EU-Kommission / Christophe Hansen soll EU-Landwirtschaftskommissar werden
Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Dienstagmorgen die Zusammensetzung der neuen EU-Kommission vorgestellt. Der designierte luxemburgische Kommissar erhält das Landwirtschaftsressort.
Der derzeitige luxemburgische EU-Parlamentarier Christophe Hansen soll der neue EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung werden. Das teilte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagmorgen im Europäischen Parlament (EP) in Straßburg mit. „Er hat die Aufgabe, die Empfehlungen des Agrarberichts mit Leben zu füllen und die Empfehlungen des Strategischen Dialogs umzusetzen. Auf der Grundlage des Strategischen Dialogs wird er in den ersten 100 Tagen des Mandats eine neue Vision für Landwirtschaft und Ernährung in Europa entwickeln“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin. Das Landwirtschaftsressort ist insofern von großer Bedeutung, da es über eines der größten Budgets verfügt. Christophe Hansen wird sich nun einer Anhörung im zuständigen EP-Ausschuss stellen müssen.
Der neuen EU-Kommission werden elf Frauen und 16 Männer angehören. Das bedeute einen Frauenanteil von 40 Prozent, so die Kommissionspräsidentin. Dieses Ungleichgewicht könnte die Kommissionschefin noch in Bedrängnis bringen. Denn Sozialdemokraten, Grüne und Linke im EP bestehen auf eine weitestgehende Parität bei der Besetzung der neuen Kommission. Allerdings verwies Ursula von der Leyen darauf, dass von den sechs künftigen Exekutiv-Vizepräsidenten der Kommission vier Frauen seien. Ob dies jenen reichen wird, die sich für mehr Gleichberechtigung einsetzen, wird sich noch zeigen müssen.
Das Europäische Parlament wird nach den Anhörungen der neuen Kommission als Ganzes noch ihre Zustimmung geben müssen. Die Kommissionschefin wird allerdings noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen. Dazu ist sie vor allem auf die Fraktion der Sozialdemokraten (S&D) im EU-Parlament angewiesen. Diese haben bereits vergangene Woche die Kommissionschefin gewarnt, dass sie ihr die Unterstützung entziehen könnten, wenn bestimmte Bedingungen nicht erfüllt würden. Eine davon ist, dass der bisherige luxemburgische EU-Kommissar und Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten Nicolas Schmit bei den Europawahlen der nächsten EU-Kommission angehört und ihm ein bedeutendes Portfolio anvertraut wird. Dies ist nun nicht der Fall.
S&D-Fraktion gegen Postfaschisten
Auf diesen Umstand angesprochen, meinte die Kommissionspräsidentin, die EU-Verträge seien in dieser Hinsicht „sehr klar“. „Die Regierungen entscheiden über die Nominierung ihrer Kandidaten und die Wahl ihrer Kandidaten. Ich kann mit ihnen diskutieren, doch ganz zum Schluss entscheiden sie. Und die Entscheidung von Luxemburg ist Christophe Hansen“, sagte Ursula von der Leyen. In ihrem Schreiben von vergangener Woche warnten die europäischen Sozialdemokraten vor einem Bruch mit dem Prinzip der Spitzenkandidaten, in dem diese „eine führende Rolle auf EU-Ebene einnehmen und damit das demokratische Mandat widerspiegeln, das sie bei den Europawahlen als Vertreter ihrer politischen Familie erhalten haben“.
Die Kommissionschefin kam ebenfalls einer dritten Bedingung der S&D-Fraktion im EU-Parlament nicht nach: Diese sprach sich dagegen aus, dass ein Kandidat der EU-kritischen Partei „Europa der Konservativen und Reformer“ (EKR), Exekutiv-Vizepräsident in der kommenden Kommission wird. Das ist allerdings nun mit dem Italiener Raffaele Fitto der Fall. Der derzeitige italienische Minister für europäische Angelegenheiten der Regierung von Giorgia Meloni gehört der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia an und soll nun Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen werden. Die Mitte-links-Parteien hatten bereits vor der Europawahl die Kommissionschefin vor einer Zusammenarbeit mit den italienischen Postfaschisten gewarnt. Selbst die Liberalen im EP hatten sich dieser Warnung angeschlossen. Ursula von der Leyen riskiert demnach, sich eine Abfuhr bei einer Mehrheit der EU-Parlamentarier zu holen. In der Europäischen Volkspartei (EVP) hingegen, die im EP die stärkste Fraktion stellt, dürfte die Nominierung Fittos auf Zustimmung stoßen. Denn auch deren Fraktionschef Manfred Weber hatte in der Vergangenheit die Nähe zur mittlerweile von der italienischen Regierungschefin geführten EKR gesucht.
Überraschend zahme Reaktion der S&D-Fraktionschefin
Überraschend zahm gab sich allerdings die Fraktionschefin der Sozialdemokraten im EP, Iratxe García Pérez, nach der Vorstellung der neuen Kommission. Es gebe „Schatten und Licht“ in der neuen Kommission und ihre Fraktion werde „verantwortungsbewusst“ an die anstehenden Anhörungen herangehen, sagte die Spanierin, empfahl ihrer Fraktion jedoch auch: „Wir müssen die Mehrheit stärken“ und an die Arbeit in diesem Haus denken. Zwar zählen nur vier von den 27 Kommissarinnen und Kommissare den Sozialdemokraten an, die anderen sind in der Mehrheit EVP-Politiker oder gehören anderen rechten Parteien oder den Liberalen an, doch Iratxe García Pérez zeigte sich sehr zufrieden darüber, dass zwei der sechs exekutiven Vizepräsidentinnen der Kommission, der S&D angehören. Die S&D-Fraktionschefin betonte, es sei für die Sozialdemokraten von „grundlegender Bedeutung“ gewesen, dass Nicolas Schmit Teil der Kommission wird. Sie hätten sich auch entsprechend für ihren Spitzenkandidaten eingesetzt, doch: „Wir sind nicht in der Lage gewesen, die luxemburgische Regierung davon zu überzeugen, Nicolas Schmit vorzuschlagen“, bedauerte Iratxe García Pérez.
Nun müssen sich die Kommissionsanwärter noch einer Anhörung in den jeweiligen Fachausschüssen im EU-Parlament stellen. Dabei ist es in der Vergangenheit auch schon mal vorgekommen, dass Kandidaten durchfielen und ersetzt werden mussten. Derzeit wird allerdings nicht davon ausgegangen, dass die neue Kommission wie vorgesehen am 1. November ihre Arbeit aufnehmen kann. Selbst Ursula von der Leyen wollte sich am Dienstagmorgen nicht darauf festlegen. Alle wollten, dass die Kommission so bald wie möglich die Arbeit aufnehme. Sie würde „hart arbeiten“, um so bald wie möglich die nächste Kommission zu haben, so die Kommissionschefin.
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