Digitales / Chaos Computer Club positioniert sich zur Copyright-Reform
Bis zum Frühling soll die Richtlinie über den digitalen Binnenmarkt (EU-Urheberrechtsreform) in nationales Recht umgesetzt werden. Am Montag hat der Chaos Computer Club dazu sein Positionspapier vorgestellt und macht dezidierte Vorschläge. Wenig überraschend ist die Forderung des Vereins, die viel kritisierten Uploadfilter weitestgehend einzuschränken.
2019 hat das Europaparlament, nach viel öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit und Kritik, die Richtlinie über den digitalen Binnenmarkt verabschiedet. Die Direktive beschäftigt sich mit Urheberrecht und berührt so unterschiedliche Themen wie Forschung, Journalismus, Musik, Bildung und weitere. Luxemburg hat bis zum 7. Juni 2021 Zeit, um diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Wie bei solchen Richtlinien die Regel, hat der nationale Gesetzgeber einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung, der es gestatten soll, auf nationale Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
Der luxemburgische Chaos Computer Club (C3L) hat am Montag bei einer Pressekonferenz ein Positionspapier vorgestellt, in dem der Verein eigene Überlegungen dazu präsentiert und Vorschläge macht, die er dem Gesetzgeber mit auf den Weg geben will. Das 23-seitige Dokument wurde an die Parteien, an die betroffenen Ministerien und an eine Reihe weiterer, betroffener Organisationen wie den Verbraucherschutzverein und den Presserat geschickt. Daneben hat der Verein die Internetseite copyrightreform.lu auf die Beine gestellt, die die Direktive und die Anmerkungen des Vereins in Luxemburgisch und in Englisch für Laien verständlich erklären soll.
Obwohl sich der Verein detailliert mit der kompletten Richtlinie auseinandergesetzt hat, sind zwei Artikel von besonderem Interesse. Zum einen geht es um Artikel 17 über die Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material auf Online-Plattformen. Dabei steht die Frage im Zentrum, was passiert, wenn ein Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material, wie etwa ein Lied, auf eine Plattform wie YouTube oder Facebook hochlädt, ohne die dafür erforderlichen Rechte zu besitzen. Diese Plattformen werden durch die neue Direktive dafür verantwortlich gemacht.
Aufgrund der hohen Mengen an Inhalten, die täglich hochgeladen werden, befürchtet der Chaos Computer Club, dass die Plattformen sogenannte „Uploadfilter“ benutzen werden, um Inhalte automatisch zu prüfen. Die Prämisse ist, dass die Flut an Inhalten von Menschen gar nicht geprüft werden kann. Diese Filter können allerdings den Kontext nicht erkennen und nicht unterscheiden, ob es sich dabei um einen Regelverstoß handelt oder um eine zulässige Nutzung des urheberrechtlich geschützten Materials, etwa im Rahmen einer Parodie, eines Bildungsbeitrages oder einer Dokumentation. Der Chaos Computer Club befürchtet, dass diese Filter tendenziell zu streng eingestellt werden, weil die Plattformen Strafen befürchten.
Der Verein fordert Vorsicht im Umgang mit diesen automatischen Technologien. Filter, so der Verein, sollen nur eingesetzt werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass sie regelkonforme Inhalte nicht löschen. Auch reiche es nicht, irrtümlich geblockte Inhalte wiederherzustellen. Vielmehr soll der infrage gestellte Inhalt verfügbar bleiben, bis er von einer Person überprüft worden ist. Plattformen sollten dazu verpflichtet werden, Statistiken zum Ausmaß ihrer Filtertechnologie zu veröffentlichen, fordert der Verein.
Alternativ müssten die Plattformen Lizenzen für alle Inhalte kaufen oder die Möglichkeit erhalten, eine sogenannte „Kulturflatrate“ zu bezahlen – eine Pauschalabgabe also, die auf die Rechteinhaber verteilt werden soll – sagten Dennis Fink und Sam Grüneisen von C3L bei der Pressekonferenz.
Aufmerksamkeit schenkt der Chaos Computer Club auch dem Artikel 15, der für die Presse von besonderer Bedeutung ist. Konkret geht es dabei um die Nutzung von Auszügen aus journalistischen Artikeln, wie sie zum Beispiel Suchmaschinen in ihren Ergebnissen als Vorschau anzeigen. Die Presse soll in Zukunft mehr Kontrolle darüber haben, wie und von wem ihre Artikel genutzt werden. Befürworter der Reform argumentieren, dass die Autoren/Verlage entlohnt werden müssen, wenn jemand ihr Werk oder Teile davon publiziert.
Die Direktive macht allerdings eine Ausnahme für „einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge“, ohne dies genau zu definieren. Der Chaos Computer Club wünscht sich, dass dies auch in der nationalen Umsetzung so belassen wird, da es sehr von Kontext, Medium, Alter und gesellschaftlicher Norm abhängig sei, was kurz ist. Daneben dürften „Fakten“ nicht derart geschützt werden. Ein Presseorgan dürfe keinen Urheberrechtsanspruch auf Fakten erheben. Als Beispiel nannten Fink und Grüneisen bei der Pressekonferenz die Zahlen der Covid-Infektionen, über die Presseorgane derzeit täglich berichten. Der Chaos Computer Club verlangt des Weiteren, dass klargestellt wird, dass Verlage auf ihr Recht verzichten dürfen.
Datenmining
Daneben reformiert die Richtlinie aber auch die Nutzung urheberrechtlich geschützter Informationen in der Forschung. D.h. sie stellt sicher, dass Forscher mit urheberrechtlich geschützten Daten arbeiten dürfen, und legt Regeln dafür fest. Grundsätzlich begrüßt der Chaos Computer Club dies, macht aber auf einige Punkte aufmerksam: So sei zum Beispiel die Wortwahl der Direktive „Text und Data-Mining-Technologien“ unklar. Es gelte sicherzustellen, dass Forschende die urheberrechtlich geschützten Daten nicht nur sammeln, sondern auch verarbeiten dürfen. Zudem solle es Forschern und Forscherinnen erlaubt werden, von außerhalb der Räumlichkeiten ihrer Institution auf digitalisierte Versionen analoger Werke zuzugreifen – Stichwort Home-Office.
Der Chaos Computer Club ist ein Verein, der sich seit vielen Jahren mit den neuen Technologien und mit Datenschutz auseinandersetzt und den kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit Technik fördern will. Mitglieder des Vereins sind zum Beispiel Hacker, Aktivisten und Künstler. Eigenen Aussagen zufolge ist der Verein zwar nicht unpolitisch, aber parteipolitisch unabhängig.
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