Fußballspielen aufgeben. Vor der Diagnose spielt er fast 20 Jahre den Rechtsaußen oder auf der Position des Verteidigers. „Mit den Elektroden im Kopf kann ich nicht mehr köpfen“, sagt er. „Das ist zu gefährlich“. Parkinson und die damit verbundene Forschung wird immer wichtiger.
In Luxemburg ist sie sehr gut ausgebaut und liefert Ergebnisse, die Mut machen. Neben dem Bluttest konnte jüngst eine von vielen möglichen genetischen Dispositionen gefunden werden, die Parkinson verursacht. „Das erklärt heute schon zehn Prozent aller Fälle“, sagt Parkinson-Experte Krüger, der an vorderster Front an der Entdeckung beteiligt ist.
Das ist vor dem Hintergrund der absehbaren Entwicklung ein Hoffnungsschimmer. Es ist die weltweit am schnellsten wachsende „Alterskrankheit“. „Die Menschen, die an Parkinson erkranken, werden sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln“, sagt Wissenschaftler Krüger. Er begründet das nicht allein mit der wachsenden Lebenserwartung, sondern führt Umweltfaktoren an.
Dazu gehören mangelnde körperliche und geistige Aktivität, unausgewogene Ernährung und ein Zusammenhang mit Blutzucker. Medikamente, um das Voranschreiten der Krankheit zu bremsen, gibt es nicht, aber auch daran arbeiten luxemburgische Forscher. Aktuell läuft laut Krüger eine klinische Studie mit einem neu entwickelten Medikament, auf dem viele Hoffnungen ruhen.
Parkinson, „Centre La Tulipe“ und aktuelle Studie
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Die Zellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren, sterben ab. Dopamin steuert sowohl emotionale und geistige wie auch motorische Reaktionen. Der Name des Zentrums geht auf James Parkinson (1755-1824), den Entdecker der Krankheit, zurück. Er wurde im April geboren, die Tulpe ist die Blume dieses Monats, daher der Name.
Das „Centre La Tulipe“ hat 3,7 bezahlte Mitarbeiter und viele ehrenamtliche. Ohne sie wären viele Aktivitäten nicht möglich. Unter parkinsonlux.lu gibt es Informationen zur Krankheit. Auf parkinsonnet.lu finden sich zusätzliche Informationen wie speziell dafür ausgebildete Physiotherapeuten. Unter parkinson.lu sucht das National Center of Excellence in Research on Parkinson’s Disease (NCER-PD) Teilnehmer an der Studie „Gesund Altern“ zwischen 50 und 80 Jahren in der Großregion. Ziel ist es, verbesserte Therapien für Menschen mit Parkinson sicherzustellen.
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Es geht doch nichts über einen linken Haken.