Gemeinderat Esch / Chancengleichheit: ADR-Mann Schmit bekommt nach grenzwertiger Rede die Leviten gelesen
Alarmierende Zahlen des Sozialamts, Steuern, eine Kontroverse über eine Jugendstudie, das Sportstadt-Label und ein ADR-Mann, der die Leviten gelesen bekam: So können die Hauptpunkte der Escher Gemeinderatssitzung vom Freitag zusammengefasst werden.
Erschütternde Zahlen gab es beim Bericht des Sozialamts, den der zuständige Schöffe Bruno Cavaleiro (CSV) in der Escher Gemeinderatssitzung vom Freitag vorstellte. Während die Nachfrage für eine soziale Unterstützung im Landesdurchschnitt im Jahr 2023 lediglich um 0,2 Prozent stieg, wurde in Esch eine Steigerung von sage und schreibe 9,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr festgestellt. In absoluten Zahlen beantragten im vergangenen Jahr 597 Haushalte oder 4.200 Personen Hilfe von der Gemeinde.
Im berichtigten Haushalt ist das Budget für das Sozialbüro demnach erhöht worden und liegt nun bei 5,4 Millionen Euro. 76 Prozent der Ausgaben des Sozialbüros sind Wohnhilfen. Insgesamt wurden 2023 1,35 Millionen Euro Direkthilfe ausbezahlt, was eine Steigerung von 23 Prozent bedeutet. Marc Baum („déi Lénk“) wies in der anschließenden Diskussion auf die Energiepreise hin, die sich ab 1. Januar stark erhöhen werden. Das wäre neben dem Wohnen eine enorme soziale Herausforderung für Esch und die Escher, so Baum, der einen Energieplan anregte und sich über eine fundamentale Diskussion über die Entwicklung des gemeindeeigenen Energieversorgers Sudstroum freuen würde.
Weis vertritt Knaff bei Steuervorstellung
Der Brillplatz in japanischer Hand
Mitte August eröffnete im Pavillon 4 auf dem Brillplatz das „Ramen Shifu“ (das Tageblatt berichtete). Ein Restaurant, das in erster Linie die berühmte japanische Nudelsuppe Ramen serviert. Auch der Pavillon 3, das frühere Restaurant Oishii, ist nun vermietet und wird ebenfalls japanische Küche anbieten. Den Zuschlag bekam die NobiNobi-Restaurantgruppe, die japanisches Streetfood anbietet. Mit im Mietvertrag ist das Café im dritten Stock des Theaters, das frühere UBU beziehungsweise Gino’s, dem somit neues Leben eingehaucht werden soll.
In der Sitzung hat der Gemeinderat außerdem die Grundsteuer auf unbewohnte Baugrundstücke verdoppelt und liegt nun mit einem Punktwert von 1.200 Prozent auf dem Niveau von Düdelingen. Spitzenreiter ist Schifflingen (4.000 Prozent), und zumindest die Opposition hätte sich gewünscht, in diese Sphären vorzudringen. Ebenfalls verabschiedet wurde die Taxe auf leerstehende Geschäftslokale. Funfact am Rande: Vorgestellt wurde die neue Steuer von Bürgermeister Christian Weis (CSV) und nicht vom eigentlich zuständigen Schöffen, dem verurteilten Steuersünder Pim Knaff (DP). Der hatte vor zwei Jahren die Taxe im Gemeinderat präsentiert, allerdings bekam das Vorhaben wegen Einwänden aus dem Innenministerium Verspätung.
Reichlich Kritik von der Opposition gab es später an der Konvention für eine über 300.000 Euro teure Jugendstudie der Universität Luxemburg. Der Punkt war bei der letzten Sitzung von der Tagesordnung genommen worden, weil die Studie nicht in der Jugendkommission vorgestellt worden war. Das ist mittlerweile geschehen. Enesa Agovic (LSAP) stellte den Mehrwert der Studie für Esch und vor allem die Escher Jugendlichen infrage. Sie kritisierte u.a. die lange Studienzeit von zwei Jahren, die lediglich in einer Bestandsaufnahme enden würde. Eine Bestandsaufnahme, die die vielen gemeindeeigenen Jugendstrukturen auch selbst hätten liefern können. Mit den Stimmen der Mehrheit, inklusive der ehemaligen Piratin und zukünftigen Grünen Tammy Broers, wurde die Konvention zur Studie verabschiedet. Broers folgte in allen Abstimmungen des Tages der schwarz-blau-grünen Mehrheit.
Begonnen hatte die Sitzung nach einer Gedenkminute für den verstorbenen Escher CSV-Politiker François Colling mit der Vorstellung der Kandidatur zur europäischen Sportstadt 2025. Schöffe André Zwally (CSV) beleuchtete die Anstrengungen der Stadt zur Förderung des Sports. Besonders in Sachen Inklusion, „Sport pour tous“ und Chancengleichheit sei man in einer Vorreiterrolle. Der Preis wird von der privaten Agentur ACES vergeben, die in Brüssel beheimatet und von der EU-Kommission anerkannt ist. Am 5. und 6. November wird eine Jury nach Esch kommen, mit einer Entscheidung ist für Dezember zu rechnen. Unter den bisherigen 1.769 Preisträgern der „European City of Sport“ sind Düdelingen (2019) und Differdingen (2018).
Schmit und „verschiedene Schwingungen“
Haarsträubend wurde es beim anschließenden Tagesordnungspunkt, dem kommunalen Aktionsplan zur Chancengleichheit. Denn ADR-Mann Bernard Schmit fiel mit einer hanebüchenen Rede aus der Rolle, für die er im Anschluss u.a. von Marc Baum, Mandy Ragni („déi gréng“), Pim Knaff sowie später auch von Bürgermeister Weis die Leviten gelesen bekam. Schmit bezeichnete die Chancengleichheit als heikles Thema, und der Gesamtweg irritiere ihn, weshalb er auch bei der Abstimmung mit Nein stimmen werde. Er sei nicht gegen die „traditionelle“ Chancengleichheit zwischen Frau und Mann, aber „verschiedene Schwingungen“ fände er nicht gut.
Zuvor hatte er sich über den „Wokeismus“ echauffiert, sodass Schmit von Marc Baum zunächst einmal aufgeklärt wurde, was „woke“ eigentlich bedeutet. Nämlich wach sein und v.a. Menschen in ihrem Anderssein zu respektieren. Ganz nach dem Motto: „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“. Dann bedeute „Wokeismus“ ja auch, andere Meinungen zu akzeptieren, antwortete Schmit. „Da bleibt mir der Mund offen stehen“, meinte indes Mandy Ragni zu Schmits Ausführungen, „es geht um Respekt gegenüber anderen Leuten. Mir macht der Aktionsplan keine Angst (wie Bernard Schmit, Anm. d. Red.), sondern das, was ich gerade gehört habe.“ Pim Knaff erinnerte derweil daran, dass der damalige ADR-Vertreter im Gemeinderat (Aly Jaerling, Anm. d. Red.) für die Schaffung des Chancengleichheitsdiensts der Gemeinde abgestimmt hätte. Die Zeiten würden halt rauer, schlussfolgerte Knaff, und rechter.
„Maison relais“ im alten „Sprëtzenhaus“ eingeweiht
Nach der Sitzung zogen die Mitglieder des Gemeinderats in die rue du Fossé weiter, um dort die neue „Maison relais“ einzuweihen. „Bei de Pompjeeën“ heißt die Struktur dort, wo früher das „Aalt Sprëtzenhaus“ war. Bis 1981 waren die Escher Feuerwehrleute hier im Dienst, ehe sie in die neue Kaserne in der rue Léon Metz zogen. Aus diesem Grund waren bei der offiziellen Einweihung der neuen Betreuungseinrichtung auch die Feuerwehrleute aus Esch geladen. Das Bändchen durchschnitt so der frühere Kommandant Michel Krieps.
Der Umbau zur „Maison relais“ war 2020 vorgestellt worden. Er sollte bei Baubeginn neun Millionen Euro kosten und zum Schulanfang 2022/2023 fertig sein. Daraus wurden schlussendlich rund 13 Millionen. Die inklusive Struktur bietet Platz für 145 Kinder.
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