Cyclocross / Christine Majerus über die WM und Werte im Sport
Wenn es um Cyclocross geht, ist Christine Majerus seit Jahren die einzige Luxemburgerin, die in der Weltspitze mitfährt. Das ist dieses Wochenende im schweizerischen Dübendorf nicht anders. Wie man es von der 32-Jährigen gewohnt ist, hat sie wieder einmal eine Saison auf sehr hohem Niveau bestritten. Und so wie man es ebenfalls von ihr gewohnt ist, fand die Luxemburgerin auch zu anderen Themen, die diesen Winter aktuell waren, klare Worte.
Tageblatt: Sie haben vor kurzem in einem Tweet geschrieben, dass es im Sport eher darum gehen sollte, andere zu motivieren, als selbst nach Ruhm zu streben. Wie meinen Sie das?
Christine Majerus: Es war eine Reaktion auf die rezenten Dopingfälle im Radsport (u.a. die Niederländerin Denise Betsema und die Belgierin Sofie de Vuyst wurden positiv getestet, d.Red.). Es ist für mich einfach unverständlich, wie man so etwas machen kann. Im Sport geht es darum, seine eigenen Grenzen auszuloten, und darum, zu gewinnen. Das soll aber nicht der einzige Grund sein. Der Sport soll ebenso Werte von Respekt, Teamwork und Fairplay vermitteln. Ich finde es wichtig, diese Dinge klarzustellen.
Sie sind eine der wenigen Athletinnen und Athleten, die regelmäßig so klar Stellung beziehen.
Ich habe das Gefühl, dass wir dabei sind, den Kampf gegen Doping zu verlieren, jedenfalls was das Testen betrifft. Also bleibt noch die Prävention. Mit meinen Stellungnahmen versuche ich meinen Teil zur Prävention beizutragen.
Aber wieso beziehen nicht wesentlich mehr Sportler Stellung?
Ich kann es zum Teil verstehen. Wenn es eine Teamkollegin oder eine Fahrerin der gleichen Nation betrifft, ist es schwieriger, Position zu beziehen, als wenn man keine direkte Verbindung hat. Ich habe in meinen letzten Stellungnahmen auch immer versucht, diplomatisch zu bleiben und keinen direkt anzugreifen. Ich habe nämlich keine Lust, meinen ganzen Tag damit zu verbringen, in Social Media mit irgendwelchen Leuten darüber zu diskutieren.
Das heißt, Sie haben schon negative Reaktionen bekommen? Kamen diese eher aus dem Radsport-Milieu oder von außerhalb?
Es waren offensichtlich Leute, die keine Ahnung davon haben. Aber reden wir jetzt über Leute, denen Ethik nicht wichtig zu sein scheint, oder über die WM?
Ich habe das Gefühl, dass wir dabei sind, den Kampf gegen Doping zu verlieren, jedenfalls was das Testen betrifftProfisportlerin
Wir reden auch über die WM, aber das Thema hier ist doch ebenfalls wichtig.
Auf jeden Fall. Die Frage ist aber, in welchem Maße. Als ich am vergangenen Samstag den Kasteelcross gewonnen habe, liefen sämtliche Journalisten zu Betsema (die Niederländerin wurde Zweite und es war ihr erstes Rennen nach der Dopingsperre, d.Red.). Das war richtig frustrierend. Die Medien haben in dem Punkt auch ihre Verantwortung, wie und vor allem im welchen Maß sie darüber berichten.
Die Berichterstattung über Dopingsünder ist sicherlich eine Gratwanderung. Kommen wir noch einmal kurz auf Ihren Tweet zurück. Haben Sie das Gefühl, dass Sie durch den Sport Leute motiviert bekommen?
Ich denke schon. Ich meine, dass ich auch deswegen in meinem Team angesehen bin. Es fällt mir oft leichter, meine Kolleginnen zu motivieren als mich selbst. (lacht) Gemeinsam kann man im Sport viel mehr erreichen, als wenn man sich als Einzelkämpfer versucht.
Sie haben nach dem Weltcup am vergangenen Sonntag über Rückenprobleme berichtet. Wie geht es Ihrem Rücken mittlerweile?
Ich glaube, dass ein Nerv eingeklemmt war, denn nach dem Rennen ist der Schmerz bis ins Bein gezogen. Heute (das Interview wurde am Mittwoch geführt, d.Red.) geht es schon wieder besser. Zum Glück stand diese Woche vor allem Regeneration auf dem Programm. Ich hoffe, dass ich mich am Samstag auf dem Rad wieder so gut fühle wie in der vergangenen Woche.
Im Vergleich zu vielen anderen Sportlerinnen bestreiten Sie unmittelbar vor der Weltmeisterschaft verhältnismäßig viele Rennen. Woher kommt das?
Viele Fahrerinnen aus der Weltspitze konzentrieren sich vor allem auf die Cross-Saison. Da ich aber vor allem auf der Straße fahre, kann ich im Winter nicht so viele Rennen bestreiten wie die Spezialistinnen. Aus dem Grund versuche ich die Intensität kurz vor der WM zu erhöhen. Das hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.
Ich muss mich zwar ein bisschen wärmer anziehen als meine Teamkolleginnen in Spanien, aber das macht mir nichts ausProfisportlerin
Wie sehen Sie Ihre Cross-Saison bislang?
Eigentlich ganz gut, bis auf die Platzierungen im Weltcup. Das hat aber auch mit der neuen UCI-Regelung zu tun, wegen der ich aus der vierten Reihe starten muss. Das ist ein großes Handicap. Ich muss schon einen extrem guten Start hinlegen und dann noch darauf hoffen, eine Lücke zu finden, um mich nach vorne zu arbeiten. Gibt es keine Lücke, dann fahre ich nach einem guten Start immer noch in der dritten Reihe. Ich meine, dass die vierte Startreihe nicht meinen Leistungen entspricht.
Dennoch wurden Sie beim Weltcup in Nommay Vierte.
Da durfte ich auch aus der dritten Reihe starten, da einige Fahrerinnen gefehlt haben. Da hat man ja gesehen, welchen Unterschied das macht. Die Leistungsdichte bei den Frauen hat in diesem Winter noch einmal zugenommen. Da liegen teilweise 15 Konkurrentinnen innerhalb einer Minute. Deshalb ist die Startposition schon von großer Bedeutung.
Nun steht die WM in Dübendorf vor der Tür. Wissen Sie, was Sie erwartet?
Die Situation ist vergleichbar mit der in Beles vor drei Jahren. Auch in Dübendorf wurde im Vorfeld kein Rennen gefahren, sodass man nicht wirklich weiß, was auf einen zukommt. Viele sind nicht unbedingt erfreut darüber und ich kann schon verstehen, dass auf der WM-Strecke im Vorfeld ein Weltcup stattfinden soll.
Es macht also einen Unterschied, ob man eine Strecke einfach kurz vor dem Rennen besichtigen kann oder ob man schon einen Wettkampf dort bestritten hat?
Ohne Wettkampf fehlen halt die Erfahrungswerte. Man kann sich nicht wirklich auf das vorbereiten, was kommen wird.
Was erwarten Sie von der WM-Strecke?
Ich bin vor vielen Jahren einmal ein Rennen in Dübendorf gefahren und weiß deshalb, dass es ein sehr flacher Parcours ist. Wenn die Strecke trocken ist, habe ich wohl nicht viel mit dem Ausgang des Rennens zu tun. Ich hoffe also auf Regen, damit der Parcours tief und schwer wird. Dann stehen meine Chancen besser und die Wetterprognosen sehen nicht so schlecht aus – jedenfalls für mich.
Seit Jahren bestreiten Sie im Winter, also nach Ihrer Straßensaison, noch eine Cross-Saison. Wird Ihnen das nicht irgendwann zu viel? Vor allem mental?
Es ist ja nicht so, als ob meine Teamkolleginnen drei Monate auf der faulen Haut liegen würden, während ich Cross fahre. Sie trainieren ständig und verbringen drei von vier Wochen im Winter irgendwo in Spanien in einem Trainingslager. Das wäre nichts für mich. Ich bin schon von März bis September ständig unterwegs. Der Cross erlaubt mir, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Wir können zudem gemeinsam zu den Rennen fahren, was während der Straßensaison nicht immer möglich ist. Deshalb bevorzuge ich es, im Winter Quers zu fahren. Ich muss mich zwar ein bisschen wärmer anziehen als meine Teamkolleginnen in Spanien, aber das macht mir nichts aus.
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