Demo am Samstag / Chronik eines angekündigten Ausnahmezustands
Bei Protesten gegen die Covid-Politik der Regierung ist es am Samstag in Luxemburg-Stadt erneut zu Ausschreitungen gekommen. Während der größte Teil der Menschen friedlich auf dem Glacis protestierte, hielten sich viele nicht an die Vorgaben der Behörden. Eine Chronik.
14 Uhr: Der Glacis ist noch relativ leer – der Platz an der Kreuzung füllt sich allerdings langsam mit Demonstranten. Die Luxemburger Polizei in Schutzkleidung ist mit einem Großaufgebot in der Stadt. Unterstützt wird sie von belgischen Beamten. Peter Freitag und Jean-Marie Jacoby bauen Lautsprecher auf. Die Menschen blockieren noch keine Straßen und auch die Tram fährt noch im Fünf-Minuten-Takt am Protest vorbei.
14.10 Uhr: Offiziell hat die Demonstration vor zehn Minuten angefangen. Bis jetzt haben sich ungefähr 500 Menschen eingefunden. Ab und an fahren hupende Autos vorbei – ein Autofahrer zeigt den anwesenden Menschen während des Vorbeifahrens den Mittelfinger. Peter Freitag ergreift das Wort nach einem ersten Soundcheck: „Ihr könnt euch innerhalb des Perimeters überall hinstellen. Der Kreisverkehr und der Tunnel gehören euch – und wenn ihr wollt, könnt ihr sogar Tram spielen.“ Jean-Marie Jacoby fordert die Menschen auf, sich nach dem Stichtag krankzumelden. Man könne „Rückenleiden“ angeben, sagt er. Am 15. Januar tritt das Covid-Check-System auch in den Betrieben in Kraft. Auch Jacoby fordert die Menschen dazu auf, die Tram zu blockieren. Die Demonstranten bejubeln den Vorschlag, bewegen sich allerdings noch nicht vom Platz weg.
14.30 Uhr: Die Gruppe steht weiterhin auf dem Glacis. Peter Freitag brüllt über die Lautsprecher, dass noch viel Platz ist und diejenigen, die über Livestream zuschauen, sollen ruhig noch vorbeikommen. Toni Fernandes hat nun das Mikro. Er spricht über eine neue Partei „Mir d’Vollék“, die sich ganz klar gegen die Impfung positioniert. „Wir werden nicht nur schreien, um sie zu bekommen, die Freiheit. Sondern wir müssen sie uns zurückholen“, sagt Fernandes.
14.50 Uhr: Eine Gruppe von ungefähr 100 Leuten stößt von der „Kinnékswiss“ hinzu. Mittlerweile blockieren die Menschen die Kreuzung und die Tram. Obwohl die Redner immer wieder zu einer friedlichen Demo aufgerufen haben, wirkt die Stimmung zum Teil wesentlich angespannter. Verschiedene Personen fangen an mit den Polizisten lautstark zu diskutieren. Immer wieder gehen Knallkörper los. Ein Teil der Menschenmasse bewegt sich in Richtung Kirchberg – die vorgegebene Route. Chantal Reinert ist zu dem Zeitpunkt am Mikrofon und brüllt, die Demonstranten sollen auf dem Glacis bleiben. „Wir sind friedlich! Sie kommen hierhin als hätten wir vergangene Woche alles platt gemacht. Sie sind lächerlich und können dort hinten selbst mit ihrem Wasser spielen. Bleibt hier!“, sagt Reinert – 40 Minuten bevor die ersten Randalierer versuchen, mit Gewalt an den Polizisten und dem Wasserwerfer vorbeizukommen. Peter Freitag nennt die vorgegebene Route eine „Falle“.
15 Uhr: Die Menschenmasse bleibt auf dem Glacis, hat sich allerdings relativ klar in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen hören friedlich den Rednern und der Musik zu, die anderen stellen sich vor die erste Blockade der Polizisten in Richtung Innenstadt und brüllen sie an. Zwei Polizeidrohnen und ein Helikopter beobachten die Situation aus der Luft. Die Straße in Richtung Kirchberg ist komplett frei. Immer wieder gehen Knaller los, schwarzer Rauch wird vor den Polizisten gezündet und der „Imperial March“ von Star Wars wird durch ein Megafon gespielt.
15.15 Uhr: Verschiedene Demonstranten haben gemerkt, dass in Richtung Limpertsberg weniger Polizisten stationiert sind, und versuchen dort durchzubrechen. Die Menschenmasse, die vor der Barriere zur Innenstadt steht, merkt, dass in die andere Richtung etwas passiert, und verlässt ihre momentane Position. Die Polizisten, die den Weg zur Innenstadt blockiert haben, laufen den Demonstranten nach und verbarrikadieren dann auch die Straße zum Limpertsberg. Nach ein bisschen Chaos scheinen sie allerdings realisiert zu haben, dass auch dort kein Durchbrechen ist. Die Sicherheitskräfte, die im Park auf ihren Einsatz gewartet haben, rücken nach und bilden wieder einen Schildwall in Richtung Innenstadt. Die Menschenmasse, die ganz klar eine Konfrontation sucht, geht wieder zu ihrer ursprünglichen Position zurück. Die Hauptgruppe von den ungefähr 600 Demonstranten steht weiterhin um die Lautsprecher versammelt und protestiert friedlich.
15.30 Uhr: Die Polizeikette lässt nun die ersten Menschen zur Innenstadt durch. Etwas weiter bilden andere Polizisten mit Schild, Knüppel und belgischem Wasserwerfer eine zweite Barriere. Knapp 200 Menschen – darunter auch Familien mit Kinder – bewegen sich bis zur zweiten Blockade. Die Polizei rückt langsam vor, um die Masse zurück zur erlaubten Zone zu drücken. Die Personen ganz vorne fangen an, die Polizisten anzubrüllen. Dann explodiert der Konflikt. Böller, Glasflaschen und andere Gegenstände werden auf die Polizisten geworfen. Ein paar Chaoten versuchen durchzubrechen, zerren an den Schilden und stoßen die Beamten. Die Polizei antwortet mit Verhaftungen und Wasserwerfer. Die meisten Demonstranten laufen wieder zurück zum Glacis. Langsam, aber sicher rücken die Polizisten vor, drücken immer wieder Randalierer weg oder schlagen mit den Stöcken nach besonders aggressiven Menschen.
15.40 Uhr: Nach zehn Minuten Konflikt bleibt die Truppe vor der Kreuzung auf dem Glacis stehen und baut sich dort auf, wo die erste Barriere vorher war. Der Wasserwerfer kommt vorerst nicht mehr zum Einsatz. „Wir sind Ratten, wir haben keine Freiheit“, schreit jemand in der Masse immer wieder auf Französisch. Die Straße in Richtung Kirchberg ist weiterhin frei.
15.50 Uhr: Über Lautsprecher wird immer wieder dazu aufgerufen, sich friedlich zu verhalten. „Ich verstehe, dass die Franzosen weitaus aufgeregter sind als die Luxemburger“, sagt Jean-Marie Jacoby. In Richtung Limpertsberg bilden Demonstranten vor den Polizisten eine schützende Menschenkette. Die Krawallmacher stehen weiterhin vor der Barriere zur Innenstadt und provozieren hin und wieder die Polizisten. Zu einer weiteren Auseinandersetzung kommt es allerdings nicht.
16.00 Uhr: Die Lage scheint sich langsam zu beruhigen. Es sind mittlerweile nur noch um die 300 Menschen auf dem Glacis. Noch immer stehen ein paar Randalierer vor den Polizisten in Richtung Innenstadt – die meisten hören allerdings weiterhin den Reden oder Musik zu, eine kleinere Gruppe tanzt.
16.30 Uhr: Der Protest löst sich langsam auf. Nur noch eine Hauptgruppe von 100 Menschen ist um die Lautsprecher verteilt. Der Wasserwerfer und mehrere Polizisten verlassen ihren Posten.
17 Uhr: Es wird dunkel. Fast die komplette Polizeipräsenz wird abgezogen, nur eine Motorradstaffel steht Wache. Etwa 50 Menschen sind noch am Feiern, doch die Demonstration scheint vorbei. Von der Innenstadt hört man noch Sirenen und auch Knallkörper.
17.10 Uhr: Eine Gruppe von etwa 100 bis 150 Menschen blockiert den Boulevard Royal in Höhe der Tram-Haltestelle und machen Lärm. Die Krawallmacher rufen „Liberté“ und „Non au Covid-Check“. Nur einzelne Polizisten ohne Schutzanzüge sind vor Ort und beobachten vorerst nur. Die Menschenmasse bewegt sich über die Avenue Monterey in Richtung Place d’Armes, wo sich ein Teil des Weihnachtsmarktes befindet.
17.20 Uhr: Die Krawallmacher stehen nun vor einer Polizeiblockade, die den Weg zur Place d’Armes und damit zum Weihnachtsmarkt versperrt. Es geht nicht weiter. Nach fünf Minuten dreht die Gruppe um und bewegt sich über die Rue Philippe II in Richtung „Gëlle Fra“ – auch dort findet der Weihnachtsmarkt statt.
17.30 Uhr: Die Polizei ist nun ständig in Bewegung. Jede Kreuzung, die die Randalierer überqueren, wird von den Polizisten besetzt, um den Rückweg zu versperren. Die Menschenmasse kann sich also nur in Richtung Boulevard Roosevelt bewegen – und dort blockiert ein Schildwall an Polizisten bereits den Weg zum Weihnachtsmarkt. Die Demonstranten kommen nicht weiter, machen allerdings weiter Lärm und zünden Böller, die sie in Richtung Polizei – und Weihnachtsmarkt – schmeißen. Immer mehr Beamte tauchen auf. Der Weg zurück in die Innenstadt ist zu. „Heute sind wir nicht mehr zu genug, es sind nur noch die Harten da“, sagt einer der Randalierer.
17.35 Uhr: Vor dem Pont Adolphe stehen dutzende Polizisten und sorgen dafür, dass niemand mehr den Boulevard Hamilius hochkommt – Autos, Busse und Tram werden noch vorbeigewinkt. Die Menschenmasse scheint sich in alle Himmelsrichtungen zu verteilen. Die Demonstration hat sich aufgelöst. Immer wieder fliegt der Polizeihubschrauber über die Stadt. Bis auf ein paar kleinere Gruppen, die Lärm machen, hat sich die Situation beruhigt.
18 Uhr: Es sind keine Sirenen oder Knallkörper mehr zu hören. Die Demonstranten sind offenbar auf dem Weg nach Hause.
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